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Servus aus Lake Tapps!

Über den großen Teich der Liebe hinterher

„Ich wollte es damals einfach probieren“! Für die Vilserin Anette Kemler (45) wie gesagt, so getan. Vor mehr als 20 Jahren ist die damals junge Frau in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ausgewandert. In den USA noch einmal neu anfangen und alles Alte hinter sich lassen, mutig sein und es einfach anpacken, das wollte sie. Ihren alten Job hat die gelernte Technische Zeichnerin aufgegeben. Mit ihren damals 24 Jahren ging das große Abenteuer dann los. Immerhin hatte sie einen guten Grund, ihre alte Heimat zu verlassen, denn auf der anderen Seite des großen Teichs, in Federal Way, etwa 8.500 km Luftlinie von Anette Kemler entfernt, hat er gewartet- Mike. Ob das mit ihr und Mike was wurde? Im Dezember feiern die Beiden schon ihren 20. Hochzeitstag…

Der Weg zwischen Vils und Lake Tapps ist ja nicht gerade der kürzeste. Wie haben Sie Mike damals überhaupt kennengelernt?
Über meine Schwiegermutter! Sie hat uns damals praktisch einander vorgestellt.

Wirklich? Normalerweise ist es doch meistens gerade anders rum!?
Bei uns ist sowieso nichts normal, deswegen… Aber das ist doch gut so. Ich kannte meine Schwiegermutter Elisabeth durch frühere Urlaube in den USA, dort habe ich sie kennengelernt. Ich kannte Elisabeth schon 15 Jahre, bevor ich Mike überhaupt kennengelernt habe. Meine Schwiegermutter ist gebürtige Pfrontenerin, lebt aber schon seit Anfang der 60er in Amerika. Ihre Mutter hatte damals die Manzenstube in Pfronten. Als ich sie dann über einen ganzen Monat in Gettysburg besucht habe, hatte sie eine Idee wegen Mike und mir…

Was für eine Idee war das?
Naja, meine Schwiegermutter machte sich Sorgen, dass der Besuch bei ihr zu langweilig für mich werden würde, also hat sie mich kurzerhand mehr oder weniger nach Seattle geschickt, wo Mike gewohnt hat. Und der Rest ist Geschichte…

Dann haben Sie hier alle Zelte abgebrochen und sind zu Mike nach Seattle gezogen?
Ja, genau. Ich habe vor meiner Auswanderung in Halblech gearbeitet. Aber die Firma, in der ich zu der Zeit tätig war, hat damals etwas  „umstrukturiert“, was die Mitarbeiter anging. Also habe ich meinen Job vorher freiwillig gekündigt, bevor mir dann gekündigt worden wäre. Ich war Ende 24, als ich dann beschloss, auszuwandern. Meine Eltern haben mich immer ermutigt, das Abenteuer zu wagen. Sie gaben mir Sicherheit.

Inwiefern?
Sie haben immer gesagt, wenn es nicht klappen sollte, dann kann ich doch jederzeit wieder zurückkommen und dass sie mir auch immer helfen werden. Deswegen war es auch nicht so schwierig für mich zu gehen, weil ich wusste, dass mir meine Eltern den Rücken stärken, falls es nicht klappen sollte.

Aber es hat offensichtlich sehr gut geklappt. Jetzt sind Sie schon bald 21 Jahre in Amerika. Ist das Leben dort besser für Sie, kann man das so sagen?
Also wenn man eine Weile lang in einem anderen Land lebt, merkt man, das nicht alles besser ist. Wenn man so einen großen Schritt geht, muss man lernen, auch mal einzustecken. Man darf einfach nie aufgeben und sollte das, was man sich in den Kopf gesetzt hat, auch durchziehen, damit es dann auch klappt. Ich hatte damals keine Greencard und mein Besucher-Visum lief im Dezember 1993 aus. Damit ich nicht aus dem Land geschmissen werde, und ich bei Mike bleiben konnte, heirateten wir.

FA_12_13_Kemler02Wie romantisch, oder?!
Total. Die Hochzeit war schön, billig und lustig. Wirklich! Wir waren zwar nur neun Leute, aber die Hochzeit war trotzdem super. 1996 kam dann unsere Tochter Natalie zur Welt und 2000 unser Sohn Max. Und Mike hat damals eine Firma zusammen mit seinem Onkel, der auch Pfrontener war, aufgebaut. Unsere Firma stellt heute Flugzeugteile für Boeing her, Prothesenteile für Kinder-Schienen und für AirForce One haben wir auch schon Teile hergestellt. Aus unserer Firma sind sogar Teile auf dem Mars (Mars-rover).

Hat Sie die Wirtschaftskrise damals auch getroffen?
Ganz und gar. Aber wir haben so viel in unsere Firma reingesteckt, dass wir nicht einfach aufgeben konnten und wollten. Wir mussten uns wieder aufrappeln, das ist ja unsere Existenz.

Haben Sie währenddessen ans Zurückgehen gedacht?
Nein, eigentlich nicht. Ich mache zwar gerne Urlaub in der alten Heimat, aber hier in den USA sind wir so tief verwurzelt. Ich fühle mich aber immer sehr wohl, wenn ich meine alten Freunde, Klassenkameraden und meine Eltern wieder treffe. Meinen österreichischen Pass habe ich immer noch und das soll auch so bleiben. Unsere Natalie ist genau wie ich ganz verrückt nach Europa und sie will sogar später dort studieren. Deutsch spricht sie fließend.

Amerika in drei Worten, welche wären das?
Groß. Anonym. Hektisch.
Hier gibt es keinen Sonntag wie wir ihn kennen. Es wird immer gearbeitet und alles ist offen, sieben Tage die Woche! Das ist komisch, weil man einfach keinen Wochen-Abschnitt hat und so richtig zur Ruhe kommt. Aber ich kann mir das Arbeiten in der Firma gut einteilen, flexibel sein und auch mal von zuhause arbeiten. In der Firma wasche ich dann zum Beispiel Teile, verschicke sie, baue auch mal was zusammen und kümmere mich um die Buchhaltung, nur an die großen Maschinen geh ich lieber nicht ran.

Wenn man Ihnen zuhört, merkt man, dass Sie richtig Power haben und Sie in Lake Tapps mit Mike und Ihren Kindern daheim wirklich angekommen sind. Haben Sie Lust ein paar Worte in die Ferne, also an die  alte Heimat zu schicken?
Sehr gerne!

Also, Servus aus Lake Tapps an alle, die mich kennen und sich noch an mich erinnern. Uns geht´s hier wirklich super und ich hoffe, dass Ihr alle Euer Leben auch richtig genießen könnt! Eure Anette

Text: Vivien Ademi · Bilder: Anette Kemler

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