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Die siebte Schwangerschaft der Kronprinzessin Therese

„Leichte Wehen, welche das Herannahen des ernsten Stündleins verkündeten“ – Im März 1821 durchlebte Kronprinzessin Therese von Bayern, die Ehefrau des Kronprinzen Ludwig, ihre siebte Schwangerschaft. Eine Anzahl, die damals sowohl für ihr Alter, sie war 28, als auch für die Dauer ihrer Ehe nicht unüblich war. Jedoch hatten nicht alle bisherigen Schwangerschaften einen glücklichen Ausgang gefunden.

Vier Kinder konnte sie bisher zur Welt bringen. Der erstgeborene Sohn Max, der spätere König Max II., war zu diesem Zeitpunkt schon 9 Jahre alt und auch die zwei Jahre jüngere Mathilde und der wiederum zwei Jahre jüngere Otto erfreuten sich einer stabilen Gesundheit. Die jüngste Tochter Theodolinde starb 1816, nur sechs Monate alt. Die beiden nachfolgenden Schwangerschaften in den Jahren 1818 sowie 1819 endeten mit Fehlgeburten. Man kann sich vorstellen, dass diese schrecklichen Verluste ihrer neugeborenen und ungeborenen Kinder bei jeder erneuten Schwangerschaft wieder präsent wurden. Die Angst, ein weiteres Kind zu verlieren, eine weitere Fehlgeburt zu erleiden oder die Geburt nicht zu überleben, war stets gegenwärtig.

Jetzt, im März 1821, hatte sie den Großteil dieser Schwangerschaft bereits gut überstanden. Der Geburtstermin rückte immer näher. Umso weiter die Schwangerschaft fortschritt, um so nervöser wurden Therese und ihr Umfeld. Sogar ihr Ehemann, Kronprinz Ludwig, konnte die Nervosität aufgrund der bevorstehenden Entbindung seiner Ehefrau nicht verbergen. Im 19. Jahrhundert brachte jede Geburt eine erhöhte Lebensgefahr für Mutter und Kind mit sich. Viele Frauen starben noch in der Schwangerschaft, während der Entbindung oder wenig später im Wochenbett, in dem die frisch gebackenen Mütter das Bett 38 Tage lang nicht verlassen durften.

Obwohl die Geburt kurz bevorstand, hielt sich Ludwig nicht in Würzburg bei seiner hochschwangeren Ehefrau auf. Er lebte seit nunmehr sechs Monaten in Italien. Sein Gesundheitszustand war für diesen temporären Wohnortwechsel verantwortlich. Im Frühjahr des vergangenen Jahres litt er an einer starken Lungenentzündung, die er nur knapp überlebte. Die beratenden Ärzte wollten kein Risiko eingehen und schickten ihn in wärmere Gefilde. Die harten bayerischen Winter wären Gift für seine Gesundheit. Schon als er München im Oktober des vergangenen Jahres verlassen hatte, war Therese schwanger gewesen. „Meine Gesundheit und meine Nerven sind gut – doch ward ich schon unwahrscheinlich rund“, berichtete Therese einen Monat später.

Durch Ludwigs Abwesenheit blieb den Eheleuten nur die Kommunikation durch Briefe. Der Kronprinz begann jeden seiner Tage in der Ferne um fünf Uhr morgens mit dem Schreiben seiner Korrespondenz. Natürlich war die Post von Italien nach Bayern ein paar Tage unterwegs. Gewöhnlich erreichten die Briefe den Adressaten nach sieben Tagen, allerdings kam es auch immer wieder vor, dass ein Brief sogar mehrere Wochen unterwegs war. Diese Wochen verbrachte Therese dann voller Sorge. Um sich sicher sein zu können, dass die Korrespondenz auch lückenlos erschien, nummerierten Therese und Ludwig ihre Briefe und verwiesen in unterschiedlichen Antworten immer wieder auf die Inhalte bestimmter vorausgegangener Briefnummern. So schrieb sie im Februar 1821: „Auf die in Nr. 445 mir gesendeten 3 Küsse erwidere ich ebenso viele, – alle unseren Kindern geschickte habe ich treulich verteilt.“

Kurz vor der Geburt änderte sich die Kommunikation zwischen den Eheleuten etwas. Denn einen kurzen Zeitraum vor und neun Wochen nach der Geburt durfte Therese auf ärztliche Anordnung nicht mehr lesen oder schreiben. Man zog Thereses Oberhofmeisterin ins Vertrauen, die für sie schrieb oder ihr Ludwigs Briefe vorlas. Sogar Thereses Bruder, der 1821 in München weilte, übernahm hin und wieder die Korrespondenz für seine Schwester, wenn auch nicht ganz so ernsthaft wie die Oberhofmeisterin. Er berichtete: dass „Seine dicke Schwester sich der Länge nach aufs Sopha streckt und dicktiert dem gefälligen Bruder in die Feder.“ Sehr private Inhalte musste Ludwig in dieser Zeit in sehr kurzen Sätzen auf ein separates Papier notieren, verschließen und besonders kennzeichnen. So hatte Therese die Möglichkeit diese doch selbst zu lesen. Kurze Sätze konnten nicht schaden, hoffte sie zumindest. Ludwig schrieb nicht nur seiner Frau, auch seine Kinder erhielten regelmäßig Briefe. Der ältesten Tochter Mathilde schrieb er beispielsweise: „Mit Freude liebe Mathilde habe ich von dem Mute gehört, mit welchem du Dir einen Stockzahn ausziehen ließest; es ist eine schmerzliche Sache, die ich aus vieler Erfahrung kenne“. Der Kronprinz wurde über das Leben seiner Kinder genauestens in Kenntnis gesetzt, da Therese ihn über alles informierte und über jede Kleinigkeit Bericht erstattete. Ihre Kinder verbrachten jeden Abend bei Therese selbst. Und während sie um sie herum spielten, notierte die Kronprinzessin das gerade Geschehene in ihre Korrespondenz. So verschaffte sie Ludwig das Gefühl, dabei zu sein: „Otto kommt soeben an meinen Schreibtisch und sagt, ich solle Dir viel hübsches schreiben – Mathilde küsst deine Hände – Bei Trommel und Pfeifenlärm schreibe ich dir heute, den die kleinen Wesen um mich machen.“

Durch den frühen Tod ihrer Tochter Theodolinde sehr verunsichert, machte sich Therese bereits während dieser Schwangerschaft Gedanken um die Taufe des noch ungeborenen Kindes. Die Witterung im März würde noch sehr kalt sein und das Neugeborene, nur mit einem dünnen Taufkleid bekleidet, in der Kirche taufen zu lassen, barg große Gefahren für das Kind. „Wenn ein Ausschlag im Kinde verborgen (was man oft nicht ahnt), sey es leicht um dessen Leben geschehen.“ schrieb sie ihrem Ehemann und überließ ihm die endgültige Entscheidung des Taufortes. „Wenn diese Zeilen in die Hände meines Ludwigs gelangen, ist hoffentlich das böse Stündlein überstanden und wir freuen uns (…).“ Schon vier Tage später hatte sie leichte Wehen, „welche das Herannahen des ernsten Stündleins verkündeten.“ In den Morgenstunden des 12. März 1821 nahm die Geburt ihren Lauf. Therese wurde von einem gesunden Jungen entbunden. Noch am selben Tag fand die Taufe des kleinen Prinzen im Weißen Saal der Würzburger Residenz statt. Der Prinz erhielt den Rufnamen Luitpold. Er sollte einst als Prinzregent in die Geschichte eingehen und einer ganzen Epoche seinen Namen geben.

Ab dem 15. Juli 2021 zeichnet die kleine Sonderausstellung „Prinzregent Luitpold von Bayern – Ein Leben in Bildern“ im Museum der bayerischen Könige das Leben dieses Wittelsbacher Prinzen nach. Für Therese war dies nicht die letzte Schwangerschaft, sie schenkte noch vier weiteren Kindern das Leben.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin im
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau
Foto: Wikipedia

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