
Sie war die erste und jüngste Frau, die damals in Schwangau Tourismusdirektorin wurde. Das war 1987 und ein Novum nicht nur für das Dorf der Königsschlösser. „Dass ich noch eine Studierte der Betriebswirtschaft war, wie es manche Herren zu dieser Zeit nannten, war anfangs nicht ganz so einfach“. Petra Köpf blieb 33 Jahre in dem Amt. Eine Zeit, die sie geprägt hat. Heute blickt sie zurück und erinnert sich an Begegnungen, die besonders waren.
Da sie in ihrer Studentenzeit als Aushilfsführerin in beiden Schlössern tätig war, war es ein Leichtes für sie, jede journalistische Gruppe selbst auch durch die Schlösser zu führen; sie begrüßte Aga Khan, Mitglieder aus vielen Königshäusern, Bill Clinton und die Damen des Weltwirtschaftsgipfels. Als Michail Gorbatschow und seine Ehefrau Raissa sich ins goldene Buch der Gemeinde eintrugen, spielte am Sportplatz des Gymnasiums die Musikkapelle Schwangau. „Hier ist es paradiesisch“, sagte er, als wir ihn mit den Trachtlern und der Musikkapelle empfingen. Sein Ausspruch ist heute unser Slogan“, sagt Petra Köpf.
Die Waage zwischen Tradition und Moderne zu halten ist eine Kunst für sich. „Wir Schwangauer haben unseren Weg gesucht und gefunden. Dass wir so sind, wie wir sind, hat mit unserer Natur, Landschaft und den Schlössern zu tun. Wir haben die Aufgabe, alles in Einklang zu bringen und zu halten. Deswegen haben wir touristische Projekte immer genauer, oder anders gesagt, kritischer betrachtet. Nachhaltigkeit ist ein selbstverständliches Thema bei uns. Wenn wir unsere Heimat nicht bewahren, was wird dann in ein paar Jahren sein? Solange wir unsere dörfliche Struktur haben, in der sich Vereine, Gemeinschaft und Kirche mit der Gemeinde engagieren, wird es auch funktionieren“, so Petra Köpf. Für einige Projektpartner war das sicherlich oft keine leichte Aufgabe, die „Schwangauer“ zu begeistern und erst recht nicht, sie mit ins Boot zu nehmen.
Sachliche, respektvolle Zusammenarbeit war für die Schwangauerin oberste Priorität. „Ich war immer schon für Fakten und schnörkellose Wörter. Ich glaube, wir Allgäuer sind so“, sagt sie. Als sie mit 27 Jahren wieder zurück nach Schwangau kam, fanden etliche Gespräche im Vorfeld statt, v.a. mit dem damaligen Bürgermeister Johann Schneidberger. „Ich war hin- und hergerissen. München hatte seinen besonderen Charme. Meine Arbeit bei einem griechischen Reiseveranstalter entwickelte sich gerade und gefiel mir sehr gut, dazu die Freiheit und das große kulturelle Angebot,das man in einer Großstadt hat, waren schon etwas Faszinierendes“, beschreibt sie ihre damalige Gefühlslage.
Aufbruch in die digitale Welt
Doch Georg Grieser machte ihr den Einstieg leicht. „Ich kannte ihn schon lange vorher. Als ich Kind war, waren wir die besten Nachbarn. Ich glaube, ich bin noch die Einzige, die ihn in der dritten Person anredet“, lacht sie. Ja, auch das gehört zu Schwangau, bestimmte Gepflogenheiten zu bewahren. Vier Jahre lang war sie seine rechte Hand. „Es war eine Idealkombination. Ich habe viel gelernt“, so Köpf. In den 33 Jahren hat sie den Tourismus in der Gemeinde geprägt, aber auch der Tourismus sie.
Dass man alles vermieten kann, was zu vermieten ist, bekam sie 1990 mit. Da wurden die Grenzen zur damaligen DDR geöffnet. Die Leute kamen in Strömen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis sich wieder alles normalisiert hat.
Eine große Herausforderung und ein Meilenstein war die beginnende Digitalisierung in den Folgejahren. „Wir waren weit und breit die ersten mit einer eigenen Homepage. Das war 1993 und machte damals etwa 1% der Kommunikation aus. Im Jahre 2000 waren es schon 51% und 2007 bereits 97%“, erzählt sie. „Es war der Aufbruch in die digitale Welt. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Damit begann eine andere Art des Reisens, plötzlich war die ganze Welt mit einem Klick offen, das Ausland begehrter und Deutschland nur noch der Zweit- oder Dritturlaub .“ Diesen Umbruch bekamen auch die Vermieter zu spüren. Die Verweildauer der Gäste wurde kürzer, ihr Anspruch aber höher. Jetzt wurden Wochenenden oder Brückentage zu Kurzurlauben und mit dem Billigflieger viele Länder bezahlbar. Viele buchten jetzt online und holten sich die Informationen über den Urlaubsort aus dem Internet. Die Arbeit am Informationsschalter änderte sich. „Englisch ist schon längst keine Fremdsprache mehr. Wenn man zusätzlich Grundkenntnissse in weiteren Sprachen wie Spanisch, Französisch oder Italienisch hat, ist das nur von Vorteil“, erklärt die Tourismusfachfrau.
Die Renaissance
Dass viele Destinationen in Deutschland plötzlich wieder so gefragt sind, hat mit der Covid-19-Pandemie zu tun. „Wir erleben momentan eine Renaissance“, so Petra Köpf. „Wir machen am Schalter die Erfahrung, dass die Beratung viel umfangreicher geworden ist, 20 Minuten Beratungszeit sind keine Seltenheit. Der Gast sucht die persönliche Ansprache und den Kontakt.“ Der Gast, der jetzt verreist, reflektiert bewusster, er braucht emotionale Sicherheit. „Viele informieren sich vorher, ob die Gesundheitsversorgung vor Ort gut gewährleistet ist“, erklärt sie. Viel hat sich in den letzten Monaten und Wochen verändert. „Bisher kamen wir in der Hauptsaison an unsere Grenzen. Das Corona-Virus verstärkte die Situation und gab die Initialzündung zu neuen Gesprächen und neuem Nachdenken über Verkehr und Belastungsgrenzen sowie Nachhaltigkeit allgemein. Die regionale Bedeutung ist mehr in den Fokus gerückt und wir werden interessant für eine neue Zielgruppe“, listet Köpf auf. Vermehrt junge Menschen machen sich auf den Weg ins Allgäu. Sie stellen fest, dass die Erholung nur wenige Stunden von ihnen entfernt ist und man eine große Vielzahl an Freizeitaktivitäten ausüben kann. „Im August hatten wir weniger Ankünfte, dafür aber eine längere Verweildauer. Das wollten wir immer schon erreichen, dieses Jahr haben wir es erreicht, auch wenn es andere Umstände waren“, freut sie sich.
Eine schöne Zeit
Ihre Arbeit als Tourismusdirektorin geht nach über drei Jahrzehnten nun dem Ende zu. Viele Erinnerungen werden wach und vermischen sich mit der Dankbarkeit in einem so privilegierten Ort arbeiten und wohnen zu dürfen. „Mein Dank für die gute Zusammenarbeit gebührt den Schwangauer Bürgermeistern Josef Schneidberger, Reinhold Sontheimer und Stefan Rinke sowie allen Gemeinderäten und Gremien, meinen Mitarbeitern und Kollegen. Ein herzliches Vergelt´s Gott den Vermietern und Betrieben für das nette und gute Miteinander und den Schwangauer Vereinen und Vorständen, die so viel zur Tourismusarbeit beitragen. Den Kolleginnen und Kollegen der Verbände danke ich für die produktive Zusammenarbeit und den treuen Schwangau-Gästen für die schönen und erfüllenden Begegnungen. Meiner Nachfolgerin wünsche ich eine gute Hand für ihre Tätigkeiten zum Wohle Schwangaus“.
Text · Foto: Sabina Riegger