GesundheitLeben

Intensivpflege für mehr Lebensqualität

Seit über sieben Jahren gibt es die Ambulante Intensivpflege Becker. 110 Mitarbeiter versorgen die Patienten, die 24 Stunden betreut werden müssen. „Es ist eine anspruchsvolle Arbeit“, erzählt Martin Becker, der über 30 Jahre lang in den Intensivstationen von Krankenhäusern gearbeitet hat

Der Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin spricht über die hohen Anforderungen, die gerade bei der Kinderintensivpflege verlangt werden. „Es kann passieren, dass das qualifizierte Pflegepersonal mit den Emotionen nicht zurecht kommt. Fachwissen in der Pflege und menschliche Reife wird für diese Arbeit verlangt“, so Becker. Gemeinsam mit seiner Frau Brigitte Becker, die Krankenschwester und Fachkrankenschwester für Ambulante Intensivpflege ist, haben sie sich damals selbständig gemacht. „Der Vorteil unserer Selbstständigkeit ist, dass wir uns mit unserem Team auf jeden einzelnen Patienten einstellen können und ihm dadurch mehr Lebensqualität schaffen möchten.“

Mitarbeiter in der Ambulanten Intensivpflege arbeiten anders. Sie sind nah am Patienten. Es ist eine 1:1 Versorgung mit einer ganz persönlichen Art von Verantwortung. Denn intensivpflichtige Menschen benötigen mehr als andere, ein Gefühl der Nähe, Liebe, Zuneigung, der sozialen Integration und eine ganz besondere Fachkompetenz. Vor fünf Jahren eröffnete der Intensiv-Pflegedienst eine Wohngemeinschaft für intensivst pflegebedürftige Menschen. Dass Bedarf da ist, zeigt sich darin, dass viele Anfragen da sind. Denn in vielen Fällen sind die Wohnungen für eine intensivpflegerische Versorgung ungeeignet, oder die Angehörigen fühlen sich mit der neuen Situation überfordert. Die WG ermöglicht den Bewohnern damit eine Grundlage für soziale Kontakte und für einen selbstbestimmten Lebensalltag.

Die AIB hat zwei Wohngemeinschaften. Eine in Füssen im Elisabeth-Seifert-Haus sowie in Nesselwang. In den WGs ist eine 2:1 Versorgung. Das bedeutet, dass eine Fachkraft zwei Bewohner versorgt. Mit acht Plätzen in Füssen (fünf Plätze sind belegt), und sechs Plätzen in Nesselwang (davon zwei belegt) sind noch Kapazitäten frei. Beide Wohngemeinschaften haben große und helle Zimmer sowie schöne Gemeinschaftsräume und liegen zentral. Im März, als sich die Corona-Krise bemerkbar machte, verlegte man die Bewohner aus Nesselwang nach Füssen, und nutzte die Wohnung in Nesselwang für eine etwaige Quarantänestation, falls ein Bewohner sich mit dem Virus infizieren sollte. „Wir sind alle froh, dass dies nicht passiert ist. Mittlerweile sind die beiden Bewohner wieder in Nesselwang“, erzählt der Firmenchef. In der Wohngemeinschaft können intensivpflichtige Patienten mit unterschiedlichsten Erkrankungen aufgenommen werden: Langzeit-Beatmung, Zwerchfell-Schrittmacher-Beatmung, COPD, ALS, Wachkoma sowie mit allen behandlungspflegerischen Anforderungen wie: parenterale Ernährung, Sonden-Ernährung, Infusionstherapie, Port-Versorgung, Katheterisierung…

Dass eine Wohngemeinschaft für intensivst pflegebedürftige Menschen keineswegs eine Sackgasse sein muss, betont Martin Becker immer wieder. Er erzählt von einem Patienten, den der AIB vor drei Jahren aus einer Rehaklinik übernahm und laut der Rehaklinik als nicht förderbar entlassen wurde. „Der Patient hatte eine Trachialkanüle und saß im Rollstuhl. Gemeinsam mit den Therapeuten ist es uns gelungen, dass der Mann heute selbständig essen und trinken kann, keinen Rollstuhl benötigt und wieder seinem Hobby, dem Reiten, nachgehen kann. Es ist sehr wichtig, dass Patienten gefördert werden, um den Umstand zu halten oder ihre Fähigkeiten zu verbessern.“

In den sieben Jahren der AIB hat sich die Intensivpflege für Kinder deutlich verstärkt. „Wir werden auch wirklich in allen Bereichen gerade in der Kinderversorgung angefragt“, so Martin Becker. Derzeit werden neun Kinder im Alter von drei Monaten bis 18 Jahren versorgt. „Wir begleiten intensivpflichtige Kinder in den Kindergarten und Schule oder fahren auch mit in den Urlaub, weil sie in dem Zeitrahmen auch optimal versorgt werden müssen“, beschreibt der Fachkrankenpfleger die Arbeit. Examinierte Pflegekräfte zu bekommen ist zur Zeit nicht einfach. Oft sind es Frauen, die diesen Beruf ausüben. Aktuell sind knapp 1,1 Mio. Personen bei Pflegediensten und in Pflegeheimen beschäftigt. Mehr als 85 % davon sind Frauen. Die Mehrheit des Personals, etwa 72 %, ist teilzeitbeschäftigt. Bei Umrechnung auf Vollzeitäquivalente ergeben sich insgesamt 764.000 Vollzeitstellen (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Im Interview mit unserem Magazin erzählt Martin Becker über die aktuelle Arbeitsmarktlage.

Sie haben erwähnt, dass medizinisches Fachpersonal sehr schwer zu bekommen ist.
Ja, das ist tatsächlich so. Die Versäumnisse im Pflegebereich der letzten Jahrzehnte sind nun deutlich sichtbar und erfordern eine große Eigeninitiative der betroffenen Arbeitgeber.

Wie beugen Sie dem Defizit vor?
Üblicherweise ist die Ausbildung zur Gesundheitspflege den Krankenhäusern vorbehalten. Wir haben den Status, selber ausbilden zu dürfen, und sind auch Kooperationen mit der Krankenpflegeschule in Reutte und Kaufbeuren eingegangen. Gemeinsam haben wir vor einigen Jahren schon ein passendes Ausbildungskonzept erarbeitet und leisten damit einen Beitrag, dem allgemeinen Pflegenotstand entgegenzuwirken. Zusätzlich haben wir unseren Standort gewechselt, weil das Einzugsgebiet in Kempten viel größer ist als in Füssen. Dadurch konnten wir für unsere verschiedenen Einsatzorte Mitarbeiter gewinnen. Ein weiterer Punkt sind die Arbeitszeiten und die Möglichkeit zwischen der 1:1 Betreuung und der WG zu switchen. Wir legen auch einen großen Wert auf die Einarbeitungszeit. Die ist bei jedem Mitarbeiter verschieden.

Die neue Ausbildung zur Gesundheitspflege wird gerade in ganz Europa angepasst – eine generalistische Ausbildung. Was halten Sie davon?
Im Zuge dieser Umstellung werden die Ausbildungen strenger geregelt. Aber sie sind nicht ausgereift. Es wurde gesagt, dass in der Pädiatrie von jedem(r) Pflegeschüler/in Stunden abgeleistet werden müssen. Wir haben in unserer Region wenige Kinderstationen. Da wir Kinderintensivpflege haben, können wir diesen Bereich abdecken.

Wäre es nicht einfacher, medizinische Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben?
Das tun wir bereits. Erhalten wir Bewerbungen aus dem nichtdeutschsprachigen Raum, unterstützen wir den Prozess des Anerkennungsverfahrens nach Kräften.

Welche Qualifikation müssen sie mitbringen?
Als erstes einmal Freude an ihrem Beruf und im Umgang mit Menschen, sowie eine gewisse mentale Stärke. Wir bieten auch Hospitationen an. So bekommt der Bewerber die Möglichkeit, die Arbeit und das Team kennenzulernen, und auch wir können uns einen Eindruck über Persönlichkeit und Arbeitsweise verschaffen.

INFO:
Ambulante Intensivpflege Becker
Heisinger Straße 12 · 87437 Kempten
mail@ai-becker.de · T: +49 831 9606 3166

Text· Fotos: Sabina Riegger

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024