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Starke Medizin für schwache Herzen

Bluthochdruck und Herzschwäche hängen häufig zusammen.

Die Aktionswochen der Deutschen Herzstiftung haben sich heuer dem Schwerpunkt „Ursache, Diagnose und Therapie des Bluthochdrucks“ verschrieben. Dieser zählt, vor allem wenn er über längere Zeit nicht behandelt wird, zu den häufigsten Ursachen der Herzinsuffizienz, auch Herzschwäche genannt. Darüber klärt der Chefarzt der Medizinischen Klinik Füssen, Dr. Martin Hinterseer, auf. „Herzschwäche gehört zu den häufigsten Diagnosen in Krankenhäusern“, sagt der Kardiologe mit der Zusatzqualifikation Herzinsuffizienz. Bei der Erkrankung pumpt der Herzmuskel nicht mehr genug Blut und damit auch zu wenig Sauerstoff durch den Körper. Das führt zu Symptomen wie Atemnot (vor allem im Liegen), Abgeschlagenheit, Wassereinlagerungen (häufig in den Beinen und Füßen), Appetitlosigkeit, Herzrasen oder Schwindel.

Diese Anzeichen äußern sich bei Frauen und Männern häufig unterschiedlich: Während Männer eher klassische Symptome zeigen, gestalten allgemeinere Beschwerden die Diagnose bei Frauen oft schwieriger. Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahren jedoch viel getan, sodass es sich länger mit Herzschwäche leben lässt und die Lebensqualität steigt. Das liegt an neuen Medikamenten sowie technischen Fortschritten im Bereich von Schrittmachern samt Defibrillatoren, die Hinterseer und seine Kollegen routiniert einsetzen. Ebenso ergänzt die Telemedizin die Herzinsuffizienzbehandlung, die im grenzübergreifenden Herzzentrum Füssen-Außerfern routinemäßig eingesetzt wird. Zudem profitieren Patientinnen und Patienten von immer neuen Erkenntnissen zum Lebensstil-Management.

Ein Schlüssel ist aber nach wie vor, die Vorboten einer Insuffizienz möglichst früh zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. „Bluthochdruck macht zusammen mit der koronaren Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen die häufigsten Ursachen der Herzschwäche aus“, erläutert Hinterseer. Daher sollten diese Erkrankungen möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden. Bei Bluthochdruck ist das Problem, dass die Erkrankung nicht weh tut und daher häufig jahrelang unbehandelt bleibt. Auch wenn eine Herzschwäche mit dem Alter häufiger auftritt, rät er bereits 20- bis 30-Jährigen regelmäßig, am besten bei jedem Hausarztbesuch, den Blutdruck messen zu lassen. Das gilt vor allem bei genetischer Vorbelastung in der Familie. Denn diese lässt sich im Gegensatz zum Lebensstil nicht beeinflussen. Wer sich gesund ernährt, genug bewegt und auf das Rauchen verzichtet, senkt jedoch die Gefahr signifikant. Dennoch lässt sich nicht jede Herzinsuffizienz vermeiden. Kommt es zu einem akuten Auftreten einer Herzinsuffizienz, gilt es dem Körper das Wasser zu entziehen, das sich durch die verminderte Pumpleistung abgelagert hat und die Ursache des Notfalls im Krankenhaus zu behandeln. Der Akutbehandlung folgt die sogenannte Chronische Therapie. Dabei kann eine Reihe von Medikamenten helfen. Dazu gehören Betablocker, die die Herzfrequenz und damit auch den Puls senken. „Das ist wie mit dem Auto bei 100 Stundenkilometern im fünften Gang zu fahren. Es entlastet das Herz“, zieht Hinterseer einen Vergleich. Ähnlich wirken ACE-Hemmer als blutdrucksenkende Medikamente. Entwässernde Mittel kommen ebenso zum Einsatz und erst seit kurzer Zeit auch Medikamente, die aus der Diabetes-Behandlung stammen. Sie helfen der Niere mehr Glukose auszuscheiden, was zum einen den Blutzuckerspiegel senkt, aber auch das Herz entlastet.

Ebenfalls geändert hat sich laut dem Füssener Chefarzt die Einstellung der Medizin zu Herzschwäche und Sport: Waren Patientinnen und Patienten früher angehalten, sich zu schonen, ist heute bewiesen, dass gezieltes und gemäßigtes Training hilfreich ist. Dieses findet am besten in speziellen Herzgruppen statt. Hinterseer spricht dabei gar von einem Paradigmenwechsel. Ein weiteres effektives Mittel der Medizin sind spezielle Schrittmacher, die das Herz nicht nur unterstützen, sondern auch die Pumpleistung verbessern. Bei Menschen, die bei einer ausgeprägten Herzschwäche in der Gefahr sind einen plötzlichen Herztod zu erleiden, können diese mit zusätzlichen implantierbaren Defibrillatoren ausgestattet werden. Im Vergleich zur im Notfall lebensrettenden Wirkung bezeichnet Hinterseer den Eingriff dazu als „keine große OP“. Diese könne unter Lokalanästhesie mit einem kleinen Schnitt nahe des Schlüsselbeins bei nur zwei Nächten Klinikaufenthalt stattfinden. Ebenso lassen sich heute mit einem Kathetereingriff zu große und damit undichte Herzklappen „reparieren“, die auch bei einer Herzschwäche auftreten können.

Ein weiterer wichtiger Baustein, vor allem in ländlichen Regionen, ist die Telemedizin. „Diese bieten wir schon seit Jahren an. Durch die Corona-Lage und Studien, die den Nutzen belegen, werden Telemedizinzentren wie in Füssen jetzt explizit vom Gesetzgeber gefördert“, erläutert der Kardiologe. Dabei können die Daten elektronisch an den behandelnden Kardiologen übermittelt werden. Zusätzlich können sie mit einem Tablet regelmäßig Faktoren wie Gewicht, Puls und Blutdruck eintragen. Das gibt Hinweise auf Veränderungen und somit die Möglichkeit schnell zu reagieren, lange bevor ein Notfall eintritt. Was vielerorts noch in den Kinderschuhen steckt, nimmt die Bevölkerung vor Ort bereits seit Jahren gut an. Hinterseer sieht vor allem zwei Gründe dafür: Zum einen seien viele Ältere mittlerweile technikaffin, zum anderen empfinden sie die Telemedizin als zusätzliche Sicherheit und „digitale Zuwendung“. „Denn wer einmal Luftnot hatte, will das nicht wieder erleben“, sagt er. Mit diesem Wunsch sind die Menschen bei den Ostallgäuer Kardiologen gut aufgehoben.

Text · Foto: Gabriele Apfelbacher, Kreiskliniken Ostallgäu

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