Menschen

Kleidung ist ein Gefühl

Manchmal sind es Wege, die einen ganz woanders hinführen, als man es sich je hätte vorstellen können. Und dann nach Jahren merkt man, es war alles so gut, wie es kam.

Wenn man Thorsten Krug kennt und ihn reden hört, kommt man nicht unbedingt auf die Idee, dass er aus Bielefeld kommt oder besser gesagt dort geboren wurde und einige Jahre in dem Schmelztiegel der Kulturen gelebt hat. Mit neun Jahren kam der Ostwestphale nach Rosshaupten. „Es war der 2. Weihnachtsfeiertag und ich dachte, hier hört die Welt auf. Es lag so viel Schnee und ich verstand keinen einzigen Menschen außer meinen Eltern“, erinnert sich der 51-Jährige lachend. Damals konnte er nicht verstehen, dass sie ihn „in diese Einöde verschleppt“ haben. Doch schon nach kürzester Zeit war er froh darüber, denn es entstanden tiefe Freundschaften, die ihn heute noch begleiten.

Als sie 1979 nach Rosshaupten kamen, fing sein Vater in der Textil AG seinen neuen Job an. Nur zwei Jahre später eröffneten sie ihr Geschäft „Krug Kleidung“ in Füssen und zogen kurz darauf nach Pfronten, wo er mit seinen Eltern 20 Jahre lang lebte. Jetzt feiert das Ausstattungshaus sein 40-jähriges Jubiläum. Dass er in die Fußstapfen seiner Eltern treten würde, war in der Jugendzeit nicht erkenntlich. „Ich bin immer etwas später dran als andere“, sagt der begeisterte Arminia Bielefeld-Fan. Erst machte er eine Ausbildung bei Eisen-Unger und später die Ausbildung zum Textilkaufmann und Handelsassistenten. „Es war eine chaotische und turbulente Zeit“, meint der Herrenausstatter. Doch je chaotischer es war, umso besser war es. „Ich bin trotzdem jeden Morgen aufgestanden, habe Anzug, Hemd und Krawatte angezogen und bin ins Geschäft gefahren“.

Damals arbeitete er bei einem sehr bekannten Herrenausstatter in München, bei dem die High Society und die, die sich dafür hielten, einkauften. Zwei Jahre lang lebte er in München und drei Jahre in Überlingen am Bodensee, bis er dann wieder nach Füssen zurückkehrte. An seinen Lebensgewohnheiten hat er trotzdem nicht viel verändert, gemäß dem Motto „lebe jeden Tag“. Abends und am Wochenende war er der Rocker und tagsüber der Mann, der jede Menge von Stoffen und deren Verarbeitung wusste. „Irgendwann hat mich das Stoff-Fieber gepackt. Plötzlich fiel es mir nicht schwer zu lernen. Ich wollte alles darüber wissen, was ich verkaufte. Dieses Fühlen von Stoffen, die Farben – ich war einfach nur noch begeistert“. Bei Thorsten Krug gibt es keine „Quinoa-Kaffee-Bar“, auch keine Ecke mit Aperol und Co. „Ich brauche das nicht. Für mich ist der Service das Ausschlaggebende“, erzählt er. „Noch bevor sich andere mit Fairtrade auseinandersetzten, hatten wir das schon im Geschäft, genauso wie die besonderen und persönlichen Servicezeiten für unsere Kunden“, zählt er auf. Terminvereinbarungen gab es bei Herrenmoden Krug schon immer.

Thorsten Krug ist älter geworden und moderner. Moderner als vor 20 Jahren. Er trägt ein weisses legeres Hemd, darüber eine Anzugweste und dazu Jeans. Die Schuhe sind bunt und spitz zulaufend und an den Fingern trägt er Ringe, mindestens zwei an jedem Finger. Keine Drachenköpfe, nein, die sind schon lange passé, „weil man an den Stoffmaschen hängenbleibt“. Irgendwie ist es sein Markenzeichen, wie auch die tiefe, brüchige Stimme. Mode ist für den gebürtigen Bielefelder etwas Essentielles. Es unterstreicht die eigene Persönlichkeit, zeigt ein Lebensgefühl, manchmal ist es auch ein Statement, das man damit ausdrücken will. „Wir brauchen nicht 1.000 Sachen. Wir brauchen Kleidung, in der wir uns wohlfühlen, denn anziehen kann man wirklich alles. Wie man sich aber darin fühlt, ist wieder etwas ganz anderes. Kleidung hat für mich viel mit Gefühl zu tun“, erzählt er. Mit der Masse schwimmen war nie so sein Ding. Für seine Mutter war das nicht immer verständlich. „Ordentlich ist ein ganz wichtiges Wort meiner Mutter gewesen, da habe ich nicht immer reingepasst“, blickt er zurück. Die Rockerweste seines Clubs Beilstein war nicht irgendetwas, sondern das Kleidungsstück, mit dem er sich identifizierte und wohlfühlte. „Ich finde, es ist beides möglich, feiner Zwirn und ausgetragene Jeans. Ich fühle mich tatsächlich in beidem wohl“, sagt er.

Keiner seiner Lehrer hatte jemals daran geglaubt, dass er irgendwann einmal Platz neben ihnen nehmen würde, um Auszubildende zu prüfen. „Es war irgendwie lustig und andererseits fand ich es komisch. Ich, der mit Schule und Lernen nichts am Hut hatte und erstrecht keine Sympathie für Lehrer empfand“. Irgendwann änderte sich seine Einstellung, als die Lehrer zu ihm ins Geschäft kamen und er sie beraten durfte. „Da habe ich mir gedacht: Hey, die sind doch ganz in Ordnung“. Seinen Beruf liebt er, weil er Menschen liebt. Auch jene, die manchmal kompliziert sind. Aber genau das reizt ihn, diese Herausforderung, jemanden kleiden zu dürfen, der dann glücklich sein Geschäft wieder verlässt. „Ich bin fest davon überzeugt, dass man ansonsten den Job nicht machen könnte. Wenn ein Kunde zu uns kommt, dann weiß ich, was ihm steht oder ihn kleidet. Männer sind ganz einfach gestrickt. Es muss sofort passen, denn ein zweites Mal kommen sie in der Regel nicht wieder. Das ist ihnen zu anstrengend. Und verkleiden will ich niemanden, weil ich keinen Karnevalsladen habe“, sagt er salopp. Dem leidenschaftlichen Fussballfan ist klar, Mode im Allgäu zu verkaufen ist anders als in Düsseldorf oder München. Das hat er schon sehr früh gelernt.

Was den Fussball betrifft, ist es um den 51-Jährigen ruhiger geworden. Er ist nicht mehr jede Woche unterwegs, um seinen Fussballverein zu unterstützen. „Sechs oder sieben Mal im Jahr sind auch genug“, grinst er übers Gesicht. Mit dem Präsidenten von Arminia Bielefeld ist er befreundet und mittlerweile ist er auch Botschafter seines Fussballclubs. „Ingolf Lück sagte mal: In diesen Verein wird man rein geboren und raus gestorben. Ich denke, das sagt alles“, lacht er. Dass er seinem Hobby nachgehen kann, hat er seiner Frau Luise zu verdanken. „Luise ist einfach der Hammer. Da gibt es nicht mehr zu sagen. Ohne sie wäre bei mir sicher vieles anders gelaufen“, ist sich Thorsten Krug sicher. Eine tolle Liebeserklärung, die nicht schöner sein könnte.

Info:
Inhaber: Luise und Thorsten Krug · Uferstraße 2 · Hopfen am See
Telefon: (0 83 62) 48 66 · E-Mail: info@krug-herrenmode.de

Text · Foto: Sabina Riegger

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1 Kommentar

  1. Danke für den Beitrag! Ich bin eigentlich nicht Person, die sich mit Anzügen kleidet, jedoch hat mein Bruder bald Geburtstag. Das ist Anlass genug für mich, einen Herrenausstatter aufzusuchen und mich für einen schönen Anzug beraten zu lassen.

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