Kolumne

Fahrtwind

Oh sole mio, endlich, du scheinst wieder. Und der Himmel ist strahlend blau- ich bin ein Glücksbärchi auf deinem Schoße. Du machst, dass ich heute Morgen so gut im Flow bin.
Also Freunde, hoch die Tassen: Liebe Sonne, Danke, dass du scheinst. Du bringst meine Endorphine in Wallung. Mir ist schon ganz anders vor lauter guter Laune. Es ist Freitagvormittag, ich bin im Auto unterwegs und es fühlt sich an, als würde ich der Sonne direkt in die Arme fahren.

Alles ist perfekt, die Musik läuft, meine Sonnenbrille sitzt, die Haare sind offen. Ich finde meine schmalzige Szenerie einfach toll. Ich will mich weiter darin suhlen. So richtig. Bis zum geht-nicht-mehr. Dann mach ich das Bild mal rund: Fenster runter, Musik lauter, Ellbogen raus, Kopfnicker-los. „Yo yo yo, was geht ab?“

Oh ja- und da ist er schon, das geht ab: Der erste Fahrtwind des Jahres „Yeeehaaaw…Weh mir durch die Haare.“ Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Aber es ist toll.

Im Kreisverkehr kann ich nicht anders und strecke meinen Kopf der Sonne entgegen und atme tief, tief ein. „Hallo Welt!“, mein Mantra. Aber nur kurz. Weil ein Hustenkrampf meinen Gedankengang unterbricht.

Ich huste und huste. War´s das hier und jetzt?! Ich glaube, ich ersticke! Hilfe. Und ich bin auch noch selber schuld.

Ich habe meine Luftröhre am Fenster vereist wie eine nervige, hässliche Warze am Fuß. Die Tränen schießen mir in die Augen. Keine Tränen, nein! Ich sehe so nichts mehr. Wo ist die Ausfahrt??? Meine Haare kleben mir auf der Stirn. Sie müssen festgefroren sein. Bin ich noch im Kreisverkehr? Ich habe Erfrierungserscheinungen. Ja. Ganz sicher. Aua.

Wieso geht das Fenster nicht zu?! Kalt!!! Mir reicht´s. Iggy Pop soll sofort aufhören mir entgegen zu brüllen. Wo kann ich leiser machen? Wo?! Sei bloß still, du!
Ich fummle und drücke blind auf der Mittelkonsole rum.

Bin ich an der Ausfahrt vorbei?! Mist. Die Sonnenbrille hängt mir inzwischen auf halb acht. Ich schiele mit verschwommener Sicht der Straße entgegen. Ist das kalt hier drin! Ich sehe die Ausfahrt. Glaube ich. Ist das die Richtige? Egal! Ich nehme sie trotzdem. Ich schaffe das hier raus. Ja. Gleich. In die Kurve und… oh sole mio, du blendest mich, Verpiss Dich jetzt!!!

Danke. Danke. Danke. Jetzt bin nur noch ein schockgefrorenes Stück Fleisch. Auf dem Seitenstreifen. Rotgeschwollen und Starr. Es hat fünf Grad Außentemperatur. Die Berge sind weiß. Was war nur mit mir los? Diese Endorphine, diese. Aber hilft ja alles nichts. Ich muss ja auftauen. Am besten an der Sonne.

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