Menschen

Nachgefragt! bei Stadtpfarrer Frank Deuring

Viele Menschen leiden in der Pandemie an Existenzängsten. Einige leiden an Einsamkeit, haben Depressionen und andere Ängste. Wie erlebt ein Pfarrer diese Situation, in der Gemeinde, Seelsorge und alleine? Was ist mit seiner Angst und seinen Sorgen? Denn seelsorgerische Hausbesuche, Taufen, Hochzeiten, Begegnungen, das alles und viel mehr gehört zu seiner Arbeit, die ein Pfarrer momentan nicht im vollen Umfang ausüben kann. Das Leben in der Pfarrgemeinde steht sozusagen fast still. Füssen aktuell sprach mit Pfarrer Frank Deuring darüber und welche Auswirkung die Pandemie auf ihn und seine Arbeit hat.

Als katholischer Priester leben Sie alleine. Damit stehen Sie wie viele Menschen, die keine Partnerin / keinen Partner haben, in der Situation, dass Sie mit allem, was Ihnen widerfährt, Sie belastet oder Freude bringt, alleine klarkommen müssen. Wie schaffen Sie das?
Im Gegensatz zu anderen, habe ich die zölibatäre Lebensform selbst gewählt. Mit dem Alleinsein komme ich gut zurecht. Ich schätze es sogar sehr, dass ich durch die gewonnene Zeit mich stärker auf das Gebet und die Betrachtung der Heiligen Schrift einlassen kann. Zugute kommt mir natürlich auch, dass ich als Seelsorger – zwar mit Abstand – mit Menschen in Seelsorgegesprächen bin und auch mit den Gremien durch Videokonferenzen im Kontakt stehe.

Wie gehen Sie damit um, sich selber infizieren zu können? Immerhin basiert Ihre Arbeit ja auf dem Kontakt mit Menschen?
Keiner ist vor einer Ansteckung gefeit, auch ich nicht. Ich habe vor dem Virus keine Angst, ich bin körperlich recht fit und gehe davon aus, dass ich ein stabiles Immunsystem habe. Als Priester und Seelsorger habe ich den Auftrag und die Verantwortung bei den Menschen zu sein. Gerade in dieser Zeit nehme ich den Auftrag sehr ernst. Im Vertrauen lege ich alles in Gottes Hände.

Corona hat auch den Alltag in den Krankenhäusern verändert. War oder ist es mit den besonderen Schutzmaßnahmen möglich, dort seelsorgerisch tätig zu sein? Ist die Spendung von Sakramenten überhaupt möglich?
Beim Lockdown vor einem Jahr war in den Einrichtungen eine große Verunsicherung. Angehörige erzählten mir, dass ihre Kranken und Sterbenden alleingelassen wurden. Teilweise durfte auch ich als Seelsorger nicht zur Krankensalbung kommen. Das hat sich im Herbst verändert. Es besteht inzwischen eine gute Kooperation und auch die Angehörigen dürfen beim Sterben dabei sein. Ich spüre von allen Seiten eine große Dankbarkeit und Wertschätzung.

Hat sich der Kontakt mit Ärzt*innen und Pflegepersonal durch die Krise verändert?
Der Kontakt war schon immer gut. Wir wissen von den jeweiligen Grenzen und Chancen. Der Glaube und die Spiritualität jedes Einzelnen hat seinen Platz. In Gesprächen erfahre ich aber auch, dass Menschen durch die Pandemie wieder mehr über das Leben und den Sinn nachdenken. Da sind schon oft sehr intensive Gespräche entstanden.

Die Pandemie stellt nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch in psychischer Hinsicht eine besondere Herausforderung an die Menschen. Sie suchen Zuwendung, Trost. Auch Zuflucht in Ihrer Kirche?
Ganz bestimmt! Viele Ältere, die derzeit Kontakte nach Außen meiden, feiern Gottesdienste im Fernsehen mit. Aber auch die Anfrage nach Einzelgesprächen ist da. An den Opferkerzen in den Kirchen sehen wir auch, dass viele Menschen unsere Gotteshäuser zum Gebet aufsuchen. Wir wollen Menschen aber auch zum Gespräch animieren. So bieten wir zum Beispiel in der Fastenzeit ein SeelsorGehen an. Pater Joshi, unser Kaplan, Pater Raphael und unsere pastorale Mitarbeiterin, Brigitte Böck, können in der Fastenzeit „gebucht“ werden (auf der Homepage sind die Kontaktdaten) und sie machen mit einer Person einen Spaziergang. Das erlebe ich oft, dass man sich im Gehen leichter tut, sich etwas von der Seele zu reden.

Würden Sie der Aussage zustimmen, dass die Krise auch eine Konjunktur für die Kirche bedeutet oder ist das nur ein zeitlicher Faktor, der irgendwann wieder vorbei gehen wird und die jährlich steigenden Austritte aus der Kirche nicht aufzuhalten sind?
Derzeit spüre ich im Gottesdienstbesuch eine große Zurückhaltung und ich befürchte, dass die Pandemie die Situation der kirchlichen Entfremdung eher beschleunigt. In den letzten Wochen flatterten wieder viele Kirchenaustritte in unser Pfarrbüro. Das stimmt mich traurig. Unser Auftrag als Kirche bleibt: Wir sind für die Menschen da und möchten sie mit Gott in Berührung bringen. Da ist unsere Pfarreiengemeinschaft mit der Pastoralentwicklung auf einem guten Weg. Wir bleiben dran!

Sie haben die Pfarrei durch manche Strömungen begleitet, jetzt auch durch die Corona-Krise. Wie hat das ihre Arbeit beeinflusst bzw. welche Mehrarbeit ist dadurch auf Sie zugekommen?
Das Infektions-Hygienekonzept musste in allen Kirchen umgesetzt werden. Seither haben wir Ehrenamtliche, die als Begrüßungsteam die Gottesdienstbesucher willkommen heißen und sie auf entsprechende Notwendigkeiten in Gottesdiensten hinweisen. An Weihnachten hatten wir die Sorge, dass wir Besucher wegen Überfüllung abweisen müssen. Darum haben wir ein Buchungssystem auf den Weg bringen müssen. Um mit vielen Menschen in Kontakt zu bleiben, wurde ein Newsletter ins Leben gerufen, der vornehmlich von Ehrenamtlichen gestaltet ist und mit dem wir mit Kreativität und viel Freude den Menschen geistliche Nahrung geben, aber auch Informationen und sogar einen Monatswitz haben. Unser Newsletter ist zu beziehen unter www.katholisch-fuessen.de
Durch Corona mussten wir umdenken, Neues wagen – bei aller Mehrarbeit sehe ich das als Gewinn. Wenngleich ich mich auch sehr freue, wenn wir mal wieder in einen anderen Modus kommen.

Dieses Jahr feiert die Pfarreiengemeinschaft Füssen ihren 15. Geburtstag. Anfangs war es eine Notlösung, um die kleinen Gemeinden nicht schließen zu müssen. Sind die sogenannten Notlösungen noch aktuell bzw. zukunfstorientiert?
Das Bistum Augsburg hat bereits vor ca. 25 Jahren den Kurs gefahren, Pfarrgemeinden nicht ausbluten zu lassen, sondern nach Möglichkeiten zu suchen, durch die Errichtung von Pfar-reiengemeinschaften die einzelnen Gemeinden in ein Ganzes einzubinden und ihre Selbstständigkeit zu erhalten, was in Füssen durch das Mitwirken vieler Ehrenamtlicher und die Identifikation mit der Pfarrgemeinde gut gelungen ist. Insbesondere die Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung sind durch die Ideenvielfalt der pastoralen Mitarbeiterinnen und Ehrenamtlichen ein großer Gewinn. Und die Gemeinden freuen sich, durch die verschiedenen Priester eine Abwechslung in den Gottesdienten zu erfahren. Verheimlichen will ich aber nicht, dass die Koordination von vier Pfarreien mit ihren jeweiligen Eigenheiten und den unterschiedlichen Gremien eine große Herausforderung ist, die manchmal auch zur Belastung wird

Die Kirche Acht Seligkeiten soll einer modernen Begegnungsstätte samt einer neuen Kirche weichen. Wie weit sind die Planungen dafür?
Die Tatsache, dass wir unsere Kirchenorgel in Acht Seligkeiten nach Polen verkauft haben, zeigt, dass wir nicht nur Gedankenspiele haben, sondern allmählich zu ersten Schritten der Umsetzung gelangen. Ich habe es auch nicht für möglich gehalten, dass sich alles so lange hinzieht. Derzeit laufen wieder neue Verhandlungen zwischen Diözese, Stadt und Kirchenverwaltung, um das Architekturbüro für eine konkrete Planung mit Kostenschätzung gemeinsam beauftragen zu können. Alle arbeiten auf Hochtouren und es ist eine Freude, wie gut die Zusammenarbeit läuft. Doch auch da hat Corona vieles ausgebremst. Wir sind auf der Zielgeraden.

Was macht Ihnen Mut, wenn Sie auf die nächsten Wochen und Monate blicken?
Mut macht mir, dass sich die meisten Menschen in der Zeit der Pandemie solidarisch zeigen und vor allem den Kranken und Schwachen damit signalisieren: Ihr seid uns wichtig und ihr seid nicht auf dem Abstellgleis.
Mut macht mir auch die Sehnsucht vieler Menschen nach Begegnung, Gemeinschaft – was viele in der Zeit des Lockdowns als großen Verlust erkannt haben. Wir alle wissen diesen Wert wieder viel mehr zu schätzen.
Und mir macht Mut, dass unsere Politiker trotz großer Kritik Verantwortung zeigen und dafür hin stehen.

Text: Sabina Riegger · Foto: privat

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