Menschen

Nachgefragt! Bei Maximilian Eichstetter

Bürgermeister der Stadt Füssen

Durch den Krieg in der Ukraine sind mehrere hunderttausend Menschen in den Westen nach Europa geflohen. Dabei hat die Welle der Flüchtenden längst auch das Ostallgäu erreicht. Schon kurz nach Kriegsbeginn sind die ersten Familien in der Lechstadt eingetroffen. Füssen aktuell hat mit Bürgermeister Maximilian Eichstetter über den aktuellen Stand der Maßnahmen gesprochen, die die Stadt ergriffen hat, um zur Hilfe und der Versorgung der Menschen beizutragen.

Herr Eichstetter, Sie haben mit vielen der Menschen gesprochen. Was haben Sie dabei erfahren und wie sehr haben die Schicksale der Menschen Sie bewegt?
Sehr. Wir haben bis jetzt rund 250 Personen hier in und um Füssen, die wir zwischen Schwangau und Nesselwang unterbringen konnten. Gut 90 Prozent der insgesamt 113 Familien habe ich persönlich getroffen. Einige der ersten Kinder, die gekommen sind, habe ich selbst zur Schule gefahren oder war mit ihnen einkaufen, den Eltern habe ich mit nötigen Unterlagen geholfen, Konten eröffnet und versucht, eine vorübergehende Arbeit oder Beschäftigung zu finden. Dabei erfährt man natürlich auch die Lebensgeschichten der Menschen. Die meisten von ihnen sind Frauen, die ihre Männer zurücklassen mussten. Manche von ihnen auch wohlhabend. Ihr Haus ist zerbombt und sie haben von einer Sekunde auf die andere alles verloren und sind jetzt bettelarm.

Viele der Menschen möchten gerne arbeiten, so lange sie hier leben. Welche Möglichkeiten haben wir in der Stadt und der Region, Arbeitsplätze und Beschäftigungen anzubieten? Welchen Berufsgruppen gehören die Menschen an und welche Tätigkeiten konnten auch schon vermittelt werden?
Das ist sehr unterschiedlich. Etwa zehn Ukrainer konnten wir schon unterbringen, ob als Etagen- oder Küchenhilfen, genauso aber auch als Hausmeister. Natürlich kann hier nicht jeder in seinem eigenen Beruf arbeiten, es sind Ärzte darunter, Marketingleiter, Menschen wie du und ich. Die persönlichen Schicksale sind dabei sehr bewegend. Wie bei einem 32-jährigen Programmierer aus Weißrussland, der keine Familie oder Angehörigen mehr hat und vor sechs Jahren schon von Belarus nach Kiew geflohen ist. Jetzt musste er zum zweiten Mal fliehen.

Wie sind die Kapazitäten in Füssen und Umgebung, um die Kinder in den Schulen, Kindergärten und Tagesstätten unterzubringen? Für einige Kinder konnte ja bereits ein Platz gefunden werden.
Aktuell ist es so, dass wir die schulpflichtigen Kinder in der Grund- und Mittelschule sehr gut verteilen können. Jede Woche kommen auch neue dazu. Unterstützung bekommen wir unter anderem schon von einer ukrainischen Lehrerin, eine zweite soll demnächst dazukommen. Anders ist die Situation in den Kindergärten, wo eigentlich keine Plätze vorhanden sind. Die Lösung hier ist, dass Kinder in dem Alter eben jetzt vorerst mal bei ihren Müttern bleiben. Wichtig ist, dass wir die Kinder in den Schulen unterbekommen.

Die Wohnraumkapazitäten sind in Füssen bekanntlich sehr erschöpft. Wie viel Wohnraum wurde bisher von den Füssenern zur Verfügung gestellt und welche Kapazitäten sind noch vorhanden?
Erschöpft ja, aber im Sinne von Kapazitäten, die langfristig zur Verfügung stehen könnten. Da geht es nicht um eine Zeit bis Ende April oder Mai, sondern eher bis Ende des Jahres oder vielleicht sogar noch länger. Insgesamt muss man sagen, dass die Hilfsbereitschaft in der Stadt überwältigend ist, ich bin sehr dankbar, dass viele Menschen ihre Türen öffnen. Sollten noch viel mehr Menschen hierher zu uns kommen, stünden notfalls auch immer noch die Notunterkünfte zur Verfügung, die der Landkreis anbieten kann.

Wie ist das Feedback insgesamt in der Stadt? Was sagen die Bürger zu Ihnen?
Mehr als positiv. Ich werde ständig darauf angesprochen, was man noch tun kann, wo geholfen werden kann und was noch benötigt wird. Ich wusste, dass die Füssener solidarisch sind. Aber dass wir diesen Zusammenhalt erfahren, übertrifft sämtliche Vorstellungen. Das ist großartig. Denn das ist keine Situation, die nur vier oder sechs Wochen andauert. Es wird sehr lang dauern, wir brauchen hier also Durchhaltekraft.

Vielen Dank für das Gespräch!
Ich habe zu danken. Und noch einen Hinweis zum Schluss: Verfügbarer Wohnraum kann gerne unter: asyl@fuessen.de angemeldet werden.

Text: Lars Peter Schwarz · Foto: privat

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