Menschen

Im Gespräch mit Alberto Cirilo

„Ich bin ich – ein Mensch, der das Alleinsein braucht“

Füssen.    Ohne das Engagement am Festspielhaus in Füssen bei der ersten Produktion des Ludwig Musicals wäre Alberto Cirilo wahrscheinlich nicht ins Allgäu gekommen. Heute lebt er seit elf Jahren in Füssen und ist bekannter denn je. Seine Schüler/Innen finden ihn ganz „cool“, auch wenn er sehr viel Disziplin verlangt. In seiner Wohnung waren bislang nur die engsten, wirklich guten Freunde. Sonst, so der schwarz gekleidete Künstler, ist er lieber alleine und ganz für sich. „Ich bin ein Einzelgänger, ich brauche das Alleinsein“, sagt er offen. Über sein Leben will Alberto Cirilo nicht viel erzählen und über sein Alter schon zwei Mal nicht. „Ich bin ich – Alberto Cirilo. Das muss reichen“, sagt er lachend. Seine Sprüche sind manchmal zum Lachen und ein anderes Mal philosophisch, so ganz unbedarft in seinem Dialekt aus einer Mischung amerikanischen Slangs, Allgäuer Wörtern und Hochdeutsch. Füssen aktuell lud Alberto Cirilo in die Redaktion zu einem Gespräch ein. 

Seit wann lebst Du in Füssen? Seit elf Jahren.

Wie kamst Du zum Tanzen? Ich habe im Fernsehen immer die Leute im Fernsehen tanzen gesehen. Und wenn man in New York lebt, dann sieht man die Schauspieler, die Broadway Tänzer – und ich habe mir immer gedacht, wie kann ich das schaffen? Und so hat es angefangen.

Wer hat Dir letztendlich dabei geholfen? Das war Gene K. Hammet. Sein Auto blieb auf der Straße plötzlich stehen. Ich war in der Nähe und er rief mir zu, ob ich ihm nicht helfen könnte, sein Auto von der Straße weg zu schieben. Ich half ihm natürlich. Als Dank lud er mich zum Essen ein. Während dem Essen stellte sich heraus, dass er Direktor einer Tanzschule ist. Ich habe ihm dann erzählt, dass Tanzen mein Traum ist, ich aber für eine Schule kein Geld habe. Er hat mich dann eingeladen, am nächsten Tag zu kommen und meinte, wenn ich regelmäßig, dass heißt täglich, komme und sich herausstellt, dass ich Talent habe, dann würde er mir die Schule zahlen.

Wow, das hört sich an wie aus einem Hollywood Film. Ein armer Junge bekommt die Chance seines Lebens. Ja, so ist das Leben. Genau so war es.

Wo bist Du aufgewachsen? Aufgewachsen bin ich in New York, dann in Virginia und dann bin ich wieder zurück nach New York. Dreieinhalb Jahre habe ich jeden Tag getanzt. Dann sagte mir Gene, dass ich bereit bin weiterzugehen, meine Tanztechnik zu perfektionieren.

Bist Du dann weggegangen? Ja, ich habe sehr viel Wert auf die Meinung von Gene gelegt. Zwei Wochen später ist er allerdings gestorben. Ich glaube, er wusste, dass er sterben würde und hat mich deswegen weg geschickt.. Er hat an  mich geglaubt und hat mich sehr unterstützt. Gene sagte immer: Du schaffst alles, wenn Du die nötige Disziplin dafür hast und an Dich selbst glaubst. Er war wie ein Vater für mich.

Hast Du dann ans Aufhören gedacht?
Nein. Sonst wäre die ganze harte Arbeit umsonst gewesen. Gene hätte das sicher auch nicht gewollt. Er hat mich ja schließlich unterstützt und wollte, dass ich Erfolg habe.

Stellte sich der Erfolg ein? Oh ja. Das war der Hammer. Ich wurde für das Musical „Mame“ in Conneticut, gecastet. Vor lauter Freude habe ich die ganze Rückfahrt im Zug geheult. Ich war so happy.

Mame gilt ja als Musical-Klassiker schlechthin. Wer hat die Hauptrolle gespielt? Das war Shani Wallis , die schon die Hauptrolle in dem Film  „Oliver“ hatte. Das war schon verrückt, sie dann dort zu treffen. Als Tänzer bekam ich eine kleine Schauspielrolle. Ich sollte lediglich einen Satz zu Shani Wallis sagen. Aber vor lauter Nervosität bebte meine Unterlippe. Sie kam dann zu mir, lächelte mich an und nahm mein Gesicht zwischen ihre Händen und sagte: „Relax Alberto, I´m not gonna bite you“.

Erinnerst Du Dich gerne zurück? Na klar, auf jeden Fall. Es war die beste Zeit in meinem Leben. Ohne Tanzen hätte ich nicht 40 Länder kennengelernt, hätte nicht diese Toleranz, die ich jetzt habe und nicht diesen offenen Blick. Tanzen hat mein Leben verändert. Ohne Tanzen wäre ich wahrscheinlich im Ghetto geblieben, wäre vielleicht in einer Gang reingerutscht. Wer weiß, was aus mir geworden wäre.

Du hast sehr viel Temperament in Dir. Ist das „nur“ amerikanisches Temperament? (Lacht) Also die Urgroßmutter meines Vaters kam aus Afrika. Sie ging nach Italien, hat dann einen Italiener geheiratet und dann sind beide nach Amerika. Meine Mutter ist halb Puertoricanerin und halb Amerikanerin und ihr Vater wiederum war ein halber Indianer und ein halber Puertoricaner. Ich bin Gulasch Baby, der beste Gulasch den es gibt (lacht).

Dich kennt man nur mit Hut und schwarz gekleidet. Ist das Dein Markenzeichen? Ich bin ein Priester der Kunst (lacht). Die laufen doch auch immer schwarz gekleidet. Spaß beiseite, es ist wirklich so, dass ich gerne schwarz trage und es hat nichts mit Markenzeichen zu tun. Es gefällt mir einfach..
Ist Tanzen immer noch Dein Leben? Oh ja, wenn ich tanze, dann vergesse ich alles um mich herum. Tanzen ist wie wenn ein Vogel fliegt – einfach frei. Kein Gefängnis.

Man sieht Dich immer mit dem Fahrrad fahren?
Hast Du einen Führerschein? Ja, aber ich brauche kein Auto. Wir leben hier in einem Paradies, und ich will es nicht verpesten. So kann ich die Natur genießen. Das ist für mich ganz in Ordnung. Außerdem haben wir einen Bus, Zug, das reicht doch, um mobil zu bleiben.

Bist Du ein umweltbewusster Mensch? Aber ja. Ich lese sehr viel im Internet, was in der Welt passiert, wer Was für eine Politik macht.

Das hat doch nichts mit Umweltbewusstsein zu tun. Doch, finde ich schon. Je mehr ich über meinen Planeten weiß, desto mehr kann ich mich einsetzen. Das ist für mich Umweltbewusstsein. Ich mache nicht die Augen zu. Wenn jemand die Augen verschließt, dann ist er verloren. Ich will wissen, mitreden, mir Gedanken machen – ich will um meine Welt drum herum Bescheid wissen.

Bist Du noch Amerikaner? Viele Leute sagen, Du bist Amerikaner. Ich sage dann: Ich bin von dieser Welt. Seit dem ich 18 Jahre alt bin, habe ich viel in meinem Leben gesehen. Klar bin ich in Brooklyn in New York geboren, aber ich bin kein typischer Amerikaner, so wie man sich ihn vorstellt. Mit meinem Verstand bin ich einfach Mensch, und ich frage mich, warum die Leute so viel Geld für einen Krieg ausgeben, anstatt es sinnvoll einzusetzen.

Das heißt Du verfolgst die Wahlen zwischen Obama und Romney? Aber ja. Es heißt Amerika ist das Land der Freiheit. Aber so ganz stimmt das nicht.

Wie meinst Du das? Seit Obama Präsident ist, hat er versucht, einiges in Amerika zu verändern. Aber die Republikaner schießen immer dagegen – im Grunde wissen sie nicht was sie tun. Es sind so viele Milliarden von Dollar mit Bush weg gekommen. Obama hat viel repariert und Romney meint, er hat nichts getan. Ich bin ein Obama-Fan. Und wenn die Republikaner ihn unterstützen würden, dann liefe es in Amerika auch viel besser. Und ich hoffe, er bekommt noch mal vier Jahre als Präsident. Die ersten vier Jahre hat er nur aufgeräumt, was andere hinterlassen haben.

Wie fühlst Du Dich in Deutschland, bekommst Du die Politik auch so mit? Aber ja, ich kenne alle Programme von allen Parteien. Natürlich verfolge ich alles. Nächstes Jahr ist die Wahl von Merkel – es ist logisch, dass mich das interessiert. Ich lebe hier, also muss und will ich mich informieren.

Denkst Du, irgendwann einmal zurück nach Amerika zu gehen?
Momentan bin ich zu Hause im Ostallgäu. Zu Hause ist da, wo ich meinen Hut hinlege. Was die Zukunft bringen wird, weiß ich nicht.

Du hast eine große Familie in Amerika, aber eine eigene nicht. Möchtest Du mal eine eigene Familie haben? Nein! Nein! Ich habe über dreihundert Kinder. Das ist gut. Meine Brüder sind alle verheiratet, haben drei bis vier Kinder. Meine Familie ist die Kunst und das bleibt so, bis ich sterbe. Es macht mir Spaß auf der Bühne aus Nichts Etwas zu machen. Das ist mein Leben. Wenn ich dann nach Hause gehe, will ich entspannen.

Wie kommst Du eigentlich zu deinen Musicalgeschichten? Durch Hören und Sehen, das inspiriert mich. Und wenn ich Schreibe, dann bin ich wie in Trance, dann kann ich nicht aufhören.

Schreibst Du Deine Geschichten in Deutsch oder Englisch?
In Englisch, weil ich es in Deutsch  nicht kann. In Englisch ist es für mich einfacher. Ich habe Jemanden, der mir das dann übersetzt. Deutsch ist keine einfache Sprache, das muss man schon sagen.

Wie heißt die Geschichte für dieses Jahr?
Sie heißt Benny. Es geht um einen Jungen, den die Eltern in ein Waisenhaus bringen. Eine schöne Geschichte.

Hat Sie auch was mit Deinem Leben zu tun? Schau es Dir an, ich will nicht mehr verraten.

Hast Du ein Lebensmotto? Lebe den Tag, denn vielleicht gibt es ihn morgen nicht mehr.

Dann wünsche ich Dir viele Tage, die Du so leben kannst und danke Dir für das Interview.
Ich habe Dir zu danken.

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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