
Fatimah Jasem kommt aus Syrien und lebt seit zehn Jahren in Füssen
Im Jahr 2015 war Syrien Herkunftsland mit 326.900 Zuzügen und stellte mit Abstand die größte Gruppe der Zugewanderten. Fatimah Yasem und ihre Kinder waren auch darunter. Seit fast zehn Jahren leben sie in Füssen, ihrem Lebensmittelpunkt, wie die 39-Jährige sagt.
Der Start in einem fremden Land war für die mittlerweile fünffache Mutter alles andere als leicht. „Meine Kinder waren damals noch sehr klein. Das jüngste Kind war sechs Monate alt, das andere knapp über einem Jahr und die beiden älteren fünf und sieben. Zu viert sind wir aus Syrien geflohen. Erst in die Türkei und dann mit dem Schlauchboot nach Griechenland.“
Angst, dass sie alle ertrinken könnten, hatte sie. „Aber es blieb uns nichts anderes übrig. Wir hatten nichts mehr. Keine Wohnung, keine Möbel, keine Teller, es war nichts mehr da“, beschreibt sie ihre Lage. Um fliehen zu können verkaufte sie alles, was sie hatten. „An eine Rückkehr war nicht zu denken. Ich musste nach vorne blicken und ich sagte mir immer wieder, dass wir nicht ertrinken werden.“
Es war eine berechtigte Angst. Normalerweise hätten nur 15 Menschen Platz gehabt in dem Boot, letztendlich waren darin 60. „Viele hatten zwei bis drei Taschen dabei. Die wurden allerdings später über Bord geschmissen, sonst wäre das Boot gesunken.“ Fatimah und ihre Kinder hatten Glück. Sie haben es geschafft.
Heute ist die fünffache, alleinerziehende Mutter Pflegehelferin. Ihr fünftes Kind ist in Füssen geboren. Sie hat in Deutschland ihren Führerschein gemacht und sich ein Auto gekauft, damit sie und ihre Kinder mobil sind. Einige Dinge haben sich in ihrem Leben verändert. Vor fünf Jahren ließ sie sich scheiden und startete noch einmal durch.
„Es ist nicht immer einfach, aber meine Kinder und ich sind ein gutes Team“, erzählt sie. Nach Syrien will sie nicht zurück, und auch ihre Kinder nicht. „Unser Lebensmittelpunkt ist hier“, meint sie. „Manche Menschen stellen sich das vielleicht einfach vor wenn sie sagen, geht doch wieder zurück nach Syrien. Zum Glück sagen das nicht viele. Aber wir haben in Syrien nichts mehr. Wir müssten in Syrien von vorne anfangen. Die Kraft dafür habe ich nicht mehr.“
Man sieht es Fatimah Yasem an, wie sie die Geschichte mitnimmt, die Flucht, die ihr, auch noch nach zehn Jahren, nahe geht. Ihre Mutter und der Bruder sind in Syrien geblieben. Sie will sie besuchen gehen – es wäre ein Wiedersehen nach zehn Jahren.
Als Fatimah Yasem nach Deutschland kam, hatte sie ihre Haare noch unter einem Kopftuch. „Es hat mich gestört, dass die Leute hinter meinem Rücken getuschelt haben. Also habe ich das Kopftuch irgendwann abgelegt“, erzählt sie. Im Herzen bleibt sie das, was sie ist, eine emanzipierte Mutter, die ihren Kindern Werte vermittelt, die auf der Welt gleich sind.
„Das ist viel wichtiger und bedeutender,“ so ihre Meinung. Sie und ihre Kinder haben sich in Deutschland integriert. Der älteste Sohn macht gerade eine Ausbildung im Einzelhandel und die anderen Kinder gehen in die Schule. Fatimah Yasem selbst überlegt, ob sie später noch eine Ausbildung als Altenpflegerin machen sollte.
„Jetzt ist das noch nicht möglich – aber ich denke darüber nach. Meine Tochter beginnt bald ihre Ausbildung als Krankenschwester.“ Die 39-Jährige ist dankbar dafür, dass es ihnen gut geht und dass sie eine Zukunft haben. „Ich bin auch froh einen super Arbeitsplatz zu haben der mir vor allem Spaß macht. Ich komme so gerne hierher. Ich habe in meinem Job Freunde und Freundinnen gefunden. Wir haben eine schöne Wohnung, angenehme Nachbarn, … was will ich mehr.“
Text · Foto: Sabina Riegger



