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Bayern wird Königreich

Es war die vorletzte Nacht des Jahres 1805, als der wohl mächtigste Mann Europas in Bayerns Hauptstadt eintraf. Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, König Italiens, meisterhafter Stratege auf dem Schlachtfeld, gefürchteter Kriegsherr. In dieser Nacht erreichte er München allerdings nicht gefolgt von einem großen Heer mit tausenden Soldaten. Diesmal kam er in friedlicher Absicht.

Bayern stand ein bedeutender Tag bevor. Der 1. Januar 1806 sollte eine neue Epoche einläuten. Nachdem die bayerische Armee an der Seite Frankreichs aus dem 3. Koalitionskrieg siegreich hervorging, erhielten das Land im daraus resultierenden Friedensvertrag einige Zugeständnisse. So fielen unter anderem die Gebiete Tirol, Vorarlberg, Brixen und Trient an Bayern. Ein weiterer, wesentlicher Punkt des Vertrags sicherte die volle staatliche Souveränität. So kam es, dass sich die sieben höchsten Beamten und Würdenträger des Hofstaates am Neujahrstag des Jahres 1806, um 10 Uhr vormittags im Thron- und Audienzsaal der Kurfürstin in der Münchener Residenz versammelten. Der bisherige Kurfürst Max IV. Joseph, an der Seite des Kronprinzen, erklärte in einer feierlichen Ansprache, dass er die Königswürde annahm. Die Anwesenden antworteten mit einem „Vivat“. In diesen wenigen Minuten wurde aus Kurfürst Max IV. Joseph, König Max I. Joseph von Bayern. Seine Ehefrau Caroline, die bei dieser Zeremonie nicht anwesend war, stieg zur Königin auf.

Der neue König war ein sehr volksnaher und bodenständiger Monarch. Er begrüßte seine Gäste beim anschließenden Empfang mit den Worten: „Ich wünsche Euch allen ein gutes neues Jahr! Und wir bleiben die alten!“ Wer eine pompöse und aufwändige Krönungszeremonie erwartet hatte, wird an dieser Stelle leider enttäuscht. Das hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen konnte bisher ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl nicht abgeschlossen werden. Außerdem waren die Kroninsignien noch nicht angefertigt, ja noch nicht einmal in Auftrag gegeben worden. Das geschah erst drei Monate später. Der filigrane Kronschatz bestehend aus Königskrone, Szepter, Schwert, Reichsapfel, Siegelkasten, Königinnenkrone, Diadem und Krönungsornat erreichte im März des folgenden Jahres, 1807, die Schatzkammer der Münchener Residenz. Eine Krönung fand aber auch zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Tatsache ist, dass weder für den ersten bayerischen König Max I. Joseph noch für die weiteren Könige bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918, eine Krönungszeremonie abgehalten wurde.

Die Münchener Bevölkerung erfuhr kurz nach dem schmucklosen Staatsakt von der Erhebung Bayerns zum Königreich. Ein Herold zog gefolgt von Pauken und Trompeten durch die Stadt und verlas die folgende Proklamation: „Da durch die Vorsehung Gottes es dahin gediehen ist, daß das Ansehen und die Würde des Herrschers in Baiern seinen alten Glanz und seine vorige Höhe zur Wohlfahrt des Volkes, und zum Flor des Landes wieder erreicht, so wird der Allerdurchlauchtigste und Großmächtige Fürst und Herr, Herr Maximilian Joseph, als König von Baiern und allen dazu gehörigen Ländern hiermit feyerlich ausgerufen, und dieses seinen Völkern allenthalben kund und zu wissen gemacht. Lange und glücklich lebe Maximilian Joseph unser allergnädigster König! Lange und glücklich lebe Karoline, unsere allergnädigste Königin!“

Ein Augenzeuge, der zu diesem Zeitpunkt in Münchens Straßen unterwegs war, berichtete dazu: „I bi halt a so dahin ganga, wast mir nix, dir nix, auf oamol habns springa angfangt, als wenns narrisch warn, da bi i halt a nachi, Reiter von der Stadt haben oan daher bracht, der hat an Huat aufgabt, wie die neuen Schützen, nur daß er viel blaue und weiße Federn ghabt hat, an blausamtan Janka hat er angabt und hindt und vorn a Wappn, zwoa Herrn sand neben seiner gritten in Uniform. Voraus sand gwest an Churfürst alle seine Trompeta und Pauka … Auf a mahl hat er a Papier raus zogn, hat ebas runter glesen, hab´s aber net verstandn, wie´s fast aus war, habns zmal alle gschrien „Vievat“, der Pauker hat drein gschlagn, daß i gmoant hab, er schlogt Löcha in d Pauken, und Trompeta haben blaßn, daß i glabt hob, sie zerspringa, da hob i mein Nachbar gfragt, was denn dös is, hat a mir gsagt, daß der Churfürst König ist, oaner is mitglofn der hat oan ganz Sack Zettl ghabt, hab a wollen oan dawischen, aber d´Leut haben mi net hinlassn …“ Eine weitere Zeitzeugin schrieb in ihren Erinnerungen: „In den Kirchen ertönten Dankgebete und die Luft erzittere von Glockenläuten, Kanonendonner und den Rufen: Unser allergnädigster König Maximilian Joseph und seine allergnädigste Königin Karoline, sie leben hoch. Vive Napoleon…“.

Der Zeremonie am Neujahrstag 1806 blieb Napoleon allerdings fern. Nachdem er ausgeschlafen hatte, empfing er am Vortag die älteste Tochter Maximilians, Prinzessin Auguste. An die Erhebung Bayerns zum Königreich knüpfte er nämlich eine Bedingung, die gerade für die siebzehnjährige Prinzessin enorme Auswirkungen haben sollte. Er erwartete die Hand Augustes für seinen Stiefsohn Eugene de Beauharnais. Nach seiner Begegnung mit der jungen Prinzessin schrieb Napoleon an den zukünftigen Bräutigam: „Ich bin in München angekommen, ich habe Ihre Heirat mit der Prinzessin Auguste abgemacht; sie ist veröffentlicht worden.“ Auguste wusste bereits vor ihrem Treffen mit Napoleon von dessen Vorhaben. Ein Gesandter hatte bereits an Weihnachten stellvertretend um ihre Hand angehalten. Auguste war am Boden zerstört. Würde sie die Eheschließung aber verweigern, könnte ihre Familie alles verlieren. Sehr viel stand auf dem Spiel. Der empfindsame Maximilian zwang seine Tochter nicht, er bat sie in einem Brief, sich für Bayern zu entscheiden: „Glauben Sie mir liebe Freundin, dass es mir unendlich schwerfällt, Ihnen in dieser Weise zu schreiben, aber die mehr als unausweichlichen Umstände und meine Pflicht, mich um die Interessen des Landes zu kümmern, das mir die Vorsehung zum Regieren übertragen hat, verpflichtet mich dazu. Gott weiß, daß ich nur das Beste will und dass niemand auf der Welt Sie mehr liebt als Ihr getreuer Vater und bester Freund Max.“ Auguste willigte in die napoleonischen Heiratspläne ein. Nur wenige Tage später, am 13. und 14. Januar gab sie Napoleons Stiefsohn Eugene, den er tags zuvor sogar adoptiert hatte, das Eheversprechen.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin im
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau
Foto: Wikipedia

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