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Pfarrer Kneipps Kräuter-Hausapotheke – Teil 2

Meiner Meinung nach ist es auf jeden Fall wert, Sebastian Kneipp zu seinem 200. Geburtstag noch einen weiteren Artikel zu widmen, denn schließlich sind wir gerade in unserer Region vielfältig und intensiv mit seinem Heilwissen verbunden. Zwei sehr schöne Zitate dokumentieren eindrucksvoll seine Wertschätzung für die Pflanzenheilkunde: „Ich habe Jahrelang hindurch zum größten Teil mit Kräutern und weniger mit Wasser kuriert und dabei die schönsten Erfolge erzielt.“ “Lange Jahre hindurch habe ich sondiert und geprüft, getrocknet und zerschnitten, gesotten und gekostet. Kein Kräutlein, kein Pulver, das ich nicht selbst versucht und als bewährt befunden habe.“

Besonders gerne verwendete er einheimische Kräuter, die in Feld und Garten wuchsen und somit auch für die einfache Bevölkerung jederzeit und kostengünstig verfügbar waren. Dass sich auch die Wissenschaft seiner Sache annehmen möge, war dabei immer Kneipps ganz großer Wunsch, dem ich nur beipflichten kann!

Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea)

„Als Heilmittel für Magenleiden müssen wir dem Tausendgüldenkraut die erste Note geben.“ und „Der Name lautet auf eine hohe Summe, die Hilfe spendet das Kraut einem jeden umsonst.“ – so sagte Sebastian Kneipp. Die Pflanze gehört zu den Enziangewächsen und steht heute unter Naturschutz. Natürlich geht ihre Geschichte viel weiter in der Zeit zurück, so lautet eine Legende, dass ein reicher Mann, der an einem immer wiederkehrenden Fieber litt, 1.000 Gulden demjenigen bot, der ihn endgültig davon heile. Kurze Zeit später wurde er gesund durch ein ominöses Kraut, das ihm ein armer Heilkundiger brachte und das fortan unter dem Namen „Tausendgulden-“ oder „Fieberkraut“ in die Apotheken einzog. Für die botanische Bezeichnung Centaurea ist angeblich der berühmte Arzt Dioskorides verantwortlich, der im 1. Jhd. v. Chr. unter den Kaisern Nero und Claudius diente. Er soll den Zentaur Chiron – ein Wesen halb Mensch, halb Pferd – dabei beobachtet haben, wie er eitrige Wunden an seinen Pferdebeinen mit dieser Pflanze heilte. Das Mittelalter interpretierte den Namen als eine Kombination von centum = hundert und aureum = Gold. Schnell wurden daraus sogar „Tausend“! Das klang für die Menschen des Mittelalters so verlockend, dass es für sie ganz logisch war, am Johannistag während des Mittagläutens ein Sträußlein des Krautes in den Geldbeutel zu geben, damit er niemals leer werde… Na, einen Versuch wäre es ja mal wert!

Für uns am wichtigsten ist allerdings die Wirkung der Bitterstoffe. Die enthaltenen Iridoide gehören zu den bittersten natürlich vorkommenden Substanzen weltweit! Jeder kennt ja den Effekt, dass beim Verzehr bitterer Speisen fast unmittelbar ein starker Speichelfluß einsetzt. So ähnlich geht es unseren inneren Organen auch: kaum melden die Bitterrezeptoren im Mundraum entsprechenden Kontakt, schütten Magen, Bauchspeicheldrüse, Leber und Galle gleichermaßen hohe Mengen an Verdauungssekreten aus. Das wirkt wiederum äußerst günstig bei Beschwerden wie z.B. Völlegefühl, Magendruck, Sodbrennen, Brechreiz, Aufstoßen oder Durchfall. Aber Vorsicht: Menschen mit manifesten Magen- oder Darmgeschwüren sollten Zubereitungen aus Tausendgüldenkraut nicht unbedingt anwenden! Angeblich war es die erste Heilpflanze, die Sebastian Kneipp von seiner Mutter Rosina kennenlernte und er verwendete es gerne zur Behandlung der oben genannten Probleme im Magen-Darm-Bereich. Aus diesen Gründen ist dieses hilfreiche Kraut heute immer noch sehr beliebt in entsprechenden Tees. Obwohl es bei Kranken und Schwachen eindeutig appetitianregende Eigenschaften besitzt, kann es aber umgekehrt bei Menschen mit gesundem oder übermäßigem Appetit sogar beim Abnehmen helfen, was wiederum auf einer effektiveren Verwertung der Speisen beruht – wie praktisch! Sicher nicht unbedingt im Sinne von Pfarrer Kneipp, aber interessant: Tausendgüldenkraut gilt als absoluter Geheimtipp zur Behandlung des „Katers“ nach übermäßigem Alkoholgenuss!

Ackerschachtelhalm oder Zinnkraut (Equisetum arvense)

„Zinnkrauttee, der nie schaden kann, reinigt den Magen. Man nehme von Zeit zu Zeit eine Tasse.“

Schachtelhalmgewächse sind blütenlos und vermehren sich über Sporen. Der Ackerschachtelhalm ist eine uralte Heilpflanze. Mit seinem außergewöhnlich hohen Gehalt an Kieselsäure hat er eine festigende und aufbauende Wirkung auf das Bindegewebe. Er wirkt mild wassertreibend, stoffwechselanregend und entschlackend. Wegen seiner früheren Verwendung zum Putzen und Scheuern von Zinn- und Kupfergefäßen wird er auch Zinnkraut genannt. Bereits in der Antike war er als Heilpflanze geschätzt. Für Dioskorides z.B. war er ein wichtiges blutstillendes, wundheilendes und harntreibendes Mittel. Auch die Ärzte des Mittelalters erwähnten die Pflanze lobend in ihren Kräuterbüchern: Wunden, Blutungen, Husten, Gicht, Ruhr, Steinleiden und Tuberkulose wurden als wichtige Anwendungsbereiche beschrieben. Eine Zeit lang geriet der Ackerschachtelhalm als Heilkraut ins Abseits, bis er von Sebastian Kneipp wieder entdeckt wurde. Der „Wasserdoktor“ schätzte seine Eigenschaften über alle Maßen zur Anregung des Stoffwechsels, bei Rheuma und Gicht, sowie zur Wundheilung. Er schrieb, dass man „die vielseitige und vorzügliche Wirkung des Heilkrauts nicht genug hervorheben kann“ und bezeichnete ihn bei Grieß- und Steinleiden als „hier einzig unersetzbar und unschätzbar“. Ende des 19. Jahrhunderts begann die Wissenschaft, sich für die Pflanze zu interessieren. Bald gelang es, pharmakologische Nachweise für die harntreibende und blutstillende Wirkung zu erbringen, auch konnte eine positive Beeinflussung tuberkulöser Prozesse bestätigt werden.

Der wissenschaftliche Name Equisetum bedeutet bezugnehmend auf das Erscheinungsbild übersetzt „Pferdeschweif“. Medizinisch werden die grünen Sommertriebe genutzt, die im Juni oder Juli geerntet und schonend getrocknet oder zu Tinkturen oder Presssaft weiterverarbeitet werden. Das Kraut enthält 10% Kieselsäure, wovon wiederum in wasserlöslicher Form vorliegen. Bedeutend ist auch der hohe Gehalt an Mineralstoffen wie Kalium, Calcium, Magnesium, Aluminium, Eisen und Mangan. Wenn sie sich einen Tee zubereiten, ist folgendes zu beachten: 1-2 TL auf 150 ml kochendem Wasser übergießen, 5 min. aufkochen und danach noch 15 min. ziehen lassen. Nur so löst sich die Kieselsäure in ausreichender Menge. Für ein Vollbad zur Anregung des Stoffwechsels und die Durchblutung der Haut werden 100 g der Pflanze in 2 l heißem Wasser eine Stunde lang ziehen gelassen und anschließend dem Badewasser beigesetzt. Sehr schön ist auch eine Frühjahrs- oder Herbstkur mit dem Presssaft. Da das Kolloid des Zellsaftes der frischen Pflanze in bioverfügbarer Form vorliegt, eignet sich diese Darreichung besonders gut zur Versorgung des Körpers mit Silicium – ich sage nur: Haut, Haare, Nägel!

Noch ein wichtiger Warnhinweis am Schluss: Nur, wer den Acker-Schachtelhalm genau kennt und sicher bestimmen kann, sollte ihn selber sammeln, denn es besteht gerade an feuchten Standorten Verwechslungsgefahr mit dem Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre), der wegen seines hohen Alkaloidgehaltes giftig ist!

Viel Erfolg mit den Kräuter-Arzneien des Pfarrers Kneipp,

Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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