Menschen

Wir sind ein Dublin-Case

Tina Laute: „Es sind Menschen um die es hier geht“

Tina Laute nennt die Dublin Verordnung menschenverachtend. „Man geht nicht so mit Menschen um“, sagt sie. Sie ist erbost, traurig, wütend – sie hat keine Worte über das was passiert. Grund dafür ist Abid. Seit einem Jahr lebt der 21-jährige in Nesselwang. Mit 18 Jahren begann seine Odyssee. Erst Türkei, dann Griechenland und jetzt Nesselwang. Hier hat er eine Arbeit, eine eigene Wohnung die er sich mit einem Freund teilt und er zahlt Steuern. Doch vor wenigen Tagen ist der Bescheid gekommen, dass er Deutschland innerhalb einer Woche verlassen muss. Für Abid unvorstellbar. Wo soll er hin? Zurück nach Ungarn wo er registriert wurde?

„Die Kriterien ob jemand in Deutschland bleiben kann oder nicht sollten nicht nach dem Herkunftsland beurteilt werden. Wenn er/sie hier arbeiten wollen, die Gesetze beachten und ein Teil unserer Gesellschaft werden wollen, dann sollte man Ihnen eine Chance geben“, so Tina Laute. Sie ist ein Teil der Bürgerwerkstatt, die sich ehrenamtlich im Dorf engagieren. Was mit Abid passieren wird, weiß keiner so genau. Ein Eilantrag wurde gestellt. Sein Arbeitgeber würde ihm sogar eine Lehrstelle als Beikoch anbieten. Das könnte vielleicht ein Lichtblick sein, dass der junge Mann in Deutschland bleibt –zumindest solange bis die Lehre beendet ist. Und danach? „Man wird sehen“, zuckt der 21-jährige mit den Schultern. Seine Familie sind jetzt die Menschen um ihn herum. Eine Familie noch einmal verlassen zu müssen, fällt ihm schwer. Abid ist ein ruhiger, junger Mann. Er will sich hier anpassen und zugleich so wenig wie möglich auffallen. Es ist ihm peinlich Fragen zu beantworten. „Vielleicht ist das nicht gut. Vielleicht gibt es dann Probleme mit der Regierung“, meint er nachdenklich. Seinen richtigen Namen will er erst gar nicht nennen. Er möchte nicht negativ auffallen. „Nenne mich in Deinem Artikel einfach Yunus. Dann kennt mich keiner“. Tina Laute kann das verstehen. „Die Kultur in Pakistan ist anders. Sie ist korrupt und Taliban-verseucht. Man muss ihn verstehen“, sagt sie. „Wir haben nichts verbrochen. Wir haben niemanden umgebracht, wir sind normale Menschen. Du musst Dich nicht verstecken“, sagt sein Freund Ali zu ihm. Es sind Worte die aufrütteln, ihn überlegen lassen. Er wird still. Dann springt er auf und sagt: „Ich will das Du meinen Namen nennst und ein Foto von uns machst. Ali hat recht“.

Wenn Pakistan zu einem Bürgerkriegsland gehören würde, sehe die Lage etwas anders aus. So zählt Abid, wenn überhaupt, als Wirtschaftsflüchtling. „Ich will hier bleiben“, sagt er leise. Seinem Freund Ali, mit dem er die Wohnung teilt, könnte das gleiche bevorstehen. „Das ist ja die Tragödie. Die jungen Menschen kommen hier her, leben sich ein, finden Freunde und müssen dann gehen“, meint Tina Laute. „Das ist doch ungerecht, oder“. Als sie für Abid den Arbeitsplatz fanden, sagte sie damals zum Küchenchef: Danke, dass sie einen Flüchtling beschäftigen. Dass sich der Küchenchef bei ihr bedankt, hatte sie nicht erwartet. „Er war froh, einen Arbeitnehmer gefunden zu haben. Sind wir doch ganz ehrlich. Es gibt nun mal Arbeiten, die wollen andere nicht machen. „

Wenn unser Magazin raus kommt, könnte es sein, dass Abid schon Deutschland verlassen hat. „Wir hoffen, es wendet sich noch alles zum Guten. Und dennoch müssen wir Vorarbeit leisten, die Menschen aufmerksam machen was da alles passiert. Es sind Menschen“, sagt sie emotional.  Ihre Arbeit im Helferkreis Asyl kann sie nicht distanziert betrachten. „Ich will das aber auch nicht“, sagt sie ehrlich. „Ich habe zu den Leuten eine Beziehung aufgebaut. Es ist nicht professionell, das weiß ich. Aber mit Distanzverlust könnte ich die Arbeit nicht machen“.

Ali und Abid sind in Europa angekommen – allerdings nur vorläufig. Im Grunde genommen könnte man sich die Frage stellen, warum sie sich integrieren, deutsch lernen und hier ihre Steuern zahlen sollen, wenn sie doch eh ein Dublin-Case sind? Fragen, die nur die Betreffenden beantworten können. „Es ist die Hoffnung die uns treibt das alles hier zu machen“, sagen die Beiden. Hoffnung macht sich auch Ali. Er hat die Aussicht eine Ausbildung als Beikoch zu machen. „Hier sucht man Köche und ich koche gerne“, sagt der 23-jährige, der bei seinem Bruder in Pakistan Friseur gelernt hat.

Für Tina Laute ist es klar, dass die Politiker kurzfristig denken. „Wir brauchen Menschen die in die Gastronomie und in die Pflege wollen. Wir brauchen Facharbeiter“, sagt Tina Laute. Sie steht mit ihrer Meinung nicht alleine da. Es gibt viele Unterstützer. Der Bayerische Rundfunk hat sich auch angemeldet. Sie wollen die Geschichte von Abid bringen. „Die Pressearbeit kann vielleicht nicht viel bewirken – vielleicht haben wir aber auch Glück. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Es macht mich betroffen“, sagt Tina Laute. Sie hat eine Tochter und ihr geht es gut. „Wenn ich eine pakistanische Mutter wäre, hätte ich mein Kind auch weg geschickt, damit es ein besseres Leben führen kann.“

Text· Bild: Sabina Riegger

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