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Wir brauchen Gemeinschaft

Bayern fährt in der Corona-Krise einen restriktiveren Kurs bei den Ausgangsbeschränkungen als andere Bundesländer.
Ab 11. Mai sollen wieder Gottesdienste stattfinden. Es brauche aber Schutzvorkehrungen. Wir sprachen mit Pfarrerin Ilka Huber und Pfarrer Frank Deuring über die Maßnahmen und die Kirche.

Halten Sie die strengen Maßnahmen für richtig?
Pfarrerin Ilka Huber: Ja. Viele Veranstaltungen und Gottesdienste werden in der Regel auch von älteren Menschen besucht. Sie wollen sich in der Gemeinde treffen, zusammenkommen. Das ist immer mit Nähe verbunden. Daher sind die Einschränkungen für Kirchen und andere Religionsgemeinschaften sinnvoll und richtig.

Pfarrer Frank Deuring: Da ich kein Virologe bin, kann ich diese Frage nicht fachlich beantworten. Klar ist, dass wir als Kirche nicht nur eine Verantwortung für die Mitarbeiter/-innen haben, sondern auch für die Gläubigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige, die auch zur Risikogruppe zählen, bestimmt zum Gottesdienst gegangen wären und somit eine Ansteckungsgefahr in Kauf genommen hätten, was es aber dringend zu vermeiden gilt. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass auch die Kirchen bei diesen Maßnahmen mitziehen und sich nicht auf andere Rechtssprechungen berufen. Wir werden uns bald mit den Kirchenvertretern und mit dem Staatsministerium beraten um die entsprechenden Möglichkeiten zu erörtern und Hygienemaßnahmen zu besprochen. Erst dann können wir mehr sagen. Mein / unser Wunsch wäre, dass wir unter den gegebenen Sicherheitsmaßnahmen am 10. Mai mit Gottesdiensten wieder beginnen.

Wurden Ihre Seelsorgebetreuungen mehr in Anspruch genommen als vor der Corona-Krise?
Pfarrerin Ilka Huber: Die Seelsorge wird zu jeder Zeit in Anspruch genommen. Im Moment merken wir in der Seelsorge verstärkt, dass die gesellschaftliche Situation bei einigen nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen hat, sondern auch psychische. Dazu gehören beispielsweise Existenzängste und auch Beziehungskrisen.

Pfarrer Frank Deuring: Nachdem ein persönlicher Kontakt nur mit Einschränkungen möglich ist, trauten sich die Menschen auch nicht unbedingt, auf uns als Seelsorger zuzugehen. Wir telefonieren viel mit Menschen. Diese Form von Seelsorge hat sich verändert. Doch der persönliche Kontakt hat immer noch Priorität.

Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, wieder Gottesdienste anbieten zu können?
Pfarrerin Ilka Huber: Gottesdienste geben Menschen Halt. Sie treffen andere Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen, beten gemeinsam, singen miteinander, teilen die gleiche Hoffnung und hören die frohe Botschaft. Nach dem Gottesdienst unterhält man sich noch. Fernseh-und Rundfunkgottesdienste vermitteln natürlich auch die frohe Botschaft, aber man sitzt halt alleine oder zu zweit auf der Couch davor.

Pfarrer Frank Deuring: Stellen Sie sich vor, Sie feiern alleine zu Hause Geburtstag. Da kommt keine Feierlaune auf. Wir brauchen Gemeinschaft, um Feste feiern zu können. Menschen, die sich gegenseitig bestärken, der gemeinsame Gesang, die Riten, die Glauben und Gott erfahrbar machen. Gottesdienst ist immer ein Fest, da uns Christus begegnet und sich vor allem in den Sakramenten erfahrbar macht. Aus dieser Erfahrung und Begegnung leben wir Christen, die uns zu weiterem Handeln am Nächsten ermutigt. Darum brauchen wir baldmöglichst wieder Gottesdienste.

Glauben Sie, wenn Gottesdienste wieder angeboten werden, dass mehr Gläubige das Angebot nutzen werden?
Pfarrerin Ilka Huber: Nein. Vielleicht kommen am Anfang einige, die eher zu den Event-Kirchenbesuchern gehören und das Osterfest vermisst haben. Wer aber sonst nichts mit Gottesdiensten am Hut hat, wird nach der Aufhebung der Beschränkungen auch nicht kommen wollen.

Pfarrer Frank Deuring: Ich denke, dass der eine oder andere sich während der akuten Ansteckungszeit zurückhalten wird. Ob später mehr in den Gottesdienst kommen werden als vorher, kann ich heute noch nicht beurteilen. Freuen würde ich mich, denn die Erfahrung, dass Gott uns durch Krisen führt, kann mit einem Gottesdienstbesuch ein Zeichen der Dankbarkeit sein.

Wie stark hat sich Ihrer Meinung nach die Kirche während der Corona-Krise festigen können?
Pfarrerin Ilka Huber: Diese Frage finde ich seltsam. Denn der Kirche sollte es in einer Krise und auch sonst darum gehen, ohne Schielen auf sich selbst oder irgendeine Festigung, einfach für Menschen da zu sein.

Pfarrer Frank Deuring: Die Corona-Krise zeigt uns Menschen, dass wir doch nicht alles in der Hand haben und dass wir Gott brauchen, der uns trägt und hält. Diese Erfahrung mag den einen und anderen bei der Überlegung eines Kirchenaustritts hindern, weil er spürt, dass die Vermittlung von Glaube und Gott und die Verkündigung nur durch eine Institution, wie die Kirche, möglich ist. Sie gibt aufgrund ihrer Tradition und den vielen Glaubenserfahrungen ein Fundament, das trägt und Menschen in unsicheren Situationen Halt geben kann. Ich hoffe, dass das viele Menschen so erkennen und spüren dürfen, dass es die Kirche in unserer Gesellschaft braucht, die besonders den gesellschaftlichen „Verlierern“ eine Stimme gibt und ihnen in Wertschätzung begegnet.

Text · Fotos: Manfred Sailer

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