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Bitter, der zu Unrecht vergessene Geschmack

Bitterstoffe, die leider lange Zeit sehr in Vergessenheit geraten sind, erleben gerade Gott sei Dank eine kleine „Renaissance“, weil sie doch so wichtig für unseren Organismus sind. Vielen Pflanzen, hauptsächlich im Bereich der Nahrungsmittel, wurden sie geradezu „herausgezüchtet“, um dem Gaumen der Kunden einen Gefallen zu tun. Schade! Aber die meisten Menschen stehen halt eher auf süß oder mild!

Also, ich persönlich mag den Geschmack bitter sehr gerne, nicht nur, da ich weiß, wie diese Stoffe unserem Körper wohltun, sondern auch, weil es mir schmeckt. Für eine ausgewogene Ernährung sind Bitterstoffe eine ganz wichtige Ergänzung und sie haben viele Vorteile für unsere Gesundheit.

Inzwischen sind doch wieder so einige Präparate mit sog. „Bittertropfen“ auf dem Markt, die in flüssiger Form eingenommen werden, aber auch Heilkräuter oder verzehrbare Pflanzen können sehr hilfreich sein. Früher gab es doch immer den guten alten „Magenbitter“, oder?

Ja, was bewirken jetzt eigentlich diese Herb- oder Bitterstoffe? Egal in welcher Anwendungsform, haben sie eine erstaunliche Wirkkraft. Ob als Tee, Abkochung oder Elixier, führen sie u.a. zu einem raschen Sättigungsgefühl, wirken einem vermeintlich unstillbaren Süß- oder Fleischhunger entgegen und lassen Übergewicht und Diabetes wenig Chance, das ist gut so. Außerdem werden das Immunsystem und die Verdauung stimuliert. Zusätzlich helfen sie bei chronischen Krankheiten, den Körper zu entgiften.

So, nun will ich Sie nicht weiter auf die Folter spannen und einige dieser bewährten Pflanzen vorstellen, die diese guten Effekte haben, z.B.: Galgant (Alpinia officinarum).

Er gehört genau wie der Ingwer zur Familie der sog. Zingiberaceae (Ingwergewächse) und schmeckt auch so ähnlich. Ebenfalls wird hier die Wurzel verwendet. Der lateinische Name hat übrigens nichts mit den Alpen zu tun, diese Namensgebung geht zurück auf einen bedeutenden italienischen Botaniker des 16./17. Jahrhunderts – namens Prospero Alpini!

In der asiatischen Küche ist Galgant unverzichtbar, speziell als Suppengewürz. In Europa ist er weitestgehend unbekannt, bis auf eine große Ausnahme, die Empfehlungen der Heiligen Hildegard von Bingen! So steht bei ihr geschrieben: „Wer im Herzen Schmerzen leidet und wem vom Herzen ein Schwächeanfall (Ohnmacht)droht, der esse sogleich eine hinreichende Menge Galgant, und es wird ihm besser gehen.“

Hildegard war ja eine sehr gelehrte Frau und sie kannte den Galgant wohl damals schon von Importen aus dem Orient. Sie verlegte sich etwas mehr auf die Herz-Kreislauf-Problematik, obwohl sie auch von einem „Galgant-Gulasch“ schrieb, ich nehme an, das war sicher eine Art Eintopf, dem man dieses Gewürz zugeben sollte. Das, so heißt es, nimmt die Müdigkeit nach dem Essen und da sind wir wieder bei der Verdauung. Der Magen-Darm-Trakt und das Herz können durchaus stark in Verbindung stehen. Hierunter fällt das sog. „Roemheld-Syndrom“, benannt nach einem Internisten, der dieses erstmals 1912 beschrieben hatte.

Auch als gastrokardialer Symptomenkomplex bekannt, bezeichnet man in der Medizin reflektorische Herzbeschwerden, die durch vermehrte Gasansammlungen in Magen und Darm entstehen können. Wie kann denn so etwas zustande kommen? Nun, durch übermäßiges Essen, blähende Speisen oder Anomalien im Magen-Darm-Trakt, die einen normalen Abtransport des Mageninhalts verhindern.

Diese extreme Luftfülle, die aufgetreten ist, wölbt das Zwerchfell nach oben und bewirkt wiederum einen direkten oder indirekten Druck auf das Herz. Es können hierbei ganz verschiedene Beschwerden entstehen, wie z.B. Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Angstzustände, Hitzewallungen, Schwindel und Schlafstörungen, im schlimmsten Falle Gefühle, die einem Angina pectoris- Anfall ähneln.

Hier sollte man selbstverständlich dringend gleich ärztliche Hilfe suchen, aber, wenn Galgant-Tabletten im Hause sind, unverzüglich 2-3 im Mund zergehen lassen, das ist schon mal richtig. Und das ruhig öfter, bis man in Behandlung ist. Natürlich können Sie den Galgant auch vorbeugend einnehmen, sowohl als Pulver als auch als Kautabletten, und wenn Sie häufig zu Blähungen neigen, wäre eine Kombination mit Fenchel ideal.

Jetzt kommen wir zu einer der ganz großen: Die Artischocke (Cynara scolymus). Man könnte sie direkt als „Heilgemüse des Mittelmeers“ beschreiben, denn sie war bereits im alten Ägypten vor Christi Geburt als herausragend bekannt. Über italienische Klostergärten gelangte diese Bitter-Delikatesse zu uns nach Europa.

Auf unseren Esstischen taucht sie leider noch zu selten auf, aber im Mittelmeerraum ist sie ein ganz beliebtes Gemüse, dort gibt es unzählige kulinarische Zubereitungen, oft auch mit gutem Olivenöl. Das arabische Wort „ari-schauki“, von dem sich das Wort Artischocke ableitet, bedeutet übersetzt „Erddorn“ und verweist auf die kratzige Distelform.

Als essbare Teile werden der Blütenboden und die etwas weicheren Hüllkelchblätter verwendet. Arzneilich nutzt man vor allem die grünen fleischig-fasrigen Rosettenblätter, aus denen ein wässriger Extrakt gewonnen wird. Pharmazeutische Wirkung werden vor allem den zahlreichen Flavonoiden und Bitterstoffen wie z.B. Cynaropikrin oder Cynarin zugeschrieben. Gerade Letzteres ist sehr gut für eine Funktions-Steigerung des Leber-Galle-Systems verantwortlich.

Aus Sicht tibetischer Ärzte verfügt die Artischocke über eine Eigenschaft, die sogenannte „Leberhitze“ zu kühlen. Dieser Begriff ist hier nicht so bekannt, aber er bedeutet in Tibet, dass eine überhitzte Leber zu depressiven Verstimmungen führen kann. Ehrlich gesagt, das war mir auch neu! In unseren westlichen Bereichen wird eher von der Linderung „dyspeptischer“ Symptome, wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen oder saurem Aufstoßen gesprochen.

Außerdem besitzt die Artischocke sehr effektive „choleretische“ Wirkungen, sprich, sie regt den Gallenfluss an. Die erhöhte Gallensäureproduktion verbessert wiederum die Verdauungsaktivität und nimmt so einen positiven Einfluss auf die Peristaltik des Darms. Das ist sehr positiv für Menschen, die oft unter Verstopfung zu leiden haben, aus welchen Gründen auch immer. Hier gibt es erstaunlich viele problematische, auch psychische Geschehen, z.B. Burn-Out, Überforderung, Nicht-loslassen-Können und Stress aller Art, um nur einiges zu nennen.

Aber natürlich genauso, wenn die Galle an sich als Organ Probleme macht. Hier bitte nur Vorsicht mit Gallensteinen! Vorher ärztlich abklären lassen. Was wirklich wissenschaftlich belegt wurde, ist die schnelle Wirkung der Artischocke: bereits 30 Minuten nach der Einnahme eines entsprechenden Präparats kann eine ausgeprägte Wirkung auf die Gallenfunktion beobachtet werden, die bis zu drei Stunden anhalten kann.

Extrakte aus Artischocken-Blättern haben zusätzlich lipidsenkende Eigenschaften und werden gerne zur milden Behandlung bei erhöhtem Gesamtcholesterinspiegel eingesetzt. Wenn dieser gesenkt werden kann, ist das Risiko von Gefäß- und Herzerkrankungen schon einmal etwas verringert. Eine Kombination mit chemischen Cholesterinblockern, den sog. Statinen, ist durchaus möglich.

Ganz zuletzt gibt es noch mein Lieblings-Rezept, das so gut schmeckt, ich könnte es fast täglich essen: Artischocken mit Estragon-Dip: Von zwei mittelgroßen Artischocken die Stiele entfernen und die Blattspitzen mit einer Schere gerade schneiden, ebenso den Ansatz am Boden begradigen. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und zwei Zitronenscheiben hinzufügen.

Die Artischocken sollten bei geschlossenem Topfdeckel etwa 20 – 40 Minuten in mittlerer Hitze kochen. Sind sie fertig, lassen sich die äußeren Blätter leicht ablösen. Dann herausnehmen und abtropfen lassen. Für den Dip ein Eigelb in einer kleinen Schüssel mit etwas Salz verrühren. Dann weiter unter ständigem Rühren erst tropfenweise, dann nach und nach etwa fünf EL Öl zugeben, bis eine Mayonnaise entsteht.

Zusätzlich kommen nach Belieben noch ein bis zwei EL Vollmilchjoghurt, eine gepresste Knoblauchzehe, ein Schuss trockener Weißwein und sechs Blätter frischer, wenn nicht vorhanden auch getrockneter Estragon hinzu. Wirklich ein Genuss!

Es gibt noch viele bemerkenswerte Bitterpflanzen, davon beim nächsten Mal mehr!

Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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