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Seit 100 Jahren gibt es Tourismus im Tannheimer Tal – Das größte Plus sind die herzlichen Menschen

„Zu jedem Haus gehört ein Gesicht“

Tannheim.    „Liebe zur heimatlichen Scholle und Unantastbarkeit der Vatersitte“: Unter diesem Motto trafen sich 54 Tannheimer am 29. Mai 1912 im Gasthof Post – auf Einladung von Postmeister Rudolf Zobl. Das ist die Wurzel des sehr erfolgreichen Tourismusverbandes Tannheimer Tal. Er feiert heuer sein 100-jähriges Bestehen.

Der Erfolg hat sich allerdings nicht sofort eingestellt, denn es gab einige Schwierigkeiten und Rückschläge zu überwinden. Am Anfang ging es darum, Wege gangbar zu machen, zu schottern und zu markieren. Denn das war in den Alpen (im Gegensatz zur Schwäbischen Alb, von wo heute viele Wanderfreunde begeistert ins „wohl schönste Hochtal der Alpen“ strömen) noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Der Erste Weltkrieg brachte allerdings erst einmal alles wieder zum Stillstand. In den Hungerjahren in Deutschland und Österreich konnte kaum jemand an Sommerfrische oder Winterfreuden denken. Da waren andere Dinge wichtiger.

Erst im Dezember 1924 wurde die nächste Vollversammlung einberufen, und die Mitglieder beschlossen: „Der Fremdenverkehr soll wieder gefördert und den Fremden der Aufenthalt in Tannheim möglichst angenehm gemacht werden.“
1931 wurden bereits 10.000 Prospekte gedruckt und in Reisebüros, Auskunftsstellen und öffentlichen Ämtern verteilt.
1932 lösten die Mitglieder ihren Verschönerungsverein  auf. Die Organisation hatte seit mehreren Jahren mit dem Wintersportverein zusammengearbeitet. Dieser war aber, laut Protokoll, nicht zu einem harmonischen Miteinander zu bewegen. Daraufhin wurde der Verkehrsverband Tannheimer Tal gegründet, denn „ein solcher Verein hatte das Recht, Verkehrsförderungsbeiträge zu erhalten“.

Adolf Hitlers 1.000-Mark-Sperre war ein großer Schlag für das Tal

Ein erster innovativer Schritt war indes nur begrenzt erfolgreich: 1933 veröffentlichte der Verein zum ersten Mal Schneeberichte über das Tannheimer Tal im Stuttgarter Neuen Tagblatt. In diesem Winter waren jedoch die Schneeverhältnisse so schlecht, dass man diesen Versuch schnell wieder einstellte. Kalt erwischt wurde man aber auch von der Welt-Politik: Als im Jahr 1933 die 1.000-Mark-Sperre in Kraft trat und das von Adolf Hitler regierte Deutsche Reich für jeden Grenzübertritt nach Österreich 1.000 Mark verlangte, blieben die bisherigen Gäste mit einem Schlag aus.

Daraufhin beschloss der Tourismusverband, „auf weitere Propaganda zu verzichten, um nicht noch mehr Schulden machen zu müssen“. 1935 entschied sich der wieder mit neuem Leben erfüllte Verein dann, einen Winter- und Talprospekt aufzulegen. Nach dem Zusammenschluss mit Deutschland 1938 wurde verstärkt auf Prospekte und Werbung gesetzt, man stellte Bänke auf, erneuerte und markierte Wege. Aber auch diese Aufbruchstimmung wurde wieder durch einen Krieg zunichte gemacht. 1949 trafen sich die Mitglieder erstmals nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur wieder. Und nun ging es steil bergauf: 1950 wurden schon 50.000 Prospekte gedruckt, 1956 baute Raimund Gutheinz den ersten Schlepplift, und schon zwei Jahre später zählte man bereits 88.000 Übernachtungen pro Jahr. Und diesmal bremste nichts mehr den Höhenflug des Tannheimer Tals. „Heute ist der Tourismus die Lebens- und Existenzgrundlage bei uns. Rechnen wir bei einer Million Nächtigungen mal nur das Frühstück! Dafür werden schon allein über zwei Millionen Semmeln gebacken“, sagt Michael Keller, Geschäftsführer des Tourismusverbandes. Es gibt drei Bäcker im Tannheimer Tal, die davon profitieren. Aber das ist nur ein Aspekt von vielen. In der heutigen Zeit sieht Keller es als vorrangiges Ziel, das Niveau zu halten: „Weil das Reiseverhalten anders ist. Früher sind die Leute einmal für drei Wochen im Jahr in den Urlaub gefahren.“ Mittlerweile gehe aber der Trend eindeutig zu mehr Kurzurlaub an mehreren Zielen: „Man braucht deswegen mehr Menschen, damit man die Nächtigungen halten kann. Die Gäste bleiben durchschnittlich um einen halben Tag kürzer.“ Und dennoch hat das Tannheimer Tal ein solides Fundament für die Zukunft: Denn etwa 65 Prozent der Urlauber sind Stammgäste. Viele kommen schon als Kind hierher, dann folgt in der Regel eine Sturm- und Drang-Phase und als Eltern kommen sie wieder.

Was ist denn nun das Erfolgsgeheimnis dieser Ferienregion? „Wir haben viele Familienbetriebe. Die Häuser waren alle sehr traditionell und klein und sind gewachsen.“ Selbst international renommierte Häuser verdanken den Erfolg ihrer Bodenständigkeit: „In den meisten Häusern, ob Hotels oder Privatzimmer-Vermieter, bemüht sich nun schon die dritte Generation um den Gast – und zu jedem Haus gehört ein Gesicht.“ Kurzum: Die Gäste mögen die persönliche Atmosphäre. Ganz offensichtlich.

„Unsere Väter haben einen guten Entschluss gefasst:Tourismus statt Industrie“
Michael Keller, Tourismusverband

Noch ein großer Pluspunkt: Im Tannheimer Tal geht es nicht so laut zu wie in Sölden oder Ischgl. Die Leute bleiben eher bei der Tradition und fördern den sanften Tourismus. Die vielen Menschen, die es Jahr um Jahr dorthin zieht, schätzen gerade dies. Michael Kellers Stolz auf die Menschen im Tannheimer Tal ist unverkennbar, wenn er sagt: „Unsere Väter haben einen guten Entschluss gefasst. Sie haben sich für den Tourismus entschlossen und nicht für die Industrie. Unser Kapital ist die Natur – und deswegen bewahrt man sie auch. Aus Überzeugung.“

Programm:
Freitag, 6. Juli 2012
Festakt für Mitglieder, Einheimische und Gäste
19:00 Uhr Einlass ins Festzelt
20:30 Uhr Beginn des Festprogramms mit Musik

Samstag 7. Juli 2012
Musikabend für Gäste und Einheimische
19:00 Uhr Beginn des Festabends mit Musik

Sonntag, 8. Juli 2012
8:45 Uhr Festgottesdienst mit Pfarrer Donatusin der Pfarrkirche Tannheim
10:00 Uhr Radio RSA Frühschoppen
mit Werner Schleehuber
14:00 Uhr Musik bis zum Ausklang

 

Text : Christine Schneider

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