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Wichtig ist, welche Weichen wir für die Zukunft stellen.

Stefan Fredlmeier seit 10 Jahren Tourismus-Chef in Füssen

Zehn Jahre sind vergangen, als Stefan Fredl-
meier nach Füssen kam, um den Posten des Tourismusdirektors der Stadt anzunehmen. Eine Aufgabe, die in der Region wohl ohne Zweifel einzigartig sein dürfte, gespickt mit immer wieder neuen Herausforderungen, nicht zuletzt, weil der Tourismus besonders in diesen letzten zehn Jahren enorm angewachsen ist. Längst geht es für den Chef des Füssener Kommunalunternehmens nicht mehr nur um Marketing, Hotelvernetzungen, Buchungsportale oder ähnliche touristische Alltagsfragen. Vielmehr hat sich das Thema Tourismus zu einem der brennendsten Themen der Stadt entwickelt. Vor allem deswegen, weil auch die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger, die den Tourismus mittlerweile sogar als „lästig“ empfinden, in den letzten Jahren immer größer geworden ist. Für Stefan Fredlmeier war und bleibt dies weiterhin also keine leichte Aufgabe.

„Meine Zeit in Füssen fühlt sich für mich nicht wie zehn Jahre an. Aber wenn ich bedenke, was in dieser intensiven Zeit alles passiert ist, vergleiche ich ein Touristikerjahr gerne mit einem Hundejahr, und das zählt siebenfach.“ In unserem ersten Interview sagte er damals, dass Füssen niemanden zu erwarten hat, der den Tourismus neu erfindet. “Füssen kann jemanden erwarten, der sich sieben Tage in der Woche für die touristischen Belange engagiert und für den Zusammenarbeit und Kooperation elementar sind. Ich will die Position Füssens noch weiter ausbauen und stärken.“ Heute, zehn Jahre später, ist klar, dass genau dies gelungen ist. Aber nicht nur das. Wurde FTM damals noch nicht selten belächelt, gilt es heute immerhin als eine der wichtigsten Einrichtungen der Stadt. „Heute ist unsere Basis stabiler, der Respekt und die Reputation sind gestiegen, obwohl die Herausforderungen nicht weniger oder leichter geworden sind. Unsere Position in der Öffentlichkeit wird von dem einen kritischer, von dem anderen positiver gesehen. Dazu kommt aber noch eine veränderte Wahrnehmung in Bezug auf den Tourismus. Das hat auch unser Aufgabengebiet verändert.“

So konnte FTM nahezu in jedem Jahr eine deutliche Steigerung der Übernachtungszahlen vorweisen, die heute bei über 1,4 Millionen im Jahr liegen. „Die Übernachtungen sind nicht plötzlich explodiert“, sagt Fredlmeier. „Sie haben sich peu à peu gesteigert, nur wird es eben nicht so empfunden, im Gegenteil: Die zunehmende Darstellung des Tourismus als Problem ging einher mit der medialen Thematisierung des Overtourism an Orten, an denen der Tourismusdruck weitaus größer ist als bei uns, zum Beispiel in Venedig, Barcelona oder Mallorca.“ Somit würden viele Vorteile, die durch den Tourismus entstehen, vielfach nicht mehr als Verbesserung der gesamten Lebensqualität wahrgenommen, sondern eher nur als reine touristische Maßnahme, die in erster Linie nicht direkt für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt eingeleitet worden ist. „Die richtige Dosis Tourismus ist ein schmaler Grat“, betont er. „Alles, was sich inzwischen an negativen Begleiterscheinungen durch den Tourismus ergibt, ist eine Herausforderung für uns und damit eine Aufgabe der Stadtentwicklung. Die Stadt lebt maßgeblich vom Tourismus, der uns nicht nur viel Wirtschaftskraft bringt, sondern auch jede Menge Lebensqualität. Schließlich werden mit touristischen Geldern Projekte finanziert, von denen auch die Einheimischen profitieren.“

Immerhin bedeutet ein neues Kneipp-Becken in Weißensee oder ein Ruheplatz in Bad Faulenbach durchaus eine Aufwertung für den Lebensraum, der schließlich von Touristen wie auch Einheimischen genutzt wird. „Den Tourismus nach außen nur noch als Problem zu präsentieren, ist für einen Tourismusort absolut kritisch“, ergänzt Fredlmeier. „Denn diese Diskussion, die von außen als repräsentative Stimmung interpretiert wird, wird auch von den Gästen wahrgenommen.“ So könnten Besucher der Stadt folglich meinen, dass sie selbst von den Füssenern als Problem angesehen werden, was wiederum der Willkommenskultur der Stadt und ihrer Gastgeber enorm schadet. „Ein Gast wird nicht dorthin fahren, wo er nicht gerne gesehen wird. Wir müssen uns also darüber im Klaren sein, welches Echo man mit überhitzten Diskussionen auslösen kann. Der Tourismus und das Leben der Einheimischen werden in vielen Argumentationen zwanghaft getrennt, genau davon müssen wir uns endlich verabschieden. Wir reden über einen Lebensraum, in dem Tourismus eine große Rolle spielt, das ist richtig. Aber es ist völliger Unsinn zu glauben, dass Touristen und Einheimische völlig unterschiedliche Vorlieben haben. Unser Gast sucht andere Erfahrungen und Erlebnisse als bei sich zuhause, denn sonst könnte er ja daheim bleiben. Diese Anderszeit muss also authentisch sein. Deswegen gilt es auch, diese Stadt im Kern ihres Wesens zu schützen. Wenn unsere Stadt nur noch eine touristische Infrastruktur hat bzw. ist, wird sie an Attraktivität verlieren. Sie bleibt nur interessant, wenn sie als Lebensraum erkennbar ist, denn unsere Gäste wollen mit und bei uns leben, nicht ihre Zeit unter einer touristischen Käseglocke verbringen. Daher geht es auch vorrangig um eine Verbesserung der Qualität, aber nicht um eine Steigerung der Quantität.“

Nach diesem Maßstab hat sich auch der Marketing- und Wirtschaftsausschuss von FTM in den vergangenen zehn Jahren immer mehr Gewicht verschafft. Das Gremium, das sich aus Vertretern der Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und FTM zusammensetzt, gibt Empfehlungen im Hinblick auf Fragen, die die weitere touristische Entwicklung der Stadt betreffen, zu der unter anderem etwa auch die Ansiedelung von Hotels oder anderen Übernachtungsbetrieben zählt. Verändert hat sich aber auch das Profil der Stadt. Hatte man sich früher eher nur darauf beschränkt, das bereits vorhandene touristische Angebot zu präsentieren, konnte sich Füssen in den letzten Jahren immer mehr zu einem echten „Produkt“ entwickeln, das über ein klar erkennbares Image verfügt und ganz bestimmte Zielgruppen anspricht. Zudem ist das Kommunalunternehmen Füssen Tourismus heute ganz anders aufgestellt, als noch vor zehn Jahren, was vor allem in der Kommunikation mit dem Gast, aber auch im internen Netzwerk mit allen Beteiligten spürbar ist. „Wichtig ist, welche Weichen wir nun für die Zukunft stellen“, so Stefan Fredlmeier. „Wir haben dafür zu sorgen, dass das Allgäu auch in den kommenden Generationen noch ein Lebensraum ist, in dem man vernünftig leben, arbeiten und urlauben kann. Es geht also um die Lösung von elementaren Zukunftsfragen, zu der auch der Tourismus seinen Beitrag leisten muss. Das ist die wichtigste Herausforderung für uns.“

Text: Lars Peter Schwarz · Foto: privat (1), Hubert Riegger (1)

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