Kolumne

Schonungslos

Ich weiß nicht, ob ich es wirklich sagen kann, aber ich weiß nicht, worüber ich schreiben soll. Bestimmt breche ich gerade ein Tabu, aber es ist nun mal die schonungslose Wahrheit. Neben mir liegen meine Notizen. Ich schaue sie an. Immer, wenn mir etwas in den Sinn kommt, schreibe ich es auf. Egal wo, egal wann. Es sind Gedankengänge, Erfahrungen, Ideen. Aber über irgendetwas davon zu schreiben fühlt sich gerade nicht richtig an. Weil es sich beinahe so anfühlt, als hätte sich gerade ein gemeiner Knoten in meinem Kopf gebündelt, den ich nicht entwirren kann.

Wie angenehm es sein muss, Dinge nach Plänen zu konzipieren und zu konstruieren. Oder ist es das vielleicht doch nicht? Erstickt ein präziser Fahrplan vielleicht jegliche Kreativität? Ich weiß es nicht. Manchmal wünschte ich mir einen solchen Fahrplan. Wenn auch nur kurz. Nur für diesen einen Moment, zwischen der Leere und den ersten Fingerschlägen auf der Tastatur.

Aber diese Art Anleitung oder Plan gibt es nicht. Und so scheint der Wunsch, das erste, entscheidende Wort zu finden, manchmal schier unerreichbar. Kreativität lässt sich nicht erzwingen. Und manchmal macht einen das wütend. Dann fühlt es sich so an, als wäre man ihre Geisel. Das klingt vielleicht erschreckend, aber ja, es fühlt sich so an. Sie kommt und geht, wann sie will. Was steht gerade zwischen ihr und mir?

Ich habe gerade aufgehört zu schreiben und überlegt. Und ich denke, ich lag gerade falsch. Ich habe Unrecht getan. Denn ich bin nicht ihre Geisel, sondern Geisel meiner selbst. Denn ich sitze doch hier und schreibe. Und die Gedanken rauschen wieder durch. Vorhin wollte ich doch eigentlich nur diesen einen, ersten Satz schreiben, um meinen Frust loszuwerden, in der Hoffnung später doch noch einen Kuss der Muse zu erhaschen. Wenigstens einen kleinen.

Vielleicht verhält es sich mit der Kreativität wie mit einem Besuch in der Buchhandlung. Da ist dieser lange Gang, mit wunderschönen Holzregalen. Es riecht nach frisch gedruckten Büchern. Wir könnten warten, dass die Bücher den Weg zu uns finden, oder wir laufen durch die Gänge und holen uns die Bücher selbst hervor. Bücher sind wie Parallelwelten, die wir betreten dürfen. Und so ist es auch mit der Kreativität. Sie lässt Dinge entstehen und wachsen.

Ich wollte den ersten Satz löschen. Er sollte keine Basis sein. Und doch habe ich ihn gewählt, wie ein Buch aus dem Regal. Niemand gibt gerne zu, eine Blockade zu haben. Wie so vieles andere auch. Manchmal scheint es, als wäre alles bereits vordiktiert. Ja, wirklich, ich meine das im wahrsten Sinne des Wortes. Was wir am besten sagen, machen, zeigen, fühlen, anziehen und denken – wie wir aussehen und sein sollen.

Ich fühle mich gerade so, als hätte ich etwas überwunden. Denn es ist okay, mal nicht weiterzuwissen. Es ist okay, erschöpft zu sein, oder besorgt zu sein, oder nicht zu wissen, woran wir als erstes denken sollen, oder woran wir überhaupt denken sollen. „Don´t judge a book by its cover“ ,heißt es. Vielleicht ist es mit den Gedanken dasselbe.

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