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König Otto I. von Bayern

Kaum ein Monarch in Deutschland ist berühmter als der Märchenkönig Ludwig II. von Bayern. Auch sein Vater und sein Großvater, König Max II. und König Ludwig I. sind wohlbekannt. An König Otto I. von Bayern kann sich jedoch kaum jemand erinnern.

Während Ottos Kinder- und Jugendtagen glaubte niemand, dass er einmal König von Bayern werden würde, hatte er doch einen gesunden älteren Bruder. Und doch trug Otto den Titel „König von Bayern“ dreißig Jahre lang, von 1886 bis zu seinem Tod 1916. Kein anderer bayerischer Prinz war so lange König wie Otto.

Nachdem sein älterer Bruder Ludwig II. gestorben war, wurde Otto, gemäß der Thronfolgeregelung, König von Bayern. Allerdings konnte er die Regierungsgeschäfte nicht übernehmen. Bereits vierzehn Jahre vorher diagnostizierten Ärzte eine nicht heilbare psychische Erkrankung bei dem jungen Prinzen. Also benötigte man einen Stellvertreter, einen Regenten, der die Regierungsgeschäfte an Ottos Stelle übernehmen konnte. Dieses Amt erhielt der nächste in der Thronfolge, sein Onkel Luitpold. Dieser lenkte von nun an die Geschicke Bayerns als Prinzregent.

Otto war der zweitgeborene Sohn von König Max II. und seiner Frau Marie. Die Geburt ging rasant vonstatten. Marie, im siebten Monat schwanger, war auf dem Weg ins Kinderzimmer ihres Sohnes Ludwig, als plötzlich die Wehen einsetzten. Nicht einmal eine halbe Stunde später erblickte der sehr zierliche und schwache Prinz das Licht der Welt. Die herbeigerufenen Ärzte waren sich nicht sicher, ob der Neugeborene überleben würde. Bereits zwei Tage nach der Geburt wurde er auf den Namen Otto Wilhelm Luitpold Adalbert Waldemar getauft. Rufname „Otto“. Endlich ein „Otto“, werden sich die Eltern gedacht haben. Denn eigentlich wollten sie ihrem Erstgeborenen bereits diesen Namen geben. Doch auf ausdrücklichen Wunsch des königlichen Großvaters Ludwig I. wurde aus „Otto“ ein „Ludwig“.

Das Amt des Taufpaten erhielt König Otto von Griechenland, Ottos Onkel und Namensvetter. Die gesamte königliche Familie war bei der Taufzeremonie im Thronsaal der Münchner Residenz anwesend. Sogar die beiden kleinen „Ludwigs“ waren dabei. Ottos älterer Bruder Ludwig, der spätere König Ludwig II., damals zweieinhalb Jahre alt und sein Cousin Ludwig, der spätere König Ludwig III., damals drei Jahre alt „waren ganz artig und hielten die Kerzen“, erinnerte sich Prinz Adalbert in seinen Aufzeichnungen. Nur eine fehlte: Königin Marie. Prinz Ottos Mutter durfte das Wochenbett nicht verlassen.

Trotz dem etwas holprigen Start in sein Leben entwickelte sich der junge Wittelsbacher zu einem gesunden Kind. Er war so ganz anders als sein großer Bruder. Ludwig galt als eher zurückhaltend, fast schüchtern. Der kleine Otto hingegen war fast ein bisschen draufgängerisch und eroberte mit seiner offenen und liebenswerten Art die Herzen seiner Umgebung im Sturm. Schnell wurde er der Liebling am bayerischen Königshof. Auch äußerlich glichen sich die beiden Brüder kaum. Der großgewachsene, drahtige Ludwig mit dunkeln Haaren hatte so gar nichts gemeinsam mit dem kleinen, etwas gedrungenen, blonden Otto. Hohenschwangau und Umgebung waren für Otto einer seiner liebsten Aufenthaltsorte. Er verbrachte fast jeden Sommer seiner Kindheit und Jugend im malerisch gelegenen Schloss Hohenschwangau. Die Burg hatte sein Vater 1832 erworben und zum Sommersitz um- und wiederaufbauen lassen. Zwar standen für die beiden Prinzen auch in den Sommermonaten jeden Tag Lehr- und Studierzeiten auf dem Programm, doch boten sich ihnen zahlreiche Möglichkeiten ihre freie Zeit zu gestalten. Sie waren begeisterte und ausgesprochen gute Reiter. Während Ludwig gerne am Alpsee fischte, ging Otto lieber mit auf die Jagd. Eines seiner Gewehre kann heutzutage in Hohenschwangau, im Museum der bayerischen Könige besichtigt werden. Mit ihrer Mutter, die eine leidenschaftliche Bergsteigerin war, unternahmen die Prinzen ausgedehnte Wanderungen auf die umliegenden Berge. Säuling, Aggenstein und Hochplatte sind nur einige der Berggipfel, die sie regelmäßig miteinander bestiegen.

Einer dieser Ausflüge führte die königlichen Hoheiten wieder einmal in das Schweizerhaus, das Max II. 1850 im Hochtal der Bleckenau für seine Frau Marie errichten ließ. Die Brüder hinterließen dort je ein Gedicht im Gästebuch ihrer Mutter.

Ludwig schrieb: „Wie freu ich mich Dich wieder zu begrüßen / Du stilles Haus nach langer, langer Zeit! – / Vergnügt begrüß ich dieses Baches friedlich Fließen / Euch Bäume und Euch Berge weit und breit. / Ich athme hier der Berge frische Lüfte, / Erfreu´ mich an des Himmels klarem Blau, / Es grüßen mich der Blumen süßes Düfte / Auf ihren Blättern liegt des Himmels frischer Thau, / So sag ich dieser Gegend nun, der hehren / Mein Aufenthalt wird lange noch hier währen / Ludwig.“

Den so poetischen Zeilen des älteren Bruders setzte Otto seinen Humor entgegen. Er schrieb darunter: „Eben trug Fürst Taxis / mit Kellner Praxis / Kaffee und Butter / uns zum Futter / Otto“.

Trotz aller Gegensätze blieben sich die Brüder sehr zugetan und standen füreinander ein. War König Ludwig in den ersten Jahren seiner Regentschaft aus gesundheitlichen Gründen verhindert, übernahm Otto die repräsentativen Aufgaben. Nur zwei Jahre nach Ludwigs Thronbesteigung, im Jahr 1866, brach der deutsche Krieg aus. Prinz Otto kämpfte an vorderster Front. Nach seiner Heimkehr traten bei ihm vermehrt auffällige psychische Veränderungen auf. Allerdings konnte ihn nichts davon abhalten auch beim darauffolgenden Krieg 1870/71 an die Front zu ziehen. Danach ist bei ihm nichts mehr wie es einmal war. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. König Ludwig II. war für seinen Bruder da und versuchte alles in seiner Macht Stehende, dessen Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Schloss Fürstenried wurde für Ottos Bedürfnisse umgebaut. Dort verbrachte er sein Leben in der Obhut von Ärzten und Pflegern bis zu seinem Tod. Der behandelnde Arzt war kein Geringerer als Dr. Bernhard von Gudden. Er galt damals als Koryphäe auf dem Gebiet der Psychiatrie. Wenige Jahre später sollte gerade dieser Arzt, den Ludwig zur Behandlung seines Bruders einsetzte, maßgeblich an seinem Entmündigungsverfahren beteiligt sein.

Am 27. April jährt sich Ottos Geburtstag zum 171. Mal.

Text: Vanessa Richter · Foto: Jean Louis Schlim

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