
Bitterstoffe (Teil 2)
„Bitter macht das Herz froh.“ Auch, wenn das etwas seltsam klingt, aber wie ich das in meinem letzten Artikel schon beschrieben habe, ist der Zusammenhang zwischen Verdauungsorganen und dem Herzen sehr erstaunlich. Und hier spielen die Bitterstoffe durchaus eine große Rolle, ich beschreibe das mal ganz einfach: Darm gesund – Herz gesund!
Wie schon Paracelsus sagte, sind unsere Verdauungsorgane der „innere Alchimist“, dem wir ein langes Leben, Gesundheit und Lebensfreude verdanken. So wie ein Samenkorn natürlich nur gedeihen kann, wenn es auf fruchtbaren Boden fällt, wird eine gute, wenn nötige, medizinische Therapie nur dann perfekt wirken, wenn sich das Milieu im Inneren im Gleichgewicht befindet.
Unser Stoffwechsel, das Immunsystem und sogar unsere psychische Gesundheit werden direkt von der Fitness unseres Verdauungstraktes beeinflusst.
Wer heutzutage bittere Lebensmittel in seinen Speiseplan integrieren möchte, muss sich schon genau umsehen. Wie ich bereits erwähnt habe, wurden leider sehr, sehr viele Obst- und Gemüsesorten durch jahrelange Zucht ziemlich stark verändert, um wohl unserem Geschmack zu schmeicheln. Aber Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente gingen dabei dadurch auch verloren, gegenüber den ursprünglichen oder wilden Sorten. Ist das nicht wirklich schade?
Ich gebe ja zu, das „Bittere“ ist bei den meisten Menschen nicht so sehr beliebt, aber ich finde, man kann sich durchaus wieder daran gewöhnen, wenn man den gesundheitlichen Aspekt betrachtet, oder?
Bitterstoffe haben einige Pflanzen sozusagen „entwickelt“, um sich vor Fraßfeinden zu schützen und zu signalisieren, dass sie ungenießbar oder sogar giftig sind. Das ist für die Bitterpflanzen, die ich Ihnen vorstellen möchte, Gott sei Dank nicht zutreffend, diese kann man bedenkenlos, natürlich nur in Maßen, genießen. Ich möchte Ihnen mal vorab einige Nahrungsmittel, Gewürze und Kräuter nennen, die, wenn sie von guter Qualität sind, durchaus noch die erwünschten Bitterstoffe enthalten.
Bitteres Gemüse: Artischocken, Brokkoli, Rosenkohl, Aubergine, Spargel, Spinat, Fenchel, Sellerie, Radieschen
Bittere Salate: Rucola, Endivie, Chicorée, Radicchio
Bittere Getränke, auch als Tee: Baldrian, Wermut, Enzian, Löwenzahn, Pfefferminze, Schafgarbe, Mariendistel, Kamille
Bitteres Obst: Grapefruit, Zitrone, Pomelo, Kumquat
Bittere Gewürze: Kümmel, Kurkuma, Zimt, Ingwer, Senfkörner, Anis
Wer einen eigenen Garten hat oder sogar ein Gewächshaus, ist eindeutig im Vorteil, bei mir hat gerade der Rucola den Vorrang, aber es gibt auch andere gute Bezugsquellen. Und manches wächst bei unserem Klima dann halt doch definitiv nicht.
Jetzt geht es mal richtig zu den Kräutern, zum Teil schon oben erwähnt:
Wermut (Arthemisium absinthium), auch manchmal unter den Namen Gemeiner Wermut, Wermutkraut oder Bitterer Beifuß bekannt, gehört er zu der Familie der Korbblütler.
Zugegeben, als Tee getrunken ist er schon etwas gewöhnungsbedürftig, deshalb fange ich erst mal mit der etwas sanfteren Variante der Heiligen Hildegard von Bingen an, die man geschmacklich durchaus mit sehr bekannten italienischen Aperitif – Getränken vergleichen kann. Sie schreibt dazu:
„Wenn der Wermut frisch ist, dann zerstampfe ihn und presse durch ein Tuch den Saft aus. Dann koche Wein mit Honig- aber nicht zu stark – und gieße so viel in den Wein, daß der Saftgeschmack den Weingeschmack und den Honiggeschmack übertrifft. Das trinke vom Mai bis Oktober nüchtern (vor dem Frühstück) jeden dritten Tag. Es beseitigt in dir die Nierenschwäche (Lanksucht) und die Melanche (Schwarzgalle)und klärt deine Augen und stärkt dein Herz und läßt nicht zu, dass deine Lunge krank wird. Es wärmt den Magen (Darm) und reinigt die Eingeweide und bereitet eine gute Verdauung.“
Ich liebe ja diese mittelalterlichen Texte, die man heute durchaus noch verstehen kann, aber ich werde Ihnen diesen Trank gerne nochmals für unsere Zeit vorstellen. Der Wermuttrank, oder manchmal auch als Maitrank bezeichnet, wird von Hildegard eben als Frühjahrskur empfohlen, allerdings von Mai bis Oktober.
Das klingt erstaunlich lang, aber, wenn Sie sich die vielfältigen Wirkungen vor Augen führen, macht das tatsächlich Sinn. Schwierig ist es nicht, ihn sich auch selbst herzustellen, mit 40 ml Wermut – Saft, 1L Wein und 150 g Honig. Für die fertige Variante, die es zu kaufen gibt, braucht es für die komplette Kur etwa 6 Flaschen zu je 500 ml.
Die Dosierung ist zwar ungewöhnlich, aber denkbar einfach: jeden dritten Tag morgens nüchtern 1 Likörglas oder, wie wir in Bayern sagen würden, 1 Stamperl trinken. Also zwischendrin einfach einen Tag Pause machen. Man könnte wirklich sagen, dass das ein echtes Universalmittel ist, wie oben schon gelesen.
Alle inneren Organe, besonders die Niere, können nur davon profitieren. Außerdem hat man inzwischen festgestellt, dass der Wermut-Trank auch sehr gut gegen Pollenallergie hilft. Für dieses Jahr ist es sicher leider schon zu spät, aber vielleicht können Sie dann gleich schon im nächsten Winter damit anfangen, da ist eine frühe Einnahme, z.B. bereits im Februar sicher sinnvoll, um lästigen Beschwerden wie Niesreiz, Augen tränen oder gar Atemnot vorzubeugen, die ja sicher jeder Allergiker kennt und darunter leidet.
Übrigens: diese Allergien müssen nicht unbedingt schon im Kindesalter entstanden sein, bei mir ging das tatsächlich erst mit Mitte 50 los, davor hatte ich nie etwas! Liegt vielleicht auch an unserer Umwelt… Nicht jammern, handeln!
Nun möchte ich doch noch einmal zum Wermutkraut bzw. – tee zurückkommen, der sich sehr gut bewährt hat, wenn der Magen einmal „streikt“. Die vielen enthaltenen Bitterstoffe wirken ganz hervorragend auf die Verdauung, fördern den Appetit, bekämpfen angeblich sogar Kopfschmerzen und entgiften die Leber.
Im alten Griechenland war die Pflanze der jungfräulichen Jagdgöttin Artemis geweiht, davon leitet sich der lateinische Name ab. In der mittelalterlichen Klostermedizin war der Wermut auch häufig anzutreffen. Sein aromatischer Geruch sollte wohl die lästigen Motten und Mäuse vertreiben?
Also, was man definitiv sagen kann, ist, dass der Wermut in der Volksmedizin schon ganz lange als herausragendes Magenmittel beschrieben wurde. Schon in kleinen Dosen werden die Verdauung und die Drüsentätigkeit optimal angeregt.
Was nun ganz neu erforscht wird, ist der Einsatz als „Burn-out-Medizin“. Das war mir bis jetzt tatsächlich auch nicht bekannt, wäre aber doch wirklich super, denn viele Menschen leiden aufgrund unserer schnelllebigen Zeit unter diesen Beschwerden, die man durchaus nicht als „Einbildung“ abtun sollte. Gerade die Bekämpfung von chronischer Müdigkeit, Schlafstörungen, Förderung des Gallenflusses und Minderung der allgemeinen Schwäche könnten den Betroffenen bestimmt Linderung verschaffen.
Allerdings würde ich da momentan von Selbstexperimenten dringend abraten, denn der berühmte Maler Vincent Van Gogh hat sich wohl angeblich im Rausch mit Absinth (hochprozentiger Wermut, das gefährliche Nervengift Thujon enthält) das linke Ohr abgeschnitten.
Die normalen Anwendungsweisen wie nach der Heiligen Hildegard oder mal eine Tasse Tee sind in Ordnung. Und denken Sie einfach auch einmal an die oben erwähnten Salate oder Obst-und Gemüsesorten, um Ihren Körper gesund zu erhalten.
Bleiben Sie bitter
Ihre Apothekerin
Simone Wagner



