Kolumne

Grüne Welt

Tag 1: „Sei mein Guru“. Meine Freundin will abnehmen und ich soll ihr dabei helfen. Sie möchte mindestens eine Woche lang auf alles verzichten, was gut schmeckt und wonach sie verrückt ist. „Ich detoxe jetzt- Ich entgifte meinen Körper und danach fühle ich mich bestimmt gut, so wie du letztes Jahr!“, sagt sie. Das war´s dann also mit Zucker. Fleisch, Fisch, Sahne und Joghurt sind auch gestrichen. Arriverderci Pasta und Pizza. Dafür gibt es Suppen, frische grüne Smoothies, Obst, Wasser und Tees. Ihre Motivation: „Hauptsache mein Hintern passt wieder in die alte Levis 524!“ Eine Frau. Ein Guru. Ein Ziel. Literweise Suppen. Und eine Jeans. Das wird was.

Tag 2: Wie ich soll auch detoxen?! Davon war nie die Rede. Ich bin doch der Guru. Ich wollte es mir am Spielfeldrand gemütlich machen. Mit Weisheiten punkten, meine Erfahrungen weiter geben und mit geballter Faust, Leggings, Schweißband und „Du-schaffst-das“-Parolen an der Außenlinie entlang hüpfen. Ich habe extra „Eyo Captain Jack“ aus der CD-Versenkung gefischt. Power für die Ohren, dachte ich…

Tag 3: Ich war naiv. Kein Captain Jack. Kein Spielfeldrand. Kein Schweißband. Ich bin schon mitten drin. Mit dabei. Toll.

Tag 4: Mein Kühlschrank sieht inzwischen aus wie ein abgerodetes Gemüsebeet. Ich könnte ein ganzes Dorf samt Hasen und Meerschweinchen damit versorgen.

Tag 5: Meine Freundin ist noch top motiviert und hält eisern durch. Sie hat ihre Levis. Ich habe Rote-Beete-Säfte, Spinat-Smoothies und die Schnauze voll. Aber: Ich halte durch.

Tag 6: Wieso mache ich da eigentlich mit?! Wahrscheinlich Solidarität und weil „ich doch jemanden brauche, der mit mir mitleidet und du darin doch schon erprobt bist!“ Ja, danke auch…

Tag 7: Beef im Gemüsefach: Lady Karottenkopf ist sehr schlecht gelaunt heute. Genau wie gestern und vorgestern schon. Aber so langsam mag sie auch ihre Freunde rund um Mister Zucchini und Kumpel Pilzkopf nicht mehr. Sätze wie „Verpiss dich auf den Kompost“ höre ich aus Richtung Küche. Ich habe Angst.

Tag 8: Meine Suppenfreundin hat mir eine Nachricht an unsere „Detox-Gruppe“ bei WhatsApp geschrieben: „Schau mal, hier sind drei wichtige Detox- Fragen. Damit wir uns auch geistig entgiften. Jeden Tag eine.“ Geistig entgiften?!? Das ist nicht sie. Das sind die Suppen…

Tag 9: Frage eins: Womit vertrödele ich meine Zeit? Mit der Zubereitung von (literweise) Suppen und Smoothies.

Tag 10: Frage zwei: Wer oder was kommt dabei zu kurz? Meine Geschmacksnerven. Meine Laune. Meine Pfanne.

Tag 11: Frage drei: Was kann ich zukünftig tun, um mehr Zeit für mich zu haben? Keine. Suppen. Mehr.

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