BrauchtumLeben

Liebe ist…

…eine Definition aus vielen Gefühlen

Simon ist der Hahn im Korb beim Mittwochstreff. Er flirtet für sein Leben gern mit den Damen in der Runde. Einmal in der Woche treffen sie sich zum Kaffee in einem Café. Wo das ist, wollen sie lieber für sich behalten, „Füssen ist ein Dorf“, meint Anna. Mit ihren 67 Jahren ist sie das Küken am Stammtisch. Als es um das Thema Liebe und Valentinstag ging, blühten sie alle auf. Es wurde gelacht, geschäkert und geweint. Denn die meisten sind allein, die große Liebe tot.

Dass man sich immer wieder verliebt bis man stirbt, steht für Margaretha außer Frage. Sie ist vor fünf Jahren ins Allgäu gezogen, als ihr Mann starb. „Wir hatten hier immer unseren Urlaub verbracht. Es waren wunderschöne Zeiten“, erinnert sie sich zurück. „Als er starb, war es für mich klar, ich muss ins Allgäu. Hier haben wir uns so wohl gefühlt“. Sie hat schnell Anschluss gefunden, mit ihrer rheinländischen Art war das nicht so schwer. „Peter hatte schöne blaue Augen, so wie Simon“, lacht sie und schaut ihren Sitznachbarn spitzbübisch an. Simon hat auch blaue Augen, er ist ein Gentleman, immer mit einem feinen Tuch um den Hals. „Das habe ich immer schon getragen, das gefiel meiner Hertha sehr“. Beinahe hätte er seine Hertha nicht heiraten dürfen. „Sie war evangelisch und ich katholisch. Der Glaube hat halt nicht gestimmt, aber ich wusste, wir gehören zusammen und ich ließ nicht locker“, erzählt er charmant in der Runde. Johanna (75) aus Hopfen kennt das Problem. Sie hatte als Mädchen ein Auge auf einen Kerl aus Schwangau geworfen. „Da lässt du schön die Finger weg, haben meine Eltern gesagt“, erinnert sie sich. Ein katholisches Mädchen mit einem evangelischen Vertriebenen? Undenkbar. „Ich habe sehr lange an ihn denken müssen. Er war meine große Liebe. Ich weiß, dass er weggezogen ist – irgendwo in Kaufbeuren hat er gelebt“.

Liebe ist Hoffnung und kann Berge versetzen

Erfahrung rund um die Liebe, Glauben und Verbote haben viele am Tisch schon gemacht. „Ich konnte meinen Mann am Anfang gar nicht ausstehen. Er war Landwirt und wir machten im Sommer immer Urlaub auf dem Hof. Ständig waren irgendwelche Mädchen auf dem Hof. Sie wollte ihm nicht glauben, dass es seine Cousinen waren – so viele konnte er gar nicht haben“, lacht Anneliese. „Aber das waren wirklich Cousinen und ich war so eifersüchtig“. Seinen Ehering trägt die 72 Jährige wie eine Trophäe. Vor zwei Jahren ist er leider gestorben, ihre große Liebe. „Wir sind ein Seniorenstammtisch und alle Singles“, sagt Simon mit einem leichten Augenzwinkern.

„Liebe ist Hoffnung und kann Berge versetzen“, meldet sich Anna zu Wort. Seit 20 Jahren ist sie Witwe. Für sie gab es in all den Jahren keinen anderen Mann. „Wir waren ein eingeschworenes Team. Ich konnte es mir nicht vorstellen, mit einem anderen Mann noch einmal so viel Liebe erleben zu können.“ Gustav, ihr Mann, war 23 Jahre älter als sie. Ihre Familie war gegen die Verbindung. „Zuletzt hat die Liebe gesiegt. Es gab keine Woche, an dem er mir nicht Blumen brachte. Als wir heirateten, war ich 21 Jahre alt. Ich habe keinen Tag bereut“, erzählt sie mit einem Blitzen in den Augen. Ihre Ehe ist kinderlos geblieben. Auch Ingrid, die Älteste im Bunde, erinnert sich an ihre erste Liebe. „Der Herrgott hat’s versaut“, sagt sie mit ihren 84 Jahren. „Im Krieg ist er gefallen und dabei wollten wir heiraten“. Griesgrämig ist die lebenslustige 1930erin nicht geworden. „Ich habe wochenlang um ihn geweint, bis ich keine Tränen mehr hatte. Und dann dachte ich mir, wir sehen uns wieder“. Nach diesem herben Schicksalsschlag machte sie ihr Abitur nach und wurde Ärztin. „Ich war schon überall auf der ganzen Welt. Aber am schönsten ist es doch hier“, gibt sie offen zu. „Liebeleien“ wie sie es nennt, hatte sie immer wieder. „Mal länger und mal kürzer. Aber das war die Würze in meinem Leben – und es war schön“, gibt sie zu verstehen. Ihre Tochter lebt in Berlin . „Wir sehen uns alle paar Wochen. Ansonsten skypen wir“. Ingrid ist eine herzliche Frau, der man ihre 84 Jahre nicht ansieht. „Ich fühle mich auch wie 60 und danach lebe ich“.

Zum Schluss des tollen Vormittags, gibt es einen kleinen Likör zum Anstoßen an die Liebe. Am Ende bleibt dann die Frage, was ist Liebe? „Rücksichtnahme“, sagt Anneliese, „Freiheit und Wärme“, nennt es Ingrid, „Treue“ bedeutet es Anna, während Peter sagt: „Liebe ist eine Potpourri aus Gefühlen die uns tragen und ein Urvertrauen geben“.

Text: Sabina Riegger · Bild:Fotolia

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024