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Countryrocker, Rebell, Großstadtcowboy, Lebemann – Im Gespräch mit Gunter Gabriel — UPDATE —

„Ich mach‘s anders!“

Wie wird man vom Schlagersänger und Trucker-Idol zur lebenden Country-Rock-Legende, schreibt mit „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ eine Nationalhymne der Arbeiterklasse, schafft es von ganz unten nach ganz oben, von Hansa Records und als Songwriter für nationale Sänger wie Peter Alexander oder Tom Astor, bis nach Nashville, Tennessee USA, zu einem der wohl berühmtesten und einflussreichsten Country-Legenden der Musikgeschichte : Johnny Cash. Wer hoch fliegt, kann auch tief fallen. Alles verlieren. Manche aber holen sich‘s zurück. Gunter Gabriel (71), Deutschlands „Großstadtcowboy“, erzählt aus seinem Leben, der Freundschaft zu seinem Idol und von seinem neuesten Projekt, dem Musical: „Hello, I´m Johnny Cash.“(Anm.d.Redaktion: Update am Ende des Artikels)

Welche Worte beschreiben Sie am besten?
Gunter Gabriel: Ich bin ehrlich, energisch und romantisch.

Romantisch?
GG: Ja, was meinst Du denn? Ich wohne auf einem Hausboot! Romantischer geht‘s gar nicht!

Das Hausboot ist wirklich romantisch!
GG: Ja ja schon, ich bin aber kein Weicheier- oder Attitüden-Romantiker. So das gewöhnliche Zeug mein ich nicht. Reisen und frei sein, das ist romantisch.

Okay, anders romantisch eben. Sie haben viel zu tun und spielen gegen Gage auch in den Wohnzimmern der Leute. Was aber, wenn ein Fan vor Ihrem Hausboot steht? Wie reagieren Sie? Darf der auch in Ihr Wohnzimmer?
GG: Also, erst mal wohn ich nicht mehr so öffentlich, wo mich jeder sieht und gaffen kann. Mein Hausboot liegt in einer Werft, versteckt zwischen Binnenschiffen. Und das ist absichtlich so. John Lennon wurde einfach von einem Typen erschossen, weil der ins Buch der Rekorde wollte. Ich hab auch Schiss vor so jemandem. Wenn manche stehen bleiben und mich mustern oder argwöhnisch beäugen weiß ich ja nicht, was die wirklich wollen. Wer mein Hausboot aber findet und mich kennenlernen will, darf gerne rein kommen. Klar. Den lade ich auf eine Tasse Tee ein.

Gut zu wissen. Aber warum eigentlich das Hausboot und keine Wohnung oder Haus?
GG: Das ist ein Zeichen: „Ich mach´s anders!“ So etwas wie Heimat kenne ich nicht. Seitdem ich 17 bin, lebe ich die Große Freiheit. Ich könnte mir nicht vorstellen, wieder in irgendeiner Wohnsiedlung zu leben. Normales Haus oder Wohnung? Nee. Ich will frei sein und das kann ich mit meinem Hausboot. Weg, wann ich will und wohin ich will. Ich bin ein Fan der Karibik. Und Hamburg ist meine Südsee.

Also immer “Gunterwegs“ sozusagen. Wenn man so viel rumreist wie Sie, glaubt man da an Gott? Ich meine, beten Sie?
GG: Ich glaube an Jesus und ich glaube, es gibt einfach was Höheres, aber an Kirche und Wiedergeburt oder so was überhaupt nicht. Verstehst Du, ich bin eher der spirituelle und empfängliche Typ.

Was heißt das genau?
GG: Schau, mein Freund Cash war Baptist. Er hatte in seiner Bibel sämtliche Seiten in Rot und Grün unterstrichen. Ein „sündiger Gläubiger“ sozusagen. Ich treffe mich regelmäßig zum meditieren und beten in einem China-Restaurant in Berlin mit meinem „Prediger- Freund“ Pierre Witzmann, das ist doch geil und großartig zugleich!  Und an das, was in der Bibel und in den zehn Geboten steht, glaube ich auch.

Sie glauben an die zehn Gebote?
GG: Die zehn Gebote sind meine Maxime! Was da drin steht ist gut, und ich halte mich daran. Außer das mit dem treu sein!

Wenn Sie also eine Partnerin haben, sind Sie untreu?
GG: Wenn ich eine feste Freundin habe, fragen mich andere Mädels schon immer: „Wo bleibst du denn, bist du jetzt ein Weichei geworden?“ Also ich bin schon treu. Zu 100 Prozent. Zumindest eine Zeit lang. Aber wenn eine Beziehung langsam einschläft- und das passiert irgendwann- dann wird´s schwierig. Wirklich treu aber, bin ich meinen „Männerfreunden“. Ich pflege meine Freundschaften auch, weil es mir einfach viel bedeutet. Aber vom Kopf her bin ich immer treu!

Super. Mentale Treue. Mhh…
GG: Ich bin aber kein Hallodri oder sowas. Wusstest Du nicht, ich bin der Erzengel Gabriel, oder wohl eher der Schmerzengel Gabriel.

Ja, scheint fast so.
GG: Ich finde, es ist ein Geschenk, wenn man eine glückliche, lange und stabile Beziehung oder Ehe führt. Ich habe darin total versagt. Vier gescheiterte Ehen sind der Beweis. Dafür habe ich meinen Frauen tolle Kinder geschenkt! Und zu jeder meiner Ex-Frauen habe ich bis heute eine gute Bruder-Schwester-Beziehung.

In Ihrem neuestes Projekt, dem Musical: „Hello, I´m Johnny Cash“ von Volker Kühn,  verkörpern Sie Ihren langjährigen Freund Johnny Cash und spielen an der Seite von Helen Schneider als June Carter-Cash. Können Sie sich gut in diese magische Liebesrolle zwischen Johnny und seiner June einfühlen? Die Beiden waren ja unzertrennlich und sehr lange verheiratet.
GG: Mir würde im Traum nicht einfallen, so lange wie die Beiden verheiratet zu sein: 35 Jahre lang! Aber das hatten wir ja schon. Cash und June waren ganz besonders im Umgang miteinander. Ich kann mich in seine Rolle sehr gut hineinversetzen und die Liebe zu seiner Frau nachfühlen. Natürlich. Einfach beneidenswert, so lange glücklich zusammen zu sein!

Ist doch wahnsinnig, dass Sie als sein Freund die Legende Johnny Cash wieder aufleben lassen. Und das auch noch sehr erfolgreich. Wie waren die Beiden so?
GG: Es heißt ja, hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Bei den Beiden war es absolut so! In Köln ‘83 stand ich mal mit Johnny Cash zusammen auf der Bühne. Er war schon so betrunken und fertig, dass er seine eigenen Songs teilweise nicht mehr singen konnte. Nach dem Konzert scheuerte June ihm vor versammelter Mannschaft eine ins Gesicht.

Seine Frau hat ihn geohrfeigt?
GG: Ja, unglaublich aber wahr! Das ist aber auch gut so. Sie hat ihm gezeigt wo es lang geht. Ich mag solche Frauen auch. Ich will keine Doofe, aber auch keine „Sklavin“ oder „Ja-Sagerin“.

Dann gehören Sie also nicht zu dem Typ Mann, der das Klischee bedient klüger, stärker und besser sein zu wollen als die eigene Partnerin?
GG: Kluge Männer nehmen sich starke Frauen.

Ihr Freund und Idol hatte ähnlich wie Sie Probleme mit Alkohol und Tabletten. Wie kam es dazu?
GG: Also erst mal sei gesagt: Für mich ist das Leben ein Geschenk! Für uns als Künstler ist es leicht, verführt zu werden. Gerade wenn man Erfolg hat. Irgendwann kommt der Druck  zu immer besseren Leistungen und Songs, dann der Alkohol, Tabletten und klar, Frauen. Bei mir jedenfalls. Cash hatte Probleme mit Tabletten und Alkohol. Warum? Müssen wir ihn mal fragen. So ist das eben gewesen.

Sie beide haben viele Gemeinsamkeiten, was ist am prägnantesten?
GG: Beide sind wir umstrittene Figuren. Unsere Musik gilt den Randgruppen unserer Gesellschaft. Unsere Songs erzählen wahre Geschichten. Ich habe Gefängnisse von innen gesehen, viel Scheiße gebaut und habe Tiefpunkte erlebt. Trotzdem habe ich alten Frauen schon immer geholfen, volle Taschen in Ihre Wohnung zu tragen. Ich bin einfach fair zu den Leuten. Johnny Cash beschreibt es wohl am besten mit:  „I walk the line!“  (Ich bleibe auf Kurs!)

Und was unterscheidet Sie beide voneinander?
GG: Da muss ich jetzt etwas zynisch sein, aber er war in meinem Alter schon tot. Ich habe Glück und lebe noch. Außerdem war er körperlich am Ende, er war krank, er hat getrunken, Tabletten genommen und gekokst. Der Mann kommt aus Amerika, er hatte einfach diesen Blues. Ein weltumspannendes Talent- „The Man in Black“.

Wann waren Sie das letzte Mal in Amerika?
GG: Das ist zehn Jahre her. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich kein Bock mehr habe zu fliegen. Ich verreise lieber mit meinem Auto.

Dann haben Sie ja ganz schön lange Strecken vor sich?
GG: Ja, ich mag das. Ich habe einen Transporter, in dem ist mein Büro, mein Bettchen, einfach alles, was ich brauche. Ich muss nicht immer wieder packen, umziehen und so. Ich lade in das scheiß Auto alles ein, und los geht´s. Auch zu Euch nach Füssen komm ich mit dem Auto.

Unbedingt! Die Kritiken über Ihre Auftritte sind alle unumstritten hervorragend. Wie fühlt es sich an, so gefeiert zu werden- in der Rolle ihres Lebens als Johnny Cash?
GG: Ich bin nicht Cash, ich tu nur so! Ich lebe das einfach alles noch mal nach. Ich bring den Spirit von Cash zurück auf die Bühne. Es ist mein Job und ich will das. Bei bestimmten Liedern fangen manche  Zuschauer an zu weinen. Man spürt diese besondere Atmosphäre. Genau so muss es sein und genauso bin ich selber auch.

Sie sind doch sicher aufgeregt, bevor es auf die Bühne geht, oder?
GG: Nee! Vor lauter Vorfreude bin ich wenn schon, eher erregt anstatt aufgeregt.

Vielen Dank für das ehrliche und interessante Gespräch.
GG: Gerne mein Darling, jetzt gehe ich aber was essen, ich habe Hunger. Ich freue mich auf meinen Auftritt bei Euch in Füssen.

Update 07.02.2013:

Die für Mittwoch, 6. März 2013 geplante Vorstellung der Musical-Biographie Hello, I’m Johnny Cash mit Gunter Gabriel im Festspielhaus Füssen muss aus tourneetechnischen Gründen leider entfallen!

Einen Ersatztermin für die Veranstaltung wird es nicht geben. Bereits gekaufte Eintrittskarten können an den Vorverkaufsstellen zurückgegeben werden, an denen sie erworben wurden.

Wer diese Musical-Biografie trotzdem sehen möchte, hat folgende Gelegenheiten:
05.03.13:         Wien/ Stadthalle
08.03.13:         Innsbruck/ Congress
09.03.13:         Salzburg/ Congress

Das Interview führte V. Ademi
Bilder: privat

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