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Die Kaiserlichen mit den schrägen Tönen

Noch länger als Schloss Neuschwanstein existiert der Fasching in Schwangau, das eben nicht nur als das Dorf der Königsschlösser, sondern wohl auch die Faschingshochburg in der näheren Umgebung bezeichnet werden darf. Denn obwohl sich die viel größere Nachbarstadt Füssen seit einigen Jahren wieder sehr redlich bemüht, beim närrischen Treiben der fünften Jahreszeit ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, kann sie Schwangau vermutlich noch lange nicht das Wasser reichen. Kein Wunder, kann der Ort zu Füßen von Schloss Neuschwanstein und Hohenschwangau salopp gesprochen doch auf eine wahrhaft königliche Karnevalstradition zurückblicken. Waren doch im Jahr 1869 während des Baues von Schloss Neuschwanstein Münchner Künstler und Handwerker die Initiatoren des Schwangauer Faschings.

Eine Einmaligkeit des Schwangauer Faschings ist neben den Gunglhosabenden mit Sicherheit die KWGK, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kapelle, eine Kapelle der gekonnt schrägen Töne, die 1977 gegründet wurde. 25 Mann gehören der Kapelle an, die alle eines gemeinsam haben, nämlich die ausgeprägte Geselligkeit, die während des Faschings fünf Tage lang dauert. Ihr Markenzeichen: Messing-Feuerwehrhelme und Feuerwehrjacken, wie sie einst die Schwangauer Feuerwehr trug.

Mit ihrem Potpourri aus vielen Musikstücken sind die „Meister der schrägen Töne“ überall gern gesehene Gäste, die laut auf sich aufmerksam machen. „Für uns ist das ein großer Spaß“, so Präsident Rudi Hahn, der fast jedes Instrument gekonnt spielt. Jedes Jahr schreibt er ein bis zwei neue Stücke, die dann geprobt werden. Selbst Bayerns damaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber lud 2002 die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kapelle nach München in die Staatskanzlei ein. „Das war schon etwas ganz Besonderes“, erinnert sich Rudi Hahn. Denn wer sonst kann im wirklichen Leben dem Ministerpräsidenten den Marsch blasen? Letztes Jahr hätte die Kapelle ihr 45-jähriges Jubiläum gefeiert. Groß feiern war allerdings nicht drin, „es war schließlich die Zeit der Pandemie. Ein bisschen sind wir allerdings dennoch durch die Straßen gezogen und haben gespielt“, so Rudi Hahn.

Nicht käuflich

Außerhalb des Faschings wird es um die KWGK sehr still. „Da sind wir sehr eigen, wir spielen nur am Fasching und das für eine Brotzeit. Über Spenden freuen wir uns sehr“, so der Präsident. In Füssen sind sie am „rußigen Freitag“ gern gesehene Gäste. Dann treten sie mit den Ratsherren der Schindau auf, mit denen sie seit vielen Jahren eine enge Freundschaft pflegen. Wie Fasching anderswo gefeiert wird, das haben die „Kaiserlichen“ schon miterleben dürfen, so zum Beispiel in Köln, Höchstadt oder Gernsbach, wo sie das Highlight des Karnevals bildeten. Ihr persönlicher Traum wäre allerdings Brasilien oder auch Irland am St. Patricks Day. „Karneval in Rio de Janeiro und wir mittendrin, das wäre schon etwas ganz Besonderes“. Schon alleine dieser Gedanke lässt Rudi Hahn schmunzeln.

Geschmunzelt und gelacht haben sicherlich die Gäste am Faschingssonntag 1977, als plötzlich ein wilder Haufen von spielenden Musikern im „Weinbauer-Saal“ aufmarschierte und volle Kanne spielte und zwar so laut, dass die Harmoniemusik Füssen, die dort aufspielte, jäh aufhörte. „Mir wollt’n de Fiassar oins auswische“ erzählten später die Gründungsmitglieder. Durch die Tischreihen im Takt von Kaiser Wilhelm vor zur Bühne, dem Publikum noch den Fuhrmanns-Marsch geboten und auf „schiefe Absätz und in jedem Stumpf a Loch“ wieder hinaus. Das war der erste inoffizielle Auftrag der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kapelle, die am selben Tag auch noch andere Wirtschaften besuchte und das Programm mit ihrer lauten Musik unterbrach und die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Das war auch die Geburtstunde der KWGK.

„Geprobt wird höchstens vier Mal im Jahr“, erzählt Rudi Hahn. Früher spielten die Herren einfach drauflos ohne Noten, so wie es jedem gefiel. „Deswegen bekamen wir auch den Namen Kapelle der schrägen Töne“, erklärt Hahn. Etwa 80 Prozent der Mitglieder der KWGK spielen in der Schwangauer Blaskapelle mit. Ein Zeichen, dass sie in Wirklichkeit gut spielen und ihre Instrumente nicht malträtieren. Neben dem musikalischen Können gibt es noch ein wichtiges Kriterium, auf das der Präsident großen Wert legt. „Einer für alle und alle für einen. Erst kommt der Auftritt und dann das Vergnügen.“
Eines ist klar, nach der langen Corona-Pause freut sich die Kapelle umso mehr auf den Fasching. Dann wird es wieder bunt, schräg und vor allem hat jeder Spaß.

Text: rie · Foto: Hubert Riegger

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