KulturLeben

Das „Fluidum von Bannwaldsee“

75. Gründungsjubiläum der Gruppe 47 und 120. Geburtstag von Ilse Schneider-Lengyel

Am 6./7. September 2022 jährt sich zum 75. Mal das Gründungstreffen der Gruppe 47 am Schwangauer Bannwaldsee. Dieses Treffen im Haus der Fotografin, Kunsthistorikerin, Ethnologin und Dichterin Ilse Schneider-Lengyel (1903-1972) war ursprünglich als Redaktionskonferenz für eine neue literarische Zeitschrift mit dem Titel „Der Skorpion“ geplant. In zwanglosem Rahmen und mit der charismatischen Gastgeberin entwickelte es sich im Verlauf beider Tage zu einem Vorlese- und Diskussionsforum für unveröffentlichte Texte. Diese Zusammenkunft sollte die Geburtsstunde jener losen, bald schon überaus medienbewussten Vereinigung werden, die unter dem Namen Gruppe 47 in die Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist.

Das Treffen auf dem Seegut Ilse Schneider-Lengyels blieb den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als beinahe paradiesisch im Gedächtnis: anregende Gespräche unter Gleichgesinnten, entspannte Badefreuden, gutes Essen und Trinken. Ein halbes Jahr zuvor hatte Herausgeber Hans Werner Richter die aus dem französischen Exil an den Bannwaldsee zurückgekehrte Schneider-Lengyel eingeladen, regelmäßig für die Zeitschrift „Der Ruf“ zu schreiben.

Ilse Schneider-Lengyel ist aufgrund ihrer zahlreichen und in mehrere Sprachen übersetzten Bücher für große Kunstverlage ein Beispiel für eine Vielzahl von bedeutenden Fotografinnen der 1920er und 1930er Jahre, die sich in einer Männerdomäne zu behaupten wussten. Als sich selbst so bezeichnende „Lichtbildnerin“ hatte sie eine große Eigenständigkeit darin entwickelt, unterschiedlichste Werke der skulpturalen bildenden Kunst in ein verlebendigendes Licht zu rücken. Dass sie nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland als Fotografin in Vergessenheit geriet, war vor allem dem unfreiwilligen Exil nach 1933 geschuldet, aber auch der Geschichtsvergessenheit der „Wirtschaftswunderjahre“.

Angeregt durch den Austausch mit überwiegend jüngeren Autoren und Autorinnen der „Gruppe 47“ und anderen Persönlichkeiten, erarbeitete sie sich in der Literaturszene als dem französischen Surrealismus verpflichtete Schriftstellerin eine eigenständige Position, wie etwa in ihrem Gedichtband „september-phase“ (1952). Die Freundschaft mit Kronprinz Rupprecht von Bayern zeigt die enge Verbundenheit Ilse Schneider-Lengyels mit dem Haus Wittelsbach, die ihren (künstlerischen) Niederschlag in einer Fotoserie von dessen Kunstsammlung in Schloss und Park Berchtesgaden und später in einer unveröffentlicht gebliebenen Biografie über den Kronprinzen gefunden hat. Aus Anlass des Jubiläums und des 120. Geburtstages Ilse Schneider-Lengyels am 10. Januar 2023 präsentiert die Gemeinde Schwangau im Schlossbrauhaus seit dem 31. Juli ihre bereits 2017 realisierte Rollup-Ausstellung „Ich bin als Rebell geboren“ zu Leben und Werk Schneider-Lengyels. Die Ausstellung wurde kuratiert vom Frankfurter Büro Drummer und Arns Historiker GbR und kann noch bis einschließlich 5. Januar 2023 unentgeltlich besucht werden. Nach Stationen in Schwangau, Altenbeuern, Reichenau und zuletzt in der Universitätsbibliothek Augsburg kehrt die Schau nunmehr zurück in das Dorf der Königsschlösser.

Zum Gründungsdatum der Gruppe 47 lädt die Gemeinde unter dem Titel Das „Fluidum von Bannwaldsee“ am 7. September 2022 zu einer Veranstaltung. Die Finissage findet am 5. Januar 2023 statt und wird derzeit geplant.

Der Eintritt für die Veranstaltung am 7. September ist frei.

Text: Alfons Maria Arns und Heike Drummer
· Foto: Bayerische Staatsbibliothek

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