GesundheitLeben

Heilerden

Viel mehr als nur Dreck

Wir reagieren heutzutage sehr schnell mit Vorsicht und Ablehnung, wenn wir hören: Erde zu essen sei gesund. Steckt sich ein kleines Kind Erde in den Mund, gehen wir sogleich in Alarmbereitschaft und wollen es davon abhalten. Mir fällt in diesem Zusammenhang immer der Spruch „Dreck macht Speck“ aus früherer Zeit ein, der jetzt zwar nichts mit der Wirkung der Heilerden zu tun hatte, sondern eher damit, dass das, was auf die Erde gefallen ist, durchaus noch zu essen war. Sieht man heute nicht mehr ganz so.

Was aber Tatsache ist, dass schon seit Jahrtausenden der Instinkt Menschen dazu brachte, Erde zu essen. Wahrscheinlich beobachteten wir schon seit Urzeiten Tiere, die bei Krankheit Lehm und Schlamm zur Heilung benutzten. Durch dieses Beispiel angeregt, behandelte der Mensch seine Verletzungen und Erkrankungen schon in grauer Vorzeit mit Erde.

Hildegard von Bingen empfahl unter anderem sogenannte Wurzelerden, d.h. Erde aus dem Wurzelbereich bestimmter Pflanzen, z.B. Lindenwurzelerde bei Lähmungen oder Gicht. Anfang des 20. Jahrhunderts war das „Erdessen“ nicht mehr allzu verbreitet, aber nie ganz vergessen. 1906 veröffentlichte dann Prof. Dr. Julius Stumpf eine Abhandlung über die Erfolge der Therapie von Cholera, Brechdurchfällen und Bakterienerkrankungen mit Bolus Alba (Kaolin, weiße Erde). Ein durchaus kurioser Vorfall gab dazu den Anstoss: er war Zeuge der Ausgrabung einer fast unverwesten Leiche gewesen, die in Lehm begraben war, und zog daraus den Schluss, dass organisches Leben in Ton kaum oder gar nicht möglich sei. Der berühmte Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp nutzte Lehm hauptsächlich äußerlich, wenn entgiftende, kühlende Umschläge nötig waren, z.B. bei Venenproblemen, Wunden, Entzündungen, Hautausschlägen oder Bienenstichen. Eine Art Nachfolger Kneipps war der gelernte Buchhändler Adolf Just, der nach medizinischer Weiterbildung im Harz eine Heilanstalt namens Jungborn gründete. Dort fand er ein großes Lössvorkommen und es gelang ihm, den Löss so fein zu vermahlen, dass die Sorptions- bzw. Bindekräfte gesteigert wurden, außerdem enthielt dieser bioverfügbare Mineralien. Just nannte diesen speziellen Löss „Heilerde“. In Deutschland ist das heutzutage die einzige Erdart, die als Arzneimittel zugelassen ist. Pastor Emanuel Felke machte schon in seiner Jugend positive Erfahrungen mit Lehmpackungen zur Wundheilung. Nach einem Besuch von Justs „Jungborn“ entwickelte er die Felke-Kur, deren Kernstück das sogenannte Felke-Bad ist. Der Badende sitzt für 10-45 Minuten an frischer Luft in einer badewannengroßen Grube, die mit geschmeidigem Lehm gefüllt ist. Danach wird die Erde abgestreift, der Rest darf antrocknen. Hört sich doch ganz nach einer modernen Wellness-Kur an, oder? Die Anwendung bei Beschwerden des Verdauungstraktes, wie Gastritis, zu viel Magensäure, Blähungen und Durchfallerkrankungen habe ich Ihnen bereits bei meinem Artikel über Sodbrennen beschrieben. Vielleicht nochmals zur Verwendung: 1-5 x täglich 1 Teelöffel oder 1 Kapsel frühestens 1 Stunde nach anderen Medikamenten, da diese sonst ebenfalls gebunden werden können.

Heilerde kann aber noch viel mehr, daher möchte ich Ihnen auch noch weitere Gebiete vorstellen, bei der sie außerdem noch eingesetzt werden kann.

Venenbeschwerden: bei schweren Beinen und geschwollenen Knöcheln, und das nicht nur im Sommer, hilft ein kühlender Wadenwickel mit Heilerde. Man bereitet sich einfach eine streichfähige Paste zu und trägt sie messerrückendick auf beide Unterschenkel auf. Hüllen Sie ein feuchtes Leinen- oder Baumwolltuch darum und ein trockenes Tuch darüber. Lassen sie den Wickel liegen, bis die Heilerde getrocknet ist. Dieser Wickel eignet sich auch ganz hervorragend bei Sportverletzungen wie Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen und das auf ganz natürliche Art.

Übermäßiges Schwitzen (Hyperhydrosis): trinken Sie 2-3 x täglich konzentriertes Heilerdewasser – 1 TL Heilerde in ein großes Glas geben und mit kaltem Wasser übergießen, umrühren und das Ganze einige Stunden stehen lassen, eventuell sogar über Nacht. Den Satz wieder aufrühren und das Erdwasser schluckweise trinken. Dabei immer wieder Wasser und den Bodensatz miteinander vermischen. Das unterstützt die Ausscheidungsorgane, damit die Haut entlastet wird. Danach noch ein ordentliches Glas Wasser trinken. Die Meinung, dass man zu viel trinkt, wenn man zu viel schwitzt, ist ein Irrtum. Eher ist das Gegenteil der Fall. Trocknen Sie die am meisten schwitzenden Hautstellen nach dem Waschen gut ab und pudern Sie sie mit Heilerde gut ein, eventuell auch den ganzen Körper. Das verhindert, dass sich Bakterien vermehren und ein peinlicher Schweißgeruch entsteht. Bei Schweißfüßen machen Sie jeden Abend ein körperwarmes Fußbad mit 10 EL Heilerde auf 10 L Wasser. Sie können auch 1 L lauwarmen Eichenrindensud zugeben (2 EL Eichenrinde mit 1 L Wasser 15 Minuten köcheln lassen, dann abseihen). Funktioniert übrigens auch als Handbad (2 EL Heilerde auf 2 L Wasser) bei chronisch schwitzenden Händen. Allerdings braucht man schon etwas Geduld, denn es kann schon einige Wochen dauern, bis die Wirkung eintritt.

Halsschmerzen: Halsentzündungen können durch Bakterien, Viren, Pilze, Allergien, aber auch durch Rauchen hervorgerufen werden. Heilende Erde bindet die Erreger, lindert die Reizung und stärkt die Abwehrkräfte und Schleimhäute.
Das können Sie tun: 2 TL Heilerde in ein Glas lauwarmen Salbeitee geben. Damit täglich bis zu 8 x gurgeln. Rühren Sie 1 EL feine Tonerde mit Wasser und 1 Tropfen ätherisches Teebaum- oder Cajeputöl zu einer dicken Masse, geben Sie bis zu 6 x täglich eine kleine Menge davon in den Mund und lassen Sie den Brei dort langsam zergehen. Trinken Sie danach warmes Wasser.
Legen Sie bei akuten Halsschmerzen kalte Halswickel an. Ein vorbereiteter Heilerdebrei, der dick und geschmeidig sein sollte, wird messerrückendick oder bis zu 3 cm dick direkt auf die Haut aufbebracht. Grundsätzlich gilt: je größer die behandelte Fläche, desto dünner die Erdschicht – das geht natürlich also auch für andere, auch größere Körperteile mit Entzündungen. Darüber kommt ein feuchtes Tuch, das etwas größer ist als die Fläche der mit der Heilerde behandelten Haut. Mit ihm wird das betreffende Körperteil abgedeckt oder umwickelt. Darüber schlägt man ein trockenes Leintuch. Es dürfen keine Luftlöcher entstehen, also recht stramm wickeln! Darüber kommt noch ein Wolltuch oder eine Bandage. Nach einiger Zeit entwickelt sich Wärme, was zu Schweißbildung und Kribbeln führen kann. Die Heilerde darf nicht vollständig durchtrocknen, eventuell daher nachbenetzen. Nach etwa 60 – 90 Minuten den Umschlag abnehmen und nachruhen.

Ekzeme/Neurodermitis: schön wäre es sicher zu wissen, welche Ursachen hierfür in Frage kommen, aber das ist immer so leicht herauszufinden. Auf jeden Fall können heilende Erden den Stoffwechsel unterstützen, die Haut entgiften und äußerlich angewandt schnelle Linderung bringen. Bei akutem Ekzem trinken Sie täglich 1 Tasse starken, abgekühlten Cystustee (aus dem Kraut der Zistrose) mit 1 TL Heilerde. Bei chronischen Hautentzündungen genügen auch nur 2 TL Erde pro Tag.
Ist die Haut trocken entzündet, dann mischen Sie 1 EL Heilerde mit 2 EL Olivenöl und etwas Wasser zu einer dicken Paste, streichen sie auf die betroffene Stelle und bedecken Sie sie mit einem Tuch. Nach 30 – 60 Minuten feucht abnehmen und mit Johanniskrautöl einreiben, das Ganze 2 x täglich praktizieren.
Bei sehr starker Entzündung und Schwellung machen sie eine kalte Auflage mit einer sehr dicken Schicht Heilerde 2-3 Stunden lang. Den Brei können Sie statt mit Wasser auch mit kaltem Cystustee anrühren.

Das sind nur einige wenige Anwendungsgebiete der heilenden Erden, es gibt noch sehr viele weitere Möglichkeiten, von diesem wunderbaren „Dreck“ zu profitieren!

Genießen Sie den Oktober,
Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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