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Kein Gipfelerfolg am Manaslu

Extreme Bedingungen und schlechtes Wetter verhinderten Nicolas Scheidtweilers Skiabfahrt vom Achttausender

Wahl-Reuttener Nicolas Scheidtweiler wagte dieses Abenteuer gemeinsam mit Profibergsteiger Jost Kobusch. Damals hatte er bereits eine neue Idee im Köcher Diesmal ein Achttausender, nicht zu zweit, sondern in der Gruppe – und mit der abschließenden Abfahrt auf Skiern.

Nicolas Scheidtweiler – gebürtiger Paderborner, der nach zehntägigem Probewohnen in der Natur und seiner Bergbegeisterung wegen seinen Hauptwohnsitz nach Reutte verlegte – plante, ohne zusätzlichen künstlichen Sauerstoff den 8.163 Meter hohen und acht-höchsten Berg der Erde, den Manaslu in Nepal, zu besteigen. Und dann mit Skiern abzufahren. Er wäre damit der erste Deutsche auf dem „richtigen“ Gipfel des Manaslu gewesen. Und weil Nicolas Scheidtweiler nach wie vor überzeugter Wahl-Reuttener ist, auch der erste Außerferner, dem diese Ehre zuteil würde. Seite 2021 weiß man, dass die Stelle, die bislang als Gipfel des Manaslu betrachtet wurde, ein Vorgipfel ist und der Hauptgipfel etwa 30 Meter von dieser Stelle entfernt liegt. 2021 eröffnete ein Sherpa die Route zu diesem Hauptgipfel.

BANGEN UM GUTES WETTER

Um sein Vorhaben zu verwirklichen, kaufte sich Scheidtweiler in eine Agentur ein. „Auch, um die Sicherheit zu erhöhen“, erklärte er. Der Aufenthalt in Nepal war vom 30. August bis 8. Oktober gebucht. „Bis man ins Basislager kommt, ist jeder Tag komplett durchgetaktet.“ Während dieser Zeit bleibe nur sehr wenig Spielraum für „alpine Kreativität“. „Das war im Prinzip recht langweilig“, schildert der Bergsteiger. Insgesamt waren 104 Lizenzen für den Gipfel an verschiedenen Agenturen vergeben worden. In Nicolas Scheidtweilers Gruppe gab es neun Bergsteiger. Für jeden stand ein Sherpa bereit. Dazu kommen Köche, Campmanager und weitere Sherpas. „Ich hatte Glück, denn mein Sherpa war mein Freund Anup.“ Das Abenteuer begann in Katmandu mit einem ersten Kennenlernen. Von dort ging es Richtung „Manaslu Trail“ und weiter ins Basislager auf 4.300 Metern Höhe. „Bis dorthin wanderten wir eine Woche. Dann begann das lange Warten auf gutes Wetter“, erinnert sich Nicolas Scheidtweiler an die Anfangsphase. Es folgten die Akklimatisierung und das Aufsteigen zu den Lagern 1, 2 und 3. „Diese Phase ist wichtig, um den Körper vorzubereiten und ausreichend rote Blutkörperchen aufzubauen“, erklärt er. Von Lager 3 auf 6.600 Metern Höhe stieg die Gruppe wieder zum Basislager ab und absolvierte die sogenannte erste Rotation. Dann gab es nur noch ein Fenster mit gutem Wetter, eine zweite Rotation war aber nicht mehr möglich. „Leider“, wie Nicolas Scheidtweiler ergänzt.

Man stieg auf zu Lager 3, und dort ereignete sich ein großer Lawinenabgang, der Scheidtweilers Sherpa Anup das Leben kostete. „Ich war extrem fertig, sehr getroffen, konnte nicht mehr aufhören zu heulen“, erzählt er. „Anup war mein persönlicher Sherpa und mein Freund. Er wäre an meiner Seite gewesen, mit mir am Gipfel gestanden. Ich habe einen Freund verloren und ein Traum ist geplatzt.“

Zunächst hieß es, zurück ins Basislager, später noch einmal rauf, die Skier holen. Von Lager 3 auf Lager 2 fuhr man auf Skiern ab. Im Basislager tat sich noch einmal ein Wetterfenster auf, das einen Aufstieg zum Gipfel erhoffen ließ. Lager 4 sollte ausgelassen werden, der Aufstieg über die Lager 1, 2 und 3 und dann direkt zum Gipfel führen. „Bei Lager 2 war dann aber endgültig Schluss. Über Nacht hatte es zwei Meter geschneit, die Lawinengefahr war extrem. Es gab keine Chance auf den Gipfel, wir mussten umkehren“, beschreibt Scheidtweiler den zweiten Versuch. Der Abstieg war schwierig, ging an die Substanz. „Da waren auch Tränen dabei.“ Noch einmal war man unmittelbar mit einer Lawine konfrontiert, musste den Tod eines weiteren Sherpas miterleben. „Was wir da noch nicht wussten: Auch das Basislager war von einer Lawine getroffen worden. Sie hat das halbe Küchenzelt mitgerissen.“ Dann sei die Luft draußen gewesen, ergänzt er.

Den Hauptgipfel des Manaslu konnte er in diesem sehr ungewöhnlichen Jahr mit schlechten Bedingungen nicht erreichen. „Das ist schade. Ich werde von diesem Erlebnis nicht ewig zehren“, schließt er damit ab. Ob es diese Skiabfahr dennoch irgendwann geben wird? „Eher nicht“, war die Antwort, „so etwas zu machen, ist sehr aufwändig. Und die körperlichen Nachwehen sind auch nicht ohne.“

NEUES PROJEKT

Es wäre nicht Nicolas Scheidtweiler, hätte er nicht schon wieder die Idee für ein neues Projekt: „Ja, es wird etwas geben. 2024, wieder eine Erstbesteigung, wieder in Nepal und wieder
gemeinsam mit Jost Kobusch. Und es wird herausfordernd.“ Mehr wollte Nicolas Scheidtweiler nicht verraten.

Text: Sabine Schretter · Foto: privat

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