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Ein Fall für zwei: Darm & Psyche

Das Mikrobiom und unser Empfinden

Darm und Psyche tauschen sich aus und reagieren aufeinander. Eine unvorstellbar große Anzahl Lebewesen im Darm, ca 100 Billionen Bakterien, das sogenannte Mikrobiom, redet mit der Psyche. Ein Gehirn existiert im Kopf, eines im Bauch. Über Nervenfasern, Botenstoffe und Immunzellen kommunizieren sie.

Der Zusammenhang zwischen psychischen Faktoren und dem Verdauungstrakt ist seit langem bekannt. Stress beeinflusst den Darm ebenso wie unverdaulicher Ärger.

Wenn man die beiden Ebenen des Geschehens betrachtet, ist oft schwer zu sagen, was Henne und was Ei ist. Liegt die Ursache für die Entzündung im Darm in der Ernährung, der Stimmung oder der Zusammensetzung der vielen Darmbewohner?

Sicher ist, dass es eindeutige Wechselwirkungen gibt. Störungen in der sensiblen Zusammensetzung der in uns lebenden Bakterien und Pilze bewirken eine chronische Entzündung im Darm mit Folgen wie Übergewicht, Reizdarm, Asthma oder Allergien. Es ist unstrittig, dass zu viel Süßes die Darmflora schädigt, aber auch das Fehlen von ausreichend Vital- und Ballaststoffen, die wiederum die Bakterien ernähren, ebenso wie Angst, Überforderung und Stress. Weitgehend unbekannt, aber belegt ist, dass bis zu 90 Prozent des Serotonins, eines Botentoffes, dessen Mangel unter anderem zu Depressionen führt, im Darm produziert wird.

Zunehmend bedeutsam wird das Mikrobiom im Zusammenhang mit dem Verhalten und der Stimmung von Kindern, die häufig unter unklaren Bauschmerzen, Schlafstörungen, Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen leiden. Kinder, die schon im Grundschulalter einem erheblichen Leistungsdruck ausgesetzt sind, reagieren anders auf Stress und drücken mit ihren Symptomen eine dahinter liegende Angst aus. Diese Angst führt über das vegetative Nervensystem mit der Zeit zu einer diffusen Entzündung im Darm mit all ihren Folgen auf Nährstoffaufnahme, Immunsystem und Stimmung. Häufig sind Allergien, Infekte, Asthma, Nasennebenhöhlenentzündungen oder Neurodermitis die Folge.

Die oft jahrelang bestehenden Entzündungen im Darm sind häufig unerkannt, was gerade bei Erkrankungen wie Burnout, Depression, Schlafstörung, Leistungsabfall oder Hyperaktivität tragisch ist. Auffällige Kinder beispielsweise werden hauptsächlich mit Ritalin behandelt, das keine Langzeitmedikation ist, nur Symptome unterdrückt, Ängste nicht löst und zahlreiche Nebenwirkungen hat. Bleibt als mögliche Ursache die Entzündung im Darm unerkannt, kann sie nicht behoben werden, obwohl dies bei umfassender Diagnostik und Therapie möglich wäre.

Bei allen psychischen Auffälligkeiten gilt es die seelischen Konflikte zu finden und zu lösen und die innere Balance zu stärken. Kinder brauchen dabei auf allen Ebenen Verständnis und Unterstützung ihrer Eltern. Im Umgang mit emotionalem Stress wie bei der Umstellung der Ernährung und der Behandlung des Darms.

Meist stehen bei Kindern Verhaltensauffälligkeiten, Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Schmerzen ohne organischen Ursprung im Vordergrund. In einer ganzheitlichen Herangehensweise wird nicht nur eine psychische Belastung aufgedeckt, sondern mittels Messung der Herzratenvariabilität der Stress-Level und in einer Laboruntersuchung eine unterschwellige Entzündung erfasst, in einer Stuhlprobe der Zonulin-Wert bestimmt, der einen löchrigen Darm nachweist.

Dann gilt es für einige Zeit auf Zucker und meist auch auf Kuhmilchprodukte zu verzichten, gesunde Darmbakterien wieder anzusiedeln und gleichzeitig den seelischen Konflikt oder den Kummer, der zu Herzen geht, zu bearbeiten.

Beim Reizdarm-Syndrom leiden meist gereizte Frauen an einer gestörten Verdauung und Schmerzen, sind erschöpft, konfliktscheu, bewegen sich nicht gern und leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl. Sie frieren viel, sind unruhig und schlafen schlecht, sind angespannt und grübeln viel.

Die Auswirkungen eines gestörten Mikrobioms sind immens. Neueste Forschungen belegen Effekte auf unser Verhalten, Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und Depression oder Schuppenflechte, der Entstehung von Multipler Sklerose und Alzheimer. Laut dem Mikrobiologen Dr. Graham Rook, Professor am University College London, steigt bei gestörter Darmflora das Risiko an einer Depression zu erkranken um ein Vielfaches. Laut Rook nehmen alle chronischen Erkrankungen dramatisch zu, und alle stehen in Zusammenhang mit Stress.

Leistungsdenken und Perfektionismus mit dem oft folgenden Scheitern zu erkennen, hilft uns zu verstehen, wie wir verdauen. Die Arbeit auf psychischer Ebene sollte begleitet werden durch das Trinken von reichlich Wasser, viel Bewegung im Freien und der Sanierung der Darmflora.

Damit wir auch morgen noch auf allen Ebenen gesund sind.

Text: Judith Anne März (Ärztin für Gynäkologie, klassischer Homöopathie und Informationsmedizin) · praxis@wisse-die-wege.de

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