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Tierischer Notfall – aber wohin?

Quo vadis? Wohin gehst du? Diese Frage stellen sich die Menschen, wenn ihre Tiere ganz plötzlich krank werden, oder gar einen Unfall hatten… und das natürlich nachts oder am Wochenende. Die Smartvet Tierarztpraxis wollte bei iher Eröffnung dieses Problem lösen und bot einen 24-Stunden-Notfalldienst an. Der massive Protest, den umliegende Tierärzte dagegen einlegten, führte zu einem Verbot durch die Tierärztekammer, das erst ein Jahr später gerichtlich aufgehoben wurde.

Als ich die Praxis 2008 übernahm, war es für mich selbstverständlich, für notleidende Tiere durchgehend (24/7) da zu sein.

Das galt und gilt jedoch nicht für alle Kollegen: Tierbesitzer merken zunehmend, dass sie bei einem Notfall mit ihrem Liebling vor verschlossenen Praxistüren stehen und bei Anruf nur die Mailbox bereitwillig die allgemeinen Öffnungszeiten mitteilt. Selbst die ehemaligen Tierkliniken sind nicht durchgehend erreichbar. Warum nicht?

Das Problem hat mehrere Ursachen: Die erste ist, dass der Notdienst für Praxen und Kliniken unbezahlbar geworden ist. Laut Betriebswirten kostet das nämlich ca. 60.000 € im Jahr! Wie kann das sein, fragt man sich als Tierbesitzer. Hintergrund sind veränderte Arbeitsgesetze, die elf Stunden Ruhezeit für die Angestellten verlangen und eine höhere Bezahlung der Mitarbeiter im Notdienst. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, müssten also mehr TierärztInnen eingestellt werden. Eigentlich gelten solche Gesetze ja für alle Berufssparten, nur in der Tiermedizin wurden sie erst kürzlich durchgesetzt, nachdem man es jahrelang ignoriert hatte.

Damit ist der Notdienst nicht mehr finanzierbar. Der Umsatz der Praxen und Kliniken gibt das einfach nicht mehr her. Das Preisniveau der tierärztlichen Leistungen ist in Deutschland -entgegen der irrigen Meinung vieler Tierbesitzer- extrem niedrig im europaweitem Vergleich. Die gesetzlich vorgegebenen Notdienstgebühren von 50€ zusätzlich zur Behandlung, die dann den 2- bis 4-fachen Satz des Normalen kosten soll (laut Gebührenordnung GOT) führt bei den Tierfreunden oft zu großem Unmut, der dann in den sozialen Medien breitgetreten wird. Man liest von unverschämter Abzocke bis hin zu üblen Beleidigungen, obwohl man sich nicht vorstellen kann, dass diese Personen nachts umsonst arbeiten würden. Für die InhaberInnen der Praxen gelten diese Regelungen natürlich nicht, wenn er/sie das selbst (ohne Ruhezeiten) leistet.

Das Preisniveau der tierärztlichen Leistungen in Deutschland wird in der GOT geregelt, die jedoch nur alle zehn Jahre überarbeitet und dabei noch nicht einmal der Inflation angepasst wird. Das reicht bei weitem nicht aus, um die laufenden (immer höher werdenden) Kosten wie Miete, Strom, Arzneimittel und die Löhne abzudecken. Seit 80 Jahren sinkt das Einkommen der Tierärzte stetig, die ja immerhin ein sechsjähriges Studium absolviert haben und einen fachlich und emotional extrem fordernden Beruf ausüben. Das führt dazu, dass ca. 60% der deutschen Praxen gerademal das Existenzminimum erwirtschaften. Oftmals bleibt das unbemerkt, weil es sich um „Nebenerwerbspraxen“ handelt, die lediglich das Haushaltsgeld der InhaberInnen aufbessern sollen.

Ein weiterer Grund wird deutlich, wenn man nach MitarbeiterInnen für den Notdienst sucht: Es gibt nämlich keine! Heutzutage sind etwa 90% der veterinärmedizinischen Studienabgänger weiblich, was zunächst sehr positiv erscheinen mag, denn viele sind gute, empathische Ärztinnen – soweit ihre Zeit das zulässt. Aber nach wie vor bleibt die Versorgung der Familie weitgehend an den Frauen hängen, das Kinderkriegen sowieso! Demzufolge arbeiten sehr viele von ihnen in Teilzeit oder eröffnen, wie oben benannt, kleine Praxen mit nur sehr kurzen Öffnungszeiten. Sie stehen nicht für Einsätze außerhalb dieser Zeiten zur Verfügung.

Schon bei einem Bewerbungsgespräch werden Notdienste kategorisch abgelehnt: Stichwort „work-life-balance“. Diese fehlende Einsatzbereitschaft der jüngeren Generation habe ich zunächst verwundert bemängelt und kritisiert, muss aber mittlerweile zugeben, dass sie eigentlich den wunden Punkt erkannt haben. Bei permanentem (auch nächtlichen) Arbeitseinsatz wird die eigene Gesundheit ebenso vernachlässigt wie die Familie. Während früher nächtliche Einsätze im Kleintierbereich eher seltener vorkamen, hat sich das stark verändert. Zu den Klassikern gehört der schon seit einigen Tagen bestehende Durchfall, der dann Samstagnacht als besonders beunruhigend empfunden wird. Ein einmaliges Erbrechen oder Zeckenbefall sollte kein Grund für die Beanspruchung des Notdienstes sein. Es gibt keinen geregelten Notdienst in unserer Gegend . Die KollegInnen machen das aus freien Stücken in ihrer freien Zeit. Trotz dieser Umstände stehe ich bei einem echten Notfall jederzeit gerne auf und bin sofort bereit zu helfen, wenn es die Umstände zulassen. Gibt es einen Mittelweg?

Der Mittelweg, den ich gehe, sieht folgendermaßen aus: Ich möchte und werde weiterhin außerhalb der Sprechzeiten für meine Patienten da sein, kann es jedoch nicht mehr durchgehend 24/7 leisten. Nachts, zwischen 23 und 7 Uhr müssen Notfälle leider in die (noch) vorhandenen Kliniken ausweichen z.B. MOD (leider nicht mehr Nachts erreichbar), Weilheim oder Blaichach.

An den Wochenenden bin ich weitgehend über den Notruf (Tel. 08362 925827) erreichbar, um für Sie und für ihr Tier so oft wie möglich da zu sein.

SmartVet
Abt-Hafner Straße 5
87629 Füssen im Allgäu
+49 8362 925827
fuessen@smartvet.de

Text: Dean Lawrence · Foto: privat

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1 Kommentar

  1. Ich bin erschrocken, dass man einem Tierarzt den Notdienst verwehrt hat – und das auch noch gerichtlich! Dabei wäre ich über allen Maßen glücklich, wenn meine Katze in der Nacht etwas hätte, und ich sofort zur Praxis laufen könnte. Gut, dass das Verbot späterhin zumindest gelockert wurde.

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