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“Sponge City – dem natürlichen hydrologischen Kreislauf nahe kommen”

„Wir müssen die Versorgung mit Trinkwasser jetzt nachhaltig sichern, nicht nur für uns, sondern vor allem auch für künftige Generationen“, mahnt Detlef Fischer. Das meint auch Helmut Schauer, der Leiter der Stadtwerke Füssen. Seit mehreren Jahren sind in einigen Regionen Bayerns sinkende Grundwasserpegelstände festzustellen. Sinkende Grundwasserstände durch niedrige Grundwasserneubildungsraten und Dürresommer sind auch in Bayern längst keine Seltenheit mehr. Der Klimawandel ist spürbar und bedroht auch die dauerhafte Sicherstellung der Wasserversorgung. Die bayerische Staatsregierung hat deshalb im letzten Jahr die Expertenkommission „Wasserversorgung in Bayern“, bestehend aus acht Professor*innen, einberufen. Auftrag der Kommission war es, Empfehlungen, Handlungsoptionen und Lösungsansätze für eine sichere Wasserversorgung zu erarbeiten. Der Bericht der Expertenkommission liegt nun vor und belegt deutlich die Auffassung des Verband der Bayerischen Energie und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW): Die leitungsgebundene Wasserversorgung in Bayern steht vor großen Aufgaben. „Das oberste Ziel der Wasserversorger ist es, für Bürger*innen und Wirtschaft weiterhin eine möglichst bedarfsgerechte Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten.

Füssen aktuell sprach mit Helmut Schauer über dieses Thema, das in der Zukunft einen hohen Stellenwert haben wird.

Herr Schauer, wie sieht die Lage bei uns im Ostallgäu bzw. in Füssen aus?
Die Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren in Bayern ist besorgniserregend. Das Defizit in den Regierungsbezirken schwankt zwischen minus 17 und minus 26 Prozent. Die Abweichungen jährlicher Mitteltemperaturen vom Durchschnitt des 20. Jahrhunderts (6,6 °C) lagen für das Ostallgäu in den letzten 5-6 Jahren bei plus 1,6 bis 1,8 °C. Im südlichen Teil des Regierungsbezirkes Schwaben ist die Ergiebigkeit der Grundwasservorkommen weniger oder wechselnd ergiebig. Gegen diesen Trend steht die Situation der Stadt Füssen zum jetzigen Zeitpunkt. Die Grundwasserströmung zu dem Fassungsgebiet in Alterschrofen (Brunnen) setzt sich aus drei Bereichen zusammen. Neben geringen Teilen der Pöllat und dem „Schwarzenberg“ dominiert hier der Alpsee. Das heißt bei mittleren Verhältnissen und jahresmittlerer Entnahmemenge zu 100 %. Da im vorliegenden Fall der Alpsee als Speicher wirkt, gleichen sich kurzzeitige Schwankungen der Niederschläge aus. Bei langfristig geringerem Niederschlag würde zunächst der Alpseewasserspiegel sinken und damit auch die Zuflussmengen in die Schwangauer Ebene (Brunnen Alterschrofen). Die Stadtwerke Füssen führen in regelmäßigen Abständen über Jahrzehnte hinweg eigene Pegelmessungen durch. Die aussagefähigsten Pegel zeigen keine pauschalen Grundwasserrückbildungen innerhalb der letzten 20 Jahre.

Hingegen haben andere Wasserversorger mit sehr niedrigen Pegelständen zu kämpfen. Der große Vorteil für Füssen ist, dass der Alpsee keinen großen direkten Abfluss hat, sondern unterirdisch das Schwangauer Becken speist. Ebenfalls sorgen die vielen (unterirdischen) Zuflüsse aus dem umliegenden Gebirge einschließlich der Schneeschmelze für ein ausreichendes Wasserdargebot. Trotzdem appellieren wir für einen sorgsamen Umgang mit Trinkwasser. Bei dauerhaften bzw. über einen längeren Zeitraum ausbleibenden Niederschlägen (besonders Schneefälle) kann sich die Situation für die Stadt Füssen auch zum Nachteil ändern. Daher spielt der Klimawandel und die Erwärmung eine entscheidende Rolle für die Grundwasserneubildung.

Sie haben in einem Vorgespräch über die sogenannten Sponge Cities gesprochen, auf Deutsch gesagt Schwammstädte. Was sind Schwammstädte?
Schwammstadt oder (englisch) Sponge City ist ein Konzept der Stadtplanung. Das Ziel einer Sponge City ist es, dem natürlichen hydrologischen Kreislauf möglichst nahe zu kommen. Dafür sollte die Versiegelung von Oberflächen, die einen erhöhten Abfluss mit sich bringt, vermieden werden. Ein erhöhter Grünanteil trägt zur Speicherung bei und kann wie in einem Schwamm das gespeicherte Wasser in Hitzeperioden wieder abgeben. Durch die Verdunstungskühlung von Bäumen, Wasserflächen, Vegetation und Böden, die durch das gespeicherte Wasser ausreichend bewässert werden, kann so eine deutliche Reduzierung der Temperaturen in Siedlungen erreicht werden. Die Begrünung von Dächern und Fassaden unterstützt diese Kühlungseffekte.

Welche Gewichtung werden diese Sponge Cities in Zukunft haben, gibt es sie bereits?
Eine große, denn durch die Klimakrise überhitzen Städte. Deshalb wird Kühlung überlebensnotwendig werden. Und da die Extremwettereignisse zunehmen, gewinnen die Schwammstädte immer mehr an Bedeutung. Die meisten Flächen in den Städten sind versiegelt, das Wasser kann nicht in den Boden versickern. Es wird in die Kanalisation abgeleitet. Mittlerweile greifen viele Großstädte weltweit das Konzept Schwammstadt auf, auch Berlin und Leipzig gehören dazu. In Asien, Vorreiter ist hier z.B. der Stadtstaat Singapur, und anderen Erdteilen ist das Thema bereits on Top. Wie in anderen Bereichen spielt auch hier der Faktor Zeit und Geld eine gewichtige Rolle. Beide allerdings sind ein rares Gut.

Bebauung ist ein ganz wichtiger Faktor. Wie kann „richtig“ gebaut werden, welche Aspekte müssen jetzt berücksichtigt werden?
Wichtig wäre es, Synergien zu nutzen, also notwendige Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen als kleinteilige oder umfassende Gelegenheit zur wassersensiblen Umgestaltung zu begreifen. Die wassersensible Gestaltung von Siedlungen und Freiräumen ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der viele Bereiche zu beteiligen sind. Und bei Neuplanungen bieten sich umfangreiche Möglichkeiten für eine wassersensible Gestaltung an. Der dezentrale Umgang mit Niederschlagswasser sollte hier daher frühzeitig in die Siedlungsplanung einbezogen werden. Schwieriger ist es im Siedlungsbestand.

Text: Sabina Riegger · Fotos: Wikipedia, privat

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