Menschen

Einen Menschen in seiner Einzigkeit sehen und annehmen

25 Jahre Hospizverein Südliches Ostallgäu e.V. – Jubiläumsfeier ist am Samstag, 21. September 2024

Seit 25 Jahren engagieren sich ehrenamtliche Sterbe- und Trauerbegleiter in Füssen. Sie begleiten Schwerstkranke und Sterbende, aber auch ihre Angehörigen. Die Hospizbegleiter sind eine wichtige, psychosoziale Stütze und helfen bei den Herausforderungen, die dieser Abschiedsprozess mit sich bringt.

Koordiniert wird die ehrenamtliche Arbeit durch den Verein Hospiz Südliches Ostallgäu in Füssen, mit Sitz in der Augsburger Straße 56. Begonnen hat alles 1999, als Brigitte Engelhard-Lechner, Jutta Schäfer und Lothar Schaffrath einen Kurs für Hospizbegleitung besuchten und durch ihr Engagement anschließend die Hospiz-Bewegung in den Altlandkreis Füssen brachten. Acht Jahre später wurde aus der Bewegung ein Verein, der heute 312 Mitglieder und 53 Sterbebegleiter zählt.

Mit der Anzahl der Helfer und Mitglieder wuchsen auch die bürokratischen Anforderungen. Denn über Mitgliedsbeiträge und Spenden allein kann sich die Institution nicht finanzieren und für einen Anspruch auf staatliche Förderung wiederum müssen hohe Auflagen erfüllt werden. Deshalb gibt es die Hospizbegleiterin Karina Rüter, die den Verein als leitende Koordinatorin seit 16 Monaten hauptamtlich leitet.

Sie ist gelernte Intensiv-Krankenschwester und Palliative-Care-Fachkraft. Für die Stelle im Hospizverein absolvierte sie zudem ein Seminar für Führungskompetenz und eine Schulung zur Koordinatorin. Sterbebegleitung heißt es offiziell. Eine Begrifflichkeit, die zwar üblich ist, die die 55-Jährige jedoch nicht passend findet: „Ich bin der Meinung, wir sind Lebensbegleiter. Deshalb spreche ich auch lieber von Hospizbegleitern.“

Bedarf an neuen Hospizbegleitern besteht permanent, denn von den besagten 53 Ehrenamtlichen sind nicht alle in der ambulanten Betreuung aktiv. Zudem soll nach jeder abgeschlossenen Begleitung eine Pause von mindestens zwei Monaten eingelegt werden, um mit dem Erlebten abschließen zu können. Lebens- und Trauerbegleiter kann grundsätzlich jeder werden. Wer Interesse hat, durchläuft zunächst eine Art Bewerbungsgespräch mit der Koordinatorin.

„Es ist nicht zu unterschätzen, dieses Ehrenamt umzusetzen“, ist sich die gelernte Krankenschwester bewusst. Die Ausbildung beginnt immer im Frühjahr (das nächste Seminar startet im März 2025) und endet im Oktober. Die Module beinhalten die Themen Physiologische und pathologische Trauer, Gesprächsführung, Konfliktbewältigung und Krisenintervention.

Es geht um Rituale und auch um Selbstfürsorge. Dabei merken manche Teilnehmer erst, dass sie der Aufgabe als Hospizbegleiter nicht, beziehungsweise noch nicht gewachsen sind, erklärt die gebürtige Saarländerin. Keiner wird daraufhin gezwungen, das Seminar zu beenden. Wer die Ausbildung abschließt, erhält bei einem Festakt sein Zertifikat. Aktuell sind die jüngsten Ehrenamtlichen 30 Jahre alt, der Älteste im Team 83 Jahre.

„Ich habe Bewusstheit für mein eigenes Leben gewonnen“ – Karina Rüter Leitende Koordinatorin

Das Ehrenamt ist der Kern der Hospiz- und Palliativarbeit und der Verein ist permanent auf der Suche nach Menschen, die diese Sache unterstützen und dabei sein wollen. „Die Arbeit gibt einem viel zurück. Ich habe Bewusstheit für mein eigenes Leben gewonnen“, berichtet Karina Rüter. Das habe ihr Lebensqualität geschenkt.

Ebenso empfindet es Hospizbegleiter und 1. Vorsitzender des Vereins, Roger Gemmel. Er ist gelernter Maschinenbauingenieur. Nach seiner Pensionierung durchlief der gebürtige Franke die Ausbildung zum Hospizbegleiter und ist vor vier Jahren in den Vereinsvorstand „rein gestolpert“. „Seit ich Hospizbegleiter bin, lebe ich bewusster und für den Moment.“

Ein Hospiz ist auf die Vermittlungsarbeit von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Ärzten angewiesen. Dabei hat jeder Mensch einen Anspruch auf Sterbebegleitung. Wer sie wünscht, darf sich jederzeit an den Hospizverein wenden. Dieses Angebot steht auch Schwerstkranken und Sterbenden anderer Kulturen, Religionen, jeder Herkunft oder Orientierung offen.

Bisher habe nur ein einziges Mal eine türkische Frau darum gebeten, berichtet Gemmel. Das dürfe sich gerne ändern. Die 55-Jährige ist überzeugt: „Es würde unsere Arbeit bereichern.“ Zwar ist der Verein durch seine Satzung allgemein an die christliche Kirche und ihre Werte gebunden, das sei jedoch eine Empfehlung, kein Muss. „Unser Verein ist komplett offen. Dafür stehe ich“, bekräftigt der 62-Jährige.

Was Karina Rüter an ihrer Arbeit so schätzt, ist die Nähe zum Menschen. „Wir schenken Zeit.“ Die ehemalige Krankenschwester ist stets die Erste, die eine betroffene Person besucht. Dabei stellt sie viele, vor allem biographische Fragen. „Die Menschen sind bereit und oft sogar froh, das alles zu erzählen. Es ist wahnsinnig berührend, was für Schicksale dahinterstehen oder was man für interessante Lebensgeschichten hört.“

Anschließend wählt die Fachkraft einen passenden Hospizbegleiter aus. In der Regel finden zwei Besuche pro Woche statt. Nach eigenem Ermessen der Ehrenamtlichen und in Absprache mit der Familie, ist sie beziehungsweise er zum Ende hin täglich oder auch einmal bis spät in die Nacht vor Ort. Manche Menschen scheinen tatsächlich erst loszulassen, wenn sie sich noch etwas von der Seele reden konnten. „Das erleben wir sehr oft.“

Regelmäßige Supervisionen, Aussprachen, Treffen sowie persönliche Gespräche mit den Ehrenamtlichen gehören genauso zur Hospizarbeit wie verschiedene Fort- und Weiterbildungen. Nicht zuletzt, da der Verein noch viel mehr bietet als die Ausbildung zum Hospizbegleiter und die ambulante Unterstützung.

Alle paar Monate findet ein „Letzte Hilfe Kurs – Am Ende wissen, wie es geht“ in den Räumen des Vereins statt. Ein Kurs, in dem „das kleine Einmaleins der Sterbebegleitung“ vermittelt  wird. Er richtet sich an alle, die sich über die Themen rund um das Sterben, den Tod und Palliativversorgung informieren wollen. Der Kurs handelt von der Normalität des Sterbens als Teil des Lebens, beinhaltet jedoch auch praktische Aspekte wie die Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht.

Die Trauerbegleitung ist eine weitere wichtige Säule des Vereins. Es handelt sich um eine eigenständige Ausbildung, die sich jedoch ergänzend zum Hospizbegleiter anbietet. Immer am letzten Sonntag des Monats findet in den Räumen des Hospizvereins das „Trauercafé Lichtblick“ statt. In dieser sicheren, geborgenen Atmosphäre haben Trauernde von 14 bis 16 Uhr Gelegenheit, Erfahrungen zu teilen oder einfach nur da zu sein – um sich weniger allein zu fühlen.

Trauernde, die das Bedürfnis haben, können auch gerne zu persönlichen Gesprächen in die Augsburger Straße kommen. Schön sei, dass aktuell auch mehr Männer dieses Angebot in Anspruch nehmen, sagt die ehemalige Krankenschwester.

Am 21. September feiert der Verein Hospiz Südliches Ostallgäu sein Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür. Im Hof des Gebäudes mit den blauen Fensterläden und in seinen Räumen stellt sich der Verein und die Hospizarbeit vor. Verschiedene Vorträge sind geplant und an einem Infostand beantworten Ehrenamtliche und Mitarbeiter gerne die Fragen der Besucher.

Der Vorstandsvorsitzende und die Koordinatorin freuen sich auf zahlreiche Gäste, neue Vereinsmitglieder und Menschen, die Interesse an der Ausbildung zum Hospizbegleiter haben. Erreichbar ist das Team des Hospizvereins telefonisch von 9 bis 12 Uhr.

Der Anrufbeantworter wird bis 17 Uhr regelmäßig abgehört. In Notfällen springt die SAPV, die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung Kaufbeuren-Ostallgäu ein. Glücklicherweise gibt es im Landkreis ein gutes Palliativ-Netzwerk, wie die hauptamtliche Mitarbeiterin erwähnt. Auf der Homepage des Vereins finden sich alle Informationen und Angebote unter www.hospiz-fuessen.de.

Text: Selma Hegenbarth · Fotos: Hospizverein Südliches Ostallgäu e.V.

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