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Blähungen –(k)ein Tabuthema?

Niemand kann wohl ableugnen, dass die im medizinischen Fachbegriff auch Flatulenz genannten Luftentweichungen aus dem Darm, besonders wenn andere Personen anwesend sind, uns doch peinlich berühren. Da kann auch die sehr nett gemachte Fernsehwerbung für ein pflanzliches Präparat in Kapselform mit Pfefferminz- und Kümmelöl gegen Blähungen, bei der am Schluss ein „pupsender“ Mops vorkommt, nur dazu anregen, etwas gegen das Problem zu tun. Und es gibt wirklich vieles, das hier helfen kann. Übrigens: Dem Mops ist es im wahrsten Sinne des Wortes „pups-egal“…

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Wie entstehen diese Beschwerden eigentlich? Im Prinzip ist es ein ganz natürlicher Vorgang, denn im Zuge der Verdauung von Speisen entwickeln sich ganz automatisch Gase, pro Tag von 500 bis zu 1500 ml. So wird z.B. Kohlendioxid im Magen oder Wasserstoff und Methan im Darm gebildet. Wird es dann zu viel, kommt es zu spürbaren Blähungen, und diese Luft muss irgendwann den Körper verlassen.

Eigentlich sind das durchaus normale Prozesse, doch sie sorgen bei vielen Menschen für Schamgefühle, selbst beim Arzt. Blähungen gehören zu den Top Ten der peinlichen Beschwerden. Früher sah man es wohl noch anders, denn einer der berühmtesten Sprüche des Reformators Martin Luther soll gelautet haben: „Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?“

Wenn jetzt allerdings Symptome wie ein harter, schmerzender Blähbauch, auch Meteorismus genannt, Durchfall oder Verstopfung, laute Darmgeräusche oder Darmwinde häufig quälend mit dazu kommen, sollte man das durchaus beim Arzt abklären lassen, denn dahinter könnte auch ein Infekt, eine ernste Erkrankung oder ein Reizdarm stecken. So schlimm muss es natürlich nicht immer sein, zu den häufigsten Auslösern gehören Hektik im Alltag oder hohe psychische Belastung, das heißt Stress und Sorgen können die Verdauung schnell mal aus dem Lot bringen.

Als Beispiel: Wer in Eile isst, schluckt vermehrt Luft mit, die die Blähungen noch verstärkt. Aber auch diejenigen, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und dann abends direkt aufs Sofa überwechseln, brauchen sich über einen Gasstau nicht zu wundern!

Die Ernährung spielt ebenfalls eine große Rolle. Natürlich ist ein ausgewogener Speiseplan mit Gemüse, Früchten und Ballaststoffen gut für die Darmflora, aber erstens verträgt nicht jeder alles und zweitens kann auch ein „Zuviel“ an bestimmten Produkten wie z.B. Vollkornbrot durchaus Beschwerden machen. Kohlgemüse werden bekömmlicher durch die Zugabe von Kümmel oder Fenchel. Hülsenfrüchte („Bohnen, Erbsen, Linsen…“), so der bekannte Spruch, blähen weit weniger, wenn sie eingeweicht oder mit etwas Natron gekocht werden. Zuckeraustauschstoffe wie Xylit oder Sorbit können in höheren Dosen gasbildend wirken und auch über kohlensäurehaltige Getränke gelangt Luft in den Darm, die ja irgendwie wieder heraus muss.

Die bekanntesten nicht pflanzlichen Präparate sind sog. „Entschäumer“, die nicht auf chemischem, sondern auf rein physikalischem Wege wirken. Bei Blähungen werden Gasbläschen im Darm gebunden, denn sie bilden mit dem Nahrungsbrei einen feinen Schaum, der für die quälenden Beschwerden sorgt.

Bestimmte Stoffe wie z.B. Simeticon, das zu den Makromolekülen gehört, sorgen dafür, dass sich die Oberflächeneigenschaften dieser Gasbläschen verändern. Der Schaum wird in freies Gas verwandelt, das dann vom Körper ausgeschieden wird. Ich vergleiche es gerne damit: Sie haben ein frisch gezapftes Bier mit einer wunderschönen Schaumkrone und halten Ihren Finger hinein. Was passiert? Der Schaum fällt in sich zusammen. So kann man sich das in etwa vorstellen. Rechtzeitig verwendet, kann sogar der Bläschenbildung vorgebeugt werden.

Im Bereich der Naturheilkunde gibt es natürlich auch vielfältige Möglichkeiten, diese lästigen Beschwerden zu behandeln oder zu unterbinden. Beginnen möchte ich wie immer gerne mit der Heiligen Hildegard von Bingen. Was schreibt sie dazu: „Wer gebratenes Fleisch oder sonst etwas Gebratenes isst und davon Schmerzen bekommt, der esse sogleich Fenchelkraut oder -samen, und er wird weniger leiden.“

Die moderne Variante sind Fenchel-Kautabletten, die sehr praktisch anzuwenden sind, einfach lutschen oder zerbeißen. Eine ganz besondere Bedeutung spielt der Fenchel in Kombination auch mit Galgant, zugehörend zu den Ingwergewächsen, beim „Roemheld-Syndrom“, benannt nach dem Mediziner, der dieses erstmals 1912 beschrieben hat.

Was ist das genau? Der Internist Ludwig Roemheld (1871-1938) erforschte reflektorische Herzbeschwerden, die durch übermäßige Gasansammlungen im Magen oder Darm entstanden sind. Das Besondere hierbei ist, dass in diesem Zusammenhang das Zwerchfell so stark nach oben gedrückt wird, dass es einen direkten Einfluss auf das Herz nimmt. Es können verschiedene Beschwerden entstehen, die tatsächlich einem Angina pectoris (Brustenge) – Anfall ähneln können. In ganz schweren Fällen kann es sogar bis zu einer kurzzeitigen Ohnmacht kommen. Da könnte es einem wirklich angst und bange werden!

Bei diesen gastrokardialen Schmerzen hat sich eben die Mischung von Fenchel und Galgant hervorragend bewährt, da durch den Fenchel eine Verstärkung der krampflösenden Wirkung des Galgants eintritt. Dreimal täglich 1 Tablette langsam im Mund zergehen (wichtig!) lassen. Der Effekt ist wirklich verblüffend. Bereits nach wenigen Minuten kommt es zu Aufstoßen, oder ein Wind geht ab, und der ganze Druck im Oberbauch ist verschwunden. Wenn es tatsächlich diese Ursache war, ist der Spuk sehr schnell vorbei, ansonsten ist selbstverständlich medizinische Hilfe schnell von Nöten.

Im Bereich der Biochemie, sprich der sog. „Schüßler-Salze“, wäre bei anhaltenden Beschwerden eine „Darmpflegekur“ sicherlich sinnvoll: Nr. 7 Magnesium phosphoricum D 6: Nervenstärkung, Darmperistaltik Nr. 8 Natrium chloratum D 6: Flüssigkeitshaushalt, Schleimhaut Nr. 10 Natrium sulfuricum D 6: Funktionsmittel des Darms, bei Reizdarm zusätzlich: Calcium phosphoricum D6 Je 5-7 Tabletten pro Tag, Kurdauer mindestens 4-6 Wochen.

Auch aus der Homöopathie sind einige Mittel bekannt:

  • Nux vomica (Brechnuss): für Menschen, die reizbar und gestresst sind, sog. „Manager-Typen“. Wir Älteren kennen vielleicht noch aus der Zigaretten-Werbung das „HB-Männchen – wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Das Völlegefühl, die Schwere im Bauch, krampfartige Beschwerden und auch saures Aufstoßen werden gelindert.
  • Carbo vegetabilis (Holzkohle): Auslöser sind gerne fette Speisen. Symptome sind viele Blähungen, Völlegefühl und Sodbrennen. Begleitend sind gerne Frostigkeit und saurer Schweiß.
  • Lycopodium (Bärlapp): durch Überessen verursacht. Das äußert sich gerne durch sehr starke Blähungen, Völlegefühl und Schwere im Bauch. Man fühlt sich furchtbar aufgetrieben und die Luft befindet sich sowohl im Bauch als auch in den Gedärmen und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie sobald wie möglich abgeht – wenn niemand da ist…

Pflanzen zur Unterstützung der Verdauung gibt es viele. Außer den bereits oben genannten, sei es als Tee, in Mischungen oder anderen Zubereitungen können folgende zur Anwendung kommen: hierzu gehört die Kamille, die Engelwurz- oder auch Angelikawurzel, der Löwenzahn, der Wermut, Oregano, Anis, Majoran, Kardamom, die Nelke, der Ingwer, die Curcumawurzel, um nur einiges zu nennen.

Schön ist es, die Gewürze den entsprechenden Gerichten anzupassen, damit das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden werden kann und es auch noch gut schmeckt. Man denke an indische Linsengerichte, die durch Curry-Pulver nicht nur leckerer, sondern auch besser verdaulich werden. Auch Heilerde in Form des Pulvers oder auch in Kapselform kann Blähungen sehr gut lindern. Hier ist ebenfalls die große Bindungskapazität wunderbar von Vorteil. Vorsicht nur: Bitte ausreichend Abstand zu anderen Medikamenten halten, da sie sonst schwächer wirken können!

Hoffentlich machen Ihnen Blähungen jetzt keine Angst mehr und wenn ja, denken Sie an den Mops!

Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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