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“Sich auf Augenhöhe begegnen, macht vieles einfacher”

Der Gasthof „zum Schwanen“ gehört zu den ältesten Wirtschaften auf dem Brotmarkt in Füssen. Als Krunislav Ivanovic den Gasthof vor genau zehn Jahren übernahm, fand sein Konzept bei den Gästen großen Anklang. Das gehört nun der Vergangenheit an. Übrig geblieben sind die Speisekarten und viele Erinnerungen. Ein gemütliches Restaurant mit Kachelofen, guter bayerischer und kroatischer Küche und eine schöne Sonnenterrasse mitten auf dem Platz. Seit dem 10. November gehört das der Vergangenheit an. Der neue Inhaber, Florian Pickl, hat den „Schwanen“ übernommen und wird voraussichtlich im Februar eröffnen. Für die Familie Ivanovic gibt es auch ohne den Gasthof „Schwanen“ viel zu tun. Zum einen ist da das Restaurant „Aquila“, das seit einigen Jahren von Miroslav Ivanovic, dem Bruder des Gastronomen, geleitet wird. Vor fast zwei Jahren kam noch das Hotel „Schweiger“ dazu. „Es ist eine interessante Aufgabe, auf die wir uns schon im Vorfeld sehr gefreut haben. Dass es eine besondere Herausforderung sein wird, hätten wir so nicht vermutet“, erklärt der Hotelier und Gastronom, der seit seiner Jugend in diesem Dienstleistungsbereich arbeitet.

Miroslav Ivanovic

Routine ist für ihn kein Begriff, der sich in der Gastronomie oder in der Hotellerie manifestieren sollte. „Sobald man die Tage mit einer Routinearbeit vergleicht, verliert man an Kreativität und letztendlich den Gast. Wenn sich unser Kopf langfristig nur noch in Automatismen bewegt, kommen wir da nur schwer wieder heraus.“ Krunislav Ivanovic war auf der besten Schule, die es gibt: Das Leben. Es mag sicher abgedroschen klingen, wenn man das sagt. Aber wo bitte lernt man mehr? Hautnah und echt, so wie es tatsächlich ist? Der Alltag, der tägliche Umgang mit Gästen und ihren Wünschen und Bedürfnissen, die Freude, wenn etwas gelingt und den Ärger, wenn es nicht so klappt, wie es sein sollte. „Der Beruf eines Gastronoms hat so viele Facetten“, nickt er zufrieden. Dass die Corona-Zeit ein Umdenken bewirkt hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Unter anderem sprachen wir auch darüber mit dem Gastronomen.

Herr Ivanovic, eine Frage vorab: Viele Gastronomen haben Schwierigkeiten, gutes und zuverlässiges Personal zu bekommen. Wie sehr sind Sie von dieser Thematik betroffen?
Dieses Thema geht uns alle an. Zum Glück haben wir ein gutes Team, mit dem wir seit Jahren sehr gut zusammenarbeiten. Zufriedene Mitarbeiter zu beschäftigen, ist so ziemlich das Beste, was einem Unternehmer passieren kann. Generell aber ist es schwer Fachkräfte für das Gastgewerbe zu bekommen. Die meisten kommen aus dem Ausland, und viele haben eine gute Ausbildung. Es gibt aber auch jene, die oft nicht diesen Bezug zur Arbeit haben, so wie wir es gewohnt sind.

Wie bemühen Sie sich um ihre Mitarbeiter?
Wir arbeiten familiär. Das bedeutet, wir kümmern uns um die Wohnraumsuche, gehen mit ihnen einkaufen, sind einfach für die Mitarbeiter da und haben, bildlich gesprochen, ein offenes Ohr für sie. Von jedem unserer Mitarbeiter kennen wir die Familienmitglieder, notieren uns die Geburtstage der Kinder, es sind vielleicht Kleinigkeiten, aber damit zeigen wir auch unser ehrliches Interesse. Das Nächste, worauf wir sehr achten, ist die Arbeitszeiterfassung. Jede Minute, die unsere Mitarbeiter in den Betrieben arbeiten, wird erfasst und bezahlt. Das ist für beide Seiten fair. Zwei freie Tage in der Woche gehören dazu. Ich gehe immer davon aus, was ich als Arbeitnehmer wollen würde. Angenehmen Arbeitsplatz, gutes Team, genug Freizeit, faire Bezahlung. Alle diese Punkte haben wir umgesetzt. Wir gehen noch einen Schritt weiter, und beziehen unsere Mitarbeiter in die Entscheidungen, die den Ablauf im Restaurant betreffen, ein. Da sind nicht nur Vorschläge willkommen, sondern auch konstruktive Kritik. Kurzum, sie sind keine Personalnummern. Um es noch einmal zu betonen, wir sind sehr dankbar, so ein kompetentes Team zu haben.

Welche Gründe haben Sie bewegt, das gutgehende Restaurant nach zehn Jahren abzugeben?
Nachdem wir das Hotel übernommen hatten, habe ich mit meinem Bruder ausgemacht, dass wir weiter schauen, ob wir alle drei Projekte behalten möchten. Im Herbst 2019 fiel dann unser Entschluss, das Restaurant abzugeben. Hätten wir beschlossen weiterzumachen, dann müssten wir als Pächter noch einmal viel Geld in die Hand nehmen.

Wie sehr hat die Corona-Pandemie Ihren Entschluss bekräftigt?
Gar nicht. Weil die Entscheidung schon letztes Jahr gefasst wurde.

Der Gasthof war unter anderem wegen seiner kroatischen Küche sehr beliebt. Wird es diesbezüglich Umstrukturierungen auf den Speisekarten in Ihren anderen beiden Restaurants geben?
Nach dem Lockdown haben wir entschieden dass, wir die kroatische Küche ins „Aquila“ übernehmen. Das hatten wir aber auch die letzten Jahre so gemacht, wenn im Gasthof „Schwanen“ Betriebsruhe war.

Haben Sie alle Mitarbeiter übernehmen können?
Ja, alle komplett. Ich bin auch froh, dass alle bleiben wollten.

Was meinen Sie, wie sehr wird sich die gastronomische Landschaft nach der Corona-Zeit verändert haben?
Wir haben 2008 auch die Banken- oder Wirtschaftskrise mitgemacht. Sie ist mit der Corona-Krise gar nicht zu vergleichen. Das was jetzt passiert, ist wie in einem Film, der einem Drehbuch folgt. Nicht arbeiten zu können oder zu dürfen, ist eine Situation, die gar nicht vorstellbar war. Nicht nur mir, sondern auch meinen Kollegen und Kolleginnen ist es sicher so gegangen, dass man Sorge hatte, wie es weitergehen wird. Man ist ja nicht nur für sich selber verantwortlich sondern auch für seine Mitarbeiter, Familie, Vermieter, Geschäftspartner. So hart es auch klingen mag, die Corona-Zeit hat auch vieles, was im Verborgenen lag, zu Tage gebracht. Auch wenn man es selber so nicht wahrhaben wollte. Geschäftspartnerschaften haben sich in dieser Zeit bewährt, oder man ist enttäuscht worden. Dieses „wir-sind-für-Sie-da“, das man vor Verträgen immer wieder gesagt bekommt, konnte sich jetzt in dieser Zeit bewahrheiten, ob es nur eine Farce ist oder den Tatsachen entspricht. Ich selber habe beides erlebt, diesen starken Rückhalt und das Fallenlassen. Über Freunde und Nachbarn, die für uns da waren und jene von denen man so eine Rücksichtslosigkeit oder Härte nicht erwartet hat. Es waren Gefühle, die sich zwischen Dankbarkeit und Enttäuschung hin und her bewegten. Insofern bin ich mir sicher, dass das, was ich erlebt habe, auch andere durchmachen. Manche haben vielleicht resigniert und ihre Lokalitäten aufgegeben. 2021 wird sich vieles verändert haben. Leider wird oft vergessen, wie viele Arbeitsplätze das Gastgewerbe bietet, welche Komplexität dahinter steckt. Es sind so viele Betriebe und Unternehmen, die von dieser Branche abhängig sind oder davon partizipieren. Angefangen vom Schreiner, Elektriker, Raumausstatter, Brauereien, Wäschereien, Metzger, Bäcker, Versicherungen, Tourismus… die Liste ist sehr lang. Umso wichtiger ist es, sich auf Augenhöhe zu begegnen und die Möglichkeiten, Krisen gemeinschaftlich zu bewerkstelligen, zu erörtern.

Das hört sich sehr dramatisch an.
Ich finde es nicht dramatisch, sondern realistisch. Die Corona-Zeit hat gezeigt, wie stark unsere Gesellschaft sein kann wenn ein Zusammenhalt da ist. Nicht dass Sie jetzt meinen, wir müssen unser Hotel und Restaurant schließen. Es geht uns gut und wir sind für unsere Gäste, sobald es wieder möglich ist, da. Und darauf freuen wir uns.

Vielen Dank für das Gespräch.
Ich danke Ihnen. Die Sommermonate haben von uns allen viel abverlangt. Jeder gab sein Bestes, dass es funktioniert und die Gäste zufrieden sind. Diese Mehrarbeit ist nicht selbstverständlich. Deswegen möchte ich mich bei meinen Mitarbeitern im Hotel und in den Restaurants für ihr Engagement und ihren Einsatz bedanken. Meiner Familie danke ich insbesondere, dass sie mir den Rücken freigehalten haben und meiner Frau für ihr Verständnis. Gemeinsam mit meiner Familie wünsche ich allen ein frohes Weihnachtsfest.

Text · Fotos: Sabina Riegger

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