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Geschichte und Heilkraft des Senfs

„Wer nicht würzen kann, der tut Senf daran“

Eigentlich ist er ein relativ unscheinbar blühendes Wildkraut aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae), der mit Raps, Rettich und Kresse verwandt ist und im Juni-Juli in voller Blüte steht. Genauso unscheinbar ist zunächst einmal sein Geschmack. Doch das Geheimnis der Pflanze trägt das Senfkorn in sich: gerät es in Kontakt mit Flüssigkeit, entfalten sich starke Aromen, denn die für die Schärfe verantwortlichen gebundenen ätherischen Senföle liegen gebunden vor.

Die verschiedenen Senfsorten enthalten u.a. fettes Öl, Schleimstoffe und vor allem die sogenannten Senfölglycoside. Werden jetzt die Zellen der Senfkörner zerstört, wie etwa durch Zermahlen, kommen die Senfölglycoside in Kontakt mit bestimmten Enzymen und werden von diesen zu Senföl aufgespalten. Dieses ist hauptverantwortlich für die Heilwirkung der Pflanze. In erster Linie wirkt Senföl stark hautreizend und damit lokal durchblutungsfördernd. Daneben konnte auch eine antibakterielle, antivirale und entzündungshemmende Wirkung nachgewiesen werden. Aber dazu später noch mehr.

Jetzt erst einmal zur Geschichte des Senfs. Die indische und chinesische Küche ist bekanntlich scharf und würzig und so überrascht es nicht, dass die ältesten Nachweise des Senfs uns nach Asien führen. Brauner Senf (Brassica juncea) wird deshalb auch als Indischer oder Chinesischer Senf bezeichnet. Des weiteren gibt es noch schwarzen (Brassica nigra) und weißen Senf (Sinapis alba). Letzterer wird wegen seiner leuchtendgelben Blüten auch gelber Senf genannt. In unterschiedlichen Mischungsverhältnissen lassen sich so immer wieder neue Geschmackskreationen, egal ob schärfer oder milder, erzeugen. Über Kleinasien gelangte das Senfkorn nach Griechenland, wo es auch aufgrund seiner Heilkraft geschätzt wurde. Im 1. Jahrhundert beschreibt der griechische Arzt Pedanios Dioskorides, der berühmteste Pharmakologe des Altertums, in seiner Abhandlung „Materia Medica“ die heilende Wirkung des Senfs. Wie schon oben erwähnt, wirken die Senföle u.a. antibiotisch gegen Erkältungskrankheiten, Senfpflaster werden als Heilmittel bei rheumatischen Schmerzen, Neuralgien und entzündungshemmendes Mittel angewandt.

Die Römer, denen wir die ersten europäischen Senfrezepte verdanken, verbreiteten die Senfkultur in ihrem gesamten Reich. Große Pflanzungen gab es u.a. im maurischen Spanien des Mittelalters. Diese inspirierten Kaiser Karl den Großen dazu, den Senf in seine „Capitulare de Villis“, seine spezielle Liste der Pflanzen, die in seinem Reich angebaut werden sollten, aufzunehmen. Andererseits bot der Senf neben dem Meerrettich im Mittelalter die einzige Möglichkeit, dem Essen Schärfe zu verleihen. Im 13. Jahrhundert erhielt die burgundische Hauptstadt Dijon ein Senfmonopol – der Senf aus Dijon ist, wie wir alle wissen, heute noch berühmt! Bei einem Festmahl, das der Herzog von Burgund 1336 zu Ehren König Philipps VI. gab, sollen bis zu 300 Liter dieses Gewürzes verspeist worden sein! Übrigens: Dijon-Senf besteht ausschließlich aus Samenkörnern des Braunen oder Schwarzen Senfs, die nicht entölt werden. Doch erst als der junge Dijonnais Jean Naigeon auf die Idee kam, ihn nicht wie üblich mit Essig, sondern mit Verjus, einem Saft aus unreifen Trauben, zu vermengen, gelangte der Dijon-Senf zu seinem Weltruhm. Verjus, der „brennende“ Traubenmost (lat. mustum ardens) war schon den Römern bekannt und wirkte auch namensgebend, so im französischen „Moutarde“, dem englischen „Mustard“ oder dem deutschen „Mostrich“. Sprichwörtlich kam der Senf noch zu ganz anderen Ehren: „Seinen Senf dazu geben“ bedeutet umgangssprachlich, ungefragt seine Meinung abzugeben. Der Ursprung dieser Redewendung liegt vermutlich im 17. Jahrhundert, als Wirte ihren Gästen zu jeder Speise Senf servierten, und das egal, ob gewünscht war oder nicht und ob es überhaupt passte… Denn nur so konnten auch minderwertige Speisen durch den starken Geschmack und die antibakterielle Wirkung genießbar gemacht werden!

Und nun zu der Wirkung des Senfs als Hausmittel:
Zu Heilzwecken werden sowohl das grüne oder schwarze Senfmehl, erhältlich als Semen sinapis Pulver oder das gelbe Senfmehl, Semen erucae Pulver verwendet. Die gelben, oder auch weißen, Senfsamen genannt, sind in ihrer Wirkung etwas milder, vielleicht für den ersten Versuch dann doch erst mal besser….

Ich möchte Ihnen einige Anwendungsmöglichkeiten vorstellen:
Ein Senfmehlfußbad kann u.a. bei beginnenden Infekten der oberen Atemwege wie Erkältung oder Nasennebenhöhlenentzündung helfen. Gelegentlich wird es auch bei Kopfschmerzen, Migräne und Verstopfung empfohlen. Auch bei kalten Füßen und Kreislaufstörungen kann so ein Senfbad sehr hilfreich sein. Wichtig ist nur: Bei Menschen mit empfindlicher Haut und bei Kleinkindern sollte es nicht angewendet werden! Das gilt natürlich für alle Heilrezepturen mit Senf.

So gehen Sie nun vor:
Füllen Sie eine Fußbadewanne mit etwa 38 Grad warmem Wasser, und zwar so hoch, dass es später bis auf halbe Höhe der Waden (bis maximal unters Knie) reicht. Nun 10-30 g Senfmehl gut im Wasser verteilen.
Setzen Sie sich auf einen Stuhl vor die Wanne und stellen Ihre Füße hinein. Nach etwa 2-10 Minuten beginnt die Haut an den Füßen bzw. Waden durch das reizende Senföl zu brennen. Dann die Füße noch etwa 5-10 Minuten im Wasser lassen, sofern das Brennen auszuhalten ist. Die Füße herausnehmen, mit warmem Wasser gründlich abspülen, abtrocknen und mit etwas Öl, z.B. Olivenöl einreiben.
30-60 Minuten im Bett nachruhen, evtl. mit Wollsocken. Im akuten Krankheitsfall, z.B. Erkältung 1 x täglich, am besten vormittags. Bei Migräne soll dieses Fußbad auch als Kur hilfreich sein: dazu über mehrere Wochen 2-3 mal wöchentlich anwenden.

Eine andere bekannte Senf-Anwendung ist die Senfmehlkompresse: am Brustkorb aufgelegt kann sie z. B. bei Bronchitis mit verengten Atemwegen (obstruktive Bronchitis), Lungenentzündung oder Rippfellentzündung helfen. Auch bei Weichteilrheuma oder verschleißbedingten Gelenkerkrankungen kann sie wohltuend sein.
Geben Sie 10-30 g Senfmehl 2 cm dick auf ein Stück Zellstoff, falten Sie dieses ein und schlagen es in ein Tuch ein.
Diese Kompresse in 250 ml warmes Wasser – max. 38 Grad – legen und durchziehen lassen. Anschließend vorsichtig ausdrücken, nicht auswringen!
Legen sie die Kompresse nun möglichst faltenfrei an die betroffene Körperstelle an und fixieren Sie sie mit einem Außentuch.
Sobald das typische Hautbrennen einsetzt, die Kompresse bei erstmaliger Anwendung noch 1-3 Minuten belassen. Bei weiteren Anwendungen an den Folgetagen kann die die Zeitdauer bis auf etwa 10 Minuten gesteigert werden. Bei älteren Kindern generell die Kompresse nur maximal 3-5 Minuten belassen.
Dann die Kompresse schnell abnehmen, die Haut mit Olivenöl einreiben und 30-60 Minuten nachruhen.
1 x täglich, am besten hier auch am Vormittag.

Mein Lieblingsrezept für einen selbstgemachten mittelscharfen Senf ist folgendes:
100 g gelbes Senfmehl, 2 gestrichene TL Salz, 2 gestrichene EL Zucker gründlich mischen. Dann 60 ml Weinessig und 80ml Wasser zugeben und verrühren (Pürierstab), bis das Mehl zu quellen beginnt und der Senf fest wird. Danach den Senf in Gläser abfüllen und mindestens 14 Tage, besser noch etwas länger reifen lassen.
Dieser Senf lässt sich prima mit Kräutern, Zwiebeln, Knoblauch oder Chili verfeinern, je nach Geschmack.

Also:Geben Sie Ihren Senf dazu!

Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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