
Manfred Wodarczyk hört nach 25 Jahren auf. Nachfolger oder Nachfolgerin für die Veranstaltung gesucht
Wer ins Mittelalter eintauchen will, kann das heuer zum 22. Mal beim Schongauer Sommer tun. Im August kehren sie auf den Volksfestplatz am Westufer des Lechs zurück: die Ritter, Gaukler und mittelalterlichen Handwerker, die Akrobaten, Musikerinnen und Musiker.
Längst ist der Historische Markt mit seinen Theateraufführungen über die Landesgrenzen hinaus bekannt und das größte Mittelalterfest seiner Art im Allgäu. Eine Erfolgsgeschichte. Dennoch wird es den Schongauer Sommer, so wie man ihn kennt, dieses Jahr zum letzten Mal geben.
Keine leichte Entscheidung, wie Manfred Wodarczyk, Alleinorganisator des Festivals und 1. Vorsitzender des gleichnamigen Vereins, jetzt berichtete.
Zum 22. Mal wird in diesem Jahr der Volksfestplatz zum Zentrum mittelalterlichen Spektakels, Lagerlebens sowie von Kunst und Handwerks. Die Vorbereitungen für den Historischen Markt 2024 laufen bereits auf Hochtouren.
„Gestern haben wir die Schilder rund um Schongau aufgestellt. Dafür musste ich Holzpflöcke in den Boden schlagen. Die Arbeit macht mir Spaß. Aber auf der Leiter stehen und den schweren Hammer schwingen, eigentlich hatte ich gehofft, diese Arbeit nicht mehr machen zu müssen“.
Schließlich wird der Hohenfurcher eine Woche nach dem Spektakel 68 Jahre alt. Seit 25 Jahren ist er im Vorstand des ehrenamtlichen Vereins, der offiziell hinter der Organisation steht. Genauso lange steckt Wodarczyk aber auch als One-Man-Show sein ganzes Herzblut in das Projekt Schongauer Sommer mit Historischem Markt. Markt und Historisches Festspiel, denn seit 2001 fanden auf seine Initiative hin auch rund 25 Theateraufführungen statt.
Kaum jemand ahnt, wie viel Arbeit hinter den Festspielen steckt und welche Verantwortung auf den Schultern des einzigen Organisators lastet. „Jedes Jahr gehen wir als ehrenamtlich organisierter Verein mit einer sechsstelligen Summe in Vorkasse.“ Weit über 100.000 Euro an Kosten sind 2023 angefallen. Allein Wasser und Strom schlugen mit 8.500 Euro zu Buche. Auch für die Künstler, deren Unterbringung und Verpflegung, Technik, Bühne und Zelte, Security, Bauzäune, Toiletten, Auf- und Abbau werden größere Summen fällig. „Wer gute Künstler will, muss Geld in die Hand nehmen“.
Nicht zu vergessen, dass es sich um ehrenamtliches Engagement handelt. Bis Wodarczyk in Rente ging, stemmte er die Planung neben seiner Arbeit, nachts und am Wochenende. Für den Schongauer Sommer war er jedes Jahr 15.000 bis 25.000 Kilometer in ganz Deutschland unterwegs, um persönliche Kontakte zu pflegen und neue Teilnehmer kennenzulernen.
Spätestens hierbei merkt man, mit welche großer Leidenschaft der 67-Jährige noch immer für das Fest brennt. So hat er sich auch um Kooperationen gekümmert, wie zum Beispiel mit der Klosterbrauerei Andechs. „Die Brauerei Andechs braut speziell für den Schongauer Sommer zum zweiten Mal jetzt ein helles, naturtrübes Bier. Dafür stellen sie uns auch einen Kühlwagen mit vier Tanks zur Verfügung. So gibt es auf dem Historischen Markt immer ein frisch gezapftes, kühles Bier.“
Schongaus Bürgermeister Falk Sluyterman bezeichnete Manfred Wodarczyk als „Motor des Schongauer Sommers“. Das war 2022, als er ihm den Schongauer Ehrenamtspreis überreichte. Merkwürdig nur, dass sich die Zusammenarbeit mit der Stadt dennoch zum Teil als sehr schwierig gestaltete. „In einer Stadtratssitzung hieß es, weder der Historische Markt noch das Historische Fest seien ein Gewinn für Schongau“, so Wodarczyk.
Dementsprechend könne der Preisträger auch nicht mit einem höheren Zuschuss der Kommune rechnen. Insgesamt seien nur noch rund 40 Prozent der Förderer und Sponsoren übrig geblieben. Wie bei vielen anderen Vereinen auch sind Helfer schwer zu finden oder zu motivieren. Als er den Vorsitz übernahm, hatte Wodarczyk mit 3,50 Mark angefangen und sukzessive darauf aufgebaut. Die vermeintliche finanzielle Unterstützung von der Stadt Schongau, das waren 5000 Euro im Jahr, gingen für die städtischen Bauhofkosten drauf, die dem Verein in Rechnung gestellt wurden.
Dennoch fand sich in den vergangenen Jahren niemand, dem er das Mittelalter-Festival ruhigen Gewissens übergeben möchte. „Ich übergebe den Schongauer Sommer niemandem, der nicht das hat, was ich habe.“ (Er zeigt auf seine Brust) „Wenn du keine Leidenschaft dafür hast, ist der Schongauer Sommer in einem Jahr kaputt.“ Am 18. August ist für ihn also Schluss. Sollte sich ein Nachfolger finden, wäre er der Letzte, der seine Unterstützung verweigern würde.
„Aber ich für meinen Teil habe andere Pläne. Ich brenne noch. Aber ich brenne nicht mehr für den Schongauer Sommer und ich brenne nicht mehr für Schongau.“ Ein vergleichbares Projekt wird es aus seiner Hand nicht mehr geben, auch wenn der Name „Schongauer Sommer“ ein geschützter Begriff ist und Wodarczyk gehört.
Der Hohenfurcher könnte sich nun vorstellen zweitägige Musikveranstaltungen zu machen. Zum einen mit mittelalterlicher Musik, zum anderen mit Rock-Musik. In Schongau wird das dann allerdings nicht stattfinden.
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Mehr InformationenNachgefragt bei Falk Sluyterman v. L., Erster Bürgermeister der Stadt Schongau
Herr Wodarczyk sagt, dass die Stadt Schongau den Schongauer Sommer nicht genügend oder gar nicht unterstützt. Teilen Sie seine Meinung? Wenn nein, können Sie mir erläutern, wie Sie diese langjährige Veranstaltung unterstützen, z.B. finanziell oder mit Bauhofarbeiten? Wenn ja, warum ist das so?
Nach meinem Dafürhalten hat die Stadt Schongau bzw. ich als Erster Bürgermeister Herrn Wodarczyk bei der Durchführung des Historischen Marktes immer ausreichend unterstützt. Allein in den letzten zehn Jahren meiner Amtszeit hat der Schongauer Sommer e.V. Zuschüsse in Höhe von insgesamt 60.000 Euro von der Stadt Schongau für den Historischen Markt bzw. für die Aufführung der „Henkerstochter“ erhalten, wobei in diesem Zeitraum der Historische Markt coronabedingt zweimal ausfallen musste. Daneben wurde bzw. wird dem Schongauer Sommer e. V. der Volksfestplatz für die Ausrichtung des Historischen Marktes immer kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Aber auch in ideeller Hinsicht wurde Herr Wodarczyk von mir unterstützt: Im Jahre 2019 wurde von der Bürgerstiftung der Stadt Schongau entschieden, Herrn Wodarczyk den Ehrenamtspreis für das Jahr 2020 zu verleihen. Coronabedingt fand die von mir in meiner Funktion als Vorsitzender der Bürgerstiftung vorgenommene Verleihung erst im Rahmen einer öffentlichen Sitzung im Jahre 2022 statt. Die Bürgerstiftung hatte damals einstimmig beschlossen, Herrn Wodarczyk für sein großartiges Engagement für den Historischen Markt diese Auszeichnung zu verleihen. Die Presse hatte über diese Auszeichnung mehrfach berichtet.
Herr Wodarczyk wird dieses Jahr zum letzten Mal das Festival veranstalten, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es bislang nicht. Wie sehen Sie als Stadt Schongau diese Entwicklung? Immerhin ist es eine große und bekannte Veranstaltung die weit über Schongau hinaus bekannt ist. Können Sie sich vorstellen, dass der Tourismusverein diese Aufgabe übernimmt, wie schon ganz am Anfang?
Der Historische Markt hat für die Stadt Schongau, insbesondere was die Außenwirkung anbelangt, große Bedeutung. Insofern ist der Stadt natürlich daran gelegen, dass es auch ohne Herrn Wodarcyzk als 1. Vorstand des Schongauer Sommers e.V. diese Veranstaltung weiterhin geben wird. Allerdings wird man sich über das Format Gedanken machen müssen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob der Historische Markt nicht wieder – wie es bis 2013 der Fall war – in der wunderbaren Schongauer Altstadt ausgerichtet wird. Inwieweit dies der Schongauer Sommer e.V. auch ohne Herrn Wodarczyk leisten kann oder aber, ob andere Verantwortliche dies übernehmen werden, wird sich vermutlich in den nächsten Monaten klären.
Text: Selma Hegenbarth/Sabina Riegger
Fotos: Sabina Riegger (1), Stadt Schongau



