
Der Italiener am Kappenzipfel
Seit 25 Jahren gibt es den Italiener am Kappenzipfel, dem malerischen, romantischen Stadtteil Füssens. Die engen Gassen und schmalen Häuser lassen mediterranes Flair entstehen. Von der einen Sonnenterrasse blickt man auf die historische Stadtmauer und einen idyllischen Brunnen, während die zweite Terrasse auf dem Franziskanerplatz das Gefühl einer toskanischen Piazza vermittelt.
Wahrscheinlich war es genau diese Atmosphäre, die Idalina und Filipo Russo dazu veranlasste, das Restaurant zu pachten und ihren Traum der Selbstständigkeit zu erfüllen. In all diesen Jahren hat sich das Restaurant zu einem beliebten Treffpunkt für Genießer der feinen italienischen Küche entwickelt.
„Die Liebe zu einer guten Küche wurde uns wohl in die Wiege gelegt“, erzählt Michele Russo, der das Restaurant 2022 von seinem Bruder übernommen hat. „Unser Vater war Fischer und unsere Mutter eine hervorragende Köchin“, erzählt der 37-Jährige mit einem Lächeln. Kein Wunder, dass die kulinarische Tradition bei Familie Russo einen hohen Stellenwert hat.
Die Geschichte
Als sie Filippo und Idalina Russo nach Füssen kamen, waren sie 24 und 22 Jahre alt. Große finanzielle Sprünge waren nicht möglich. „Das Restaurant haben wir damals mit meinem Schwiegervater renoviert. Zwei Monate haben wir unter dem Tisch im Restaurant geschlafen, bis wir eine bezahlbare Wohnung fanden,“ erzählt Filippo Russo.
Außenstehende sahen die Eröffnung ihres Restaurants eher skeptisch an. „Sie hatten uns schon abgeschrieben, bevor wir eröffnet haben. Viele meinten, die Restaurant-Lage sei nicht gut. Eine Laufkundschaft sei nicht gegeben und deswegen zum Scheitern verurteilt“, erinnert er sich an die Anfangszeit zurück. Heute feiert das Il Pescatore sein 25-jähriges Jubiläum. Das Konzept, gute italienische Küche anzubieten, hat sich als richtig erwiesen.
Filippo Russo hat nicht den klassischen Weg einer Koch-Ausbildung gewählt. Er ist ein Autodidakt, einer, für den das Kochen Handwerk und zugleich Kunst ist. Einiges hat er von seiner Mutter und Tante gelernt. Den Feinschliff holte er sich allerdings bei den vielen Stationen seiner Kochkarriere. Der Italiener, der früher selbst Fischer war, war immer schon eigen, wenn es um seine Küche ging. „Ja, das war ich wirklich. Aber wird man nicht Koch, weil man eine Leidenschaft dazu hat?“ Diese Frage ist berechtigt. Auf ihn trifft sie sicher zu.
Damals ließ er es sich nicht nehmen, selbst nach München in die Markthalle oder auch mehrmals im Monat nach Italien zu fahren, um die Waren zu besorgen, die er wollte. „Für mich war das wichtig, weil ich die Produkte, die ich verarbeite sehen, schmecken und riechen muss. Da gehe ich ungern Kompromisse ein.“ Vielleicht war es genau diese Kompromisslosigkeit, die es bewirkte, dass das Il Pescatore einen sehr guten Ruf in der Restaurant-Szene bekam. Denn seine Küche zeichnete sich durch die Verbindung traditioneller kalabrischer Fischgerichte mit innovativen Ideen aus.
Seine selbstkreierten Gewürzmischungen waren das i-Tüpfelchen eines jeden Gerichtes. Regelmäßig wird das Il Pescatore als eines der besten Restaurants in Füssen bewertet, und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Travellers’ Choice Award von Tripadvisor. Zu den Gästen zählten Stars wie Zucchero und Taylor Swift – ein Beleg für den überregionalen Ruf des Restaurants.
Die Selbständigkeit hat der vierfache Familienvater noch nie bereut. „Jeder weiß das es im geschäftlichen als auch im privaten Höhen und Tiefen gibt. Da gibt es dann nur eines: Entweder man meistert es oder scheitert daran. Wir sind im privaten Bereich gescheitert“, so Filippo Russo.
Nichtsdestotrotz kann er auf eine sehr spannende, aufregende, lehrreiche aber auch schöne Zeit zurückblicken, als die Kinder noch klein waren und durch das Restaurant liefen und später auch mithalfen. Wenn Filippo daran denkt, huscht ihm ein leises Lächeln über das Gesicht.
Il Pescatore Heute
Als Michele Russo 2017 nach Füssen kam, um seinem Bruder zu helfen, dachte er keinen Augenblick daran, das gastronomische Erbe seines Bruders anzutreten. Jetzt ist er der Gastgeber, der seine Gäste mit den selbstgemachten Nudelspezialitäten und Fischgerichten verwöhnt, die Alina und Irinel in der Küche zubereiten.
Ihre Kochkünste haben sie Filippo Russo zu verdanken, der ein guter aber strenger Lehrer war. Michele Russo ist gerne im Service. Unterstützung findet er in seiner Freundin Lisa, die ihm vieles abnehmen kann. „Ich bin einfach dankbar, dass ich ein so wunderbares Team habe. Sie sind der Motor“, so Michele Russo, der so ganz anders ist als sein großer Bruder. Es strahlt Ruhe und Gelassenheit aus.
An der bewährten Rezeptur des „Il Pescatore“ hat Michele Russo so gut wie nichts verändert. „Es sind Kleinigkeiten, die nicht sofort ins Auge fallen, wie zum Beispiel die Speisekarte oder das eigene Olivenö und der Wein, der nach meiner Tochter Stella benannt wurde“, zählt Michele Russo auf.
Seine Philosophie, das Beste an Zutaten ist gut genug, hat mit seiner Einstellung zum Essen zu tun. „Jedes Lebensmittel erfordert Ressourcen wie Wasser, Energie, Boden und menschliche Arbeitskraft. Gemüse, Fleisch und Fisch entstehen nicht „einfach so“ – hinter jedem Produkt steckt ein langer Weg von der Erzeugung bis zum Teller. Das schätze ich“, so Russo.
Zweimal im Jahr ist das Restaurant geschlossen. Dann ist Betriebsruhe. „Wir brauchen diese Zeit, um Energie zu sammeln. Henry Ford sagte, dass der größte Feind der Qualität die Eile sei. Die wollen wir nicht verlieren, deswegen machen wir das so wie es Elizabeth Barrett Browning sagt: Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause“, schmunzelt Russo. Damit hat der Gastronom wohl recht.
Il Pescatore
Franziskanergasse 13
87629 Füssen
08362 92 43 43
info@ilpescatore-fuessen.de
www.ilpescatore-fuessen.de
Text: Sabina Riegger · Fotos: Riegger / privat



