Kolumne

Ursprung

Da war dieses Interview:

Dem Journalisten saß ein Mann Anfang 30 gegenüber. Er war charismatisch, witzig und smart. Im Gespräch wollte der Journalist wissen, wie er auf die Frage „Woher kommst du ursprünglich?“ reagiere und was er darauf antworte.

Er sah ihn an, lächelte und meinte: „Wie ich reagiere kommt auf mein Gegenüber an. Fragt mich die Person aus ernsthaftem Interesse, dann erzähle ich gerne von mir. Neugier ist an sich ja nichts Schlechtes. Also erzähle ich, wie es ist. Ich bin in Deutschland geboren worden, und meine Wurzeln liegen im Irak.“ Der Journalist erwiderte: „Aber obwohl du hier in Deutschland geboren bist und den Irak kaum kennst, sprichst du von „Wurzeln“. Warum?“ „Weil mir etwas Bedeutendes fehlen würde, wenn ich es nicht erwähne.“ Ich bin nicht sicher, ob der Journalist an der Stelle tatsächlich verstehen konnte, was der Mann damit eigentlich meinte. Und worum es ihm ging.

Kann ein Außenstehender, dessen „Wurzeln“ nicht in ein anderes Land, eine andere Mentalität und Kultur reichen, verstehen, dass Herkunft und Heimat nicht zwangsläufig miteinander einhergehen, aber sie gleichzeitig einen großen Einfluss aufeinander haben können? Und zwar nicht nur emotional, sondern auch gesellschaftlich und politisch?
Ja, ich glaube schon.

Beim Anschauen des Interviews habe ich daran gedacht, wie oft es vorkam, dass meine Antwort „ich komme aus Deutschland“ mein Gegenüber stark an meiner Glaubhaftigkeit zweifeln ließ. Deswegen folgte darauf immer die Frage: „Nein, ursprünglich?“ Meine Antwort „Bosnien“ brachte einigen dann die ersehnte Bestätigung.
Inzwischen bin ich 31 und genauso lang lebe ich in Deutschland, meiner Heimat und meinem Geburtsland. Ich glaube es steht mir zu, wenn ich sage, dass ich auf „höhnende Komplimente“ für mein akzentfreies und gutes Deutsch gerne verzichte.

Vielleicht passt an dieser Stelle der Spruch „gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“. Vielleicht aber auch eher die Worte von Emil Baschonga: „Die Unart hat sich derart gut eingebürgert, dass niemand mehr nach ihrem Ursprung fragt.“

Ich will keine gut eingebürgerte Unart. Aber ich wünsche mir eine Gesellschaft, die differenziert betrachtet, und genau erkennt, worin sich Neugier und Interesse von Rassismus unterscheiden – denn das tun sie, maßgeblich sogar: Nämlich in ihrem Ursprung.
Und um den Kreis zu schließen, auch völlig unabhängig von jeglicher Herkunft.

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