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Adventszeit und ein Christkind für das Haus Wittelsbach

Die Adventszeit und das Weihnachtsfest waren auch in den Tagen der Monarchie ein fester und wichtiger Bestandteil des Jahreskalenders. Einige Adventsbräuche unterschieden sich allerdings von dem was wir heute kennen. So war es zum Beispiel das Paradeisl oder Paradeiserl, das in den bürgerlichen Stuben die fortschreitende Zeit bis Weihnachten darstellte. Es bestand aus vier Äpfeln, die mit kunstvoll bemalten oder geschnitzten Stöcken zu einer Pyramide verbunden wurden. Drei Äpfel bildeten die Basis auf der ein weiterer thronte. Die Äpfel symbolisierten die vier Adventssonntage. Auf jedem wurde eine Kerze platziert. Der obere Apfel stellte den 4. Advent dar. In manchen Gegenden Bayerns verkleidete man die Verbindungsstöcke auch mit Tannengrün oder Buchs. Das Paradeisl war die katholische Variante des eher protestantischen Adventskranzes, der heutzutage populärere, lichtbringende Brauch. Bei beiden Bräuchen geht es um dasselbe: Die stete Zunahme von Licht in der dunklen Winterzeit.

Im Spätherbst und den Wintermonaten des 19. Jahrhunderts wurde es in der Stadt München betriebsamer. Wenn die kalte Jahreszeit nahte, kehrten die königlichen Majestäten und Hoheiten mit Hofstaat und Gefolge aus den Sommerresidenzen in die Hauptstadt zurück. Die adeligen Damen und Herren bewohnten hier herrschaftliche Palais und Schlösser. Das Leuchtenberg-Palais, das Wittelsbacher Palais, das Herzog-Max-Palais oder das Schloss Biederstein, um nur ein paar wenige zu nennen, waren die städtischen Wohnsitze unterschiedlicher königlicher Prinzen und Prinzessinnen und deren Familien. Der regierende König selbst sowie seine engste Familie hatten ihre Wohnräume in der weitläufigen Münchener Residenz. Hier fanden auch die Weihnachtsdiners und die königliche Bescherung des amtierenden Monarchen statt. Am Weihnachtsabend beschenkte er nicht nur Familienmitglieder, sondern auch die Bediensteten und Angestellten.

Der Heilige Abend des Jahres 1837 brachte hingegen ein besonderes Geschenk für das Haus Wittelsbach mit sich. Der in dieser Zeit regierende König Ludwig I. von Bayern feierte das Weihnachtsfest mit seiner Frau Königin Therese in der Residenz. Nur wenige Häuser entfernt im Herzog-Max-Palais, machte sich die Halbschwester König Ludwigs I., Ludovika, gerade ausgehfertig. Die 29-jährige königliche Prinzessin und ihr gleichaltriger Ehemann, Herzog Max in Bayern, hatten vor sechs Jahren das neu gebaute Stadthaus an der Ludwigstraße bezogen. Diesen Weihnachtsabend wollte Ludovika bei ihrer Mutter, der Königinwitwe Caroline von Bayern verbringen. Doch kurz bevor sie das Haus verlassen wollte, erhielt sie von ihrem Arzt den Rat, den Abend besser zu Hause zu bleiben. Die Herzogin war hochschwanger und es zeigten sich allmählich die Vorboten der nahenden Geburt.

Gut, dass die werdende Mutter den Rat des Doktors befolgte, denn nur kurze Zeit später setzten tatsächlich die Wehen ein. Die Geburt ihres vierten Kindes stand somit unmittelbar bevor und die Wehen nahmen rasch an Intensität zu. In der heutigen Zeit sind Geburten private und sehr intime Angelegenheiten, bei denen außer der werdenden Eltern meist nur Hebammen oder Ärzte anwesend sind. Das Privileg von Intimität hatten Prinzessinnen damals nicht. Wurde eine Angehörige des königlichen Hauses von einem Kind entbunden, bedeutete das ein Staatsinteresse. So war es nicht außergewöhnlich, dass beim Einsetzen der Wehen nach drei Staatsministern geschickt wurde, die die bevorstehende Geburt bezeugen mussten.

Nicht nur Staatsdiener standen an diesem Weihnachtsabend an Herzogin Ludovikas Bett, auch ihre Mutter, die Königinwitwe und ihre älteste Halbschwester, Auguste von Leuchtenberg hatten von den einsetzenden Wehen erfahren und eilten ins Herzog-Max-Palais. Bei all der öffentlichen Atmosphäre fällt auf, dass der Kindsvater Herzog Max in Bayern fehlte. Er bereitete sich in diesen Tagen auf eine ausgedehnte Orientreise vor, die ihn bis nach Nazareth und Betlehem führen sollte. Er blieb der Geburt seines Kindes fern.

Nach einer schnellen und unkomplizierten Entbindung konnte Ludovika schließlich um Viertel vor elf Uhr ihre neugeborene Tochter in den Armen halten. Ihr viertes Kind. Bereits 1831 erblickte Sohn Ludwig das Licht der Welt, 1832 folgte Sohn Wilhelm und 1834 die Tochter Helene. Der zweitgeborene, Wilhelm, wurde ebenfalls im Herzog-Max-Palais an einem 24. Dezember geboren. Der kleine Wilhelm erkrankte, nur wenige Wochen alt, an Keuchhusten und verstarb im darauffolgenden Februar des Jahres 1833. Der Tod des Sohnes machte Ludovika sehr zu schaffen. Ob sie aufgrund dessen die erneute Geburt an einem 24. Dezember beunruhigte, ist allerdings nicht bekannt.

Das neugeborene Kind, das Ludovika nun in den Armen hielt, war gesund und munter. Die Tatsache, dass das Mädchen bei ihrer Geburt bereits einen Milchzahn hatte, wertete man als gutes Zeichen. Zwei Tage später, am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde sie in der Kapelle des Herzog-Max-Palais auf den Namen Elisabeth Amalie Eugenie getauft. In ihrem späteren Leben stieg sie durch die Heirat mit Franz Joseph von Österreich zur Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn auf. Unter ihrem Spitznamen Sisi, den sie von ihrer Mutter Ludovika erhielt, ist sie bis heute weit über die Grenzen Bayerns und Österreichs bekannt.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin im
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau
Foto: Wikipedia

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