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Ein Gewinn für alle

75 neue Ausbildungsverträge mit geflüchteten Auszubildenden im Ostallgäu abgeschlossen

8.227 eingetragene Ausbildungsverhältnisse registrierte die IHK Schwaben zum 30. August 2018, das sind 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr (7.949). Ein gutes Ergebnis angesichts des Mangels an Bewerbern: Mehr als jeder dritte Betrieb in Deutschland findet keine geeigneten Kandidaten, so eine Onlineunternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) vom Juli 2018. Mehr noch: Viele Unternehmen verzeichnen inzwischen einen absoluten Mangel. Das heißt, sie erhalten überhaupt keine Bewerbung auf einen ausgeschriebenen Ausbildungsplatz. Christian Dierig, stellvertretender Präsident der IHK Schwaben und zuständig für Bildung: „Mit unserem zentralen IHK-Legislaturprojekt Lehre macht Karriere setzen wir genau an diesem Problem an, um die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften der Unternehmen zu fördern. Etwa, wenn wir zielgruppenspezifisch vorgehen und uns mit einer individuellen Ansprache an Abiturienten, Studienabbrecher, Jugendliche mit Förderbedarf, junge Mütter, die nur in Teilzeit eine Ausbildung absolvieren können, oder Migranten und Flüchtlinge wenden.“ So stieg 2018 der Anteil der Auszubildenden mit Hochschul- oder Fachhochschulreife auf 19,3 Prozent aller neuen Ausbildungsverträge (2017: 17,8 Prozent). Rund 1.200 Ausbildungsverträge für Migranten werden bei der IHK pro Jahr eingetragen. Seit 2015 sind 1.200 Flüchtlinge in IHK- Berufen in Ausbildung. Rund 500 von ihnen wurden von der IHK Schwaben an die Unternehmen vermittelt.

Viele Betriebe in der Gastronomie würden „leer“ ausgehen, wenn sie die jungen Flüchtlinge nicht hätten, so wie das Hotel Hirsch in Füssen. „Unsere drei Ausbildungsplätze sind mit Flüchtlingen besetzt. Zwei Köche und ein Restaurantfachmann. In der Praxis lernen die Auszubildenden schnell. In der Schule ist es etwas schwieriger“, erklärt Hotelier Harald Schwecke. Die Doppelbelastung in der Ausbildung für Geflüchtete ist wesentlich höher als für deutsche Lehrlinge. Schule und Betrieb unter einen Hut zu bringen und dazu noch in einer Fremdsprache mit Fachvokabular zu kommunizieren, ist eine absolute Herausforderung, die alles abverlangt. Im Allgäu brechen von den 1200 geflüchteten Auszubildenden neun Prozent ab. „In der Region Weilheim Schongau ist die Ausbildung nur dann möglich, wenn ein Integrationssprachkurs stattgefunden hat und man mindestens den Sprachkurs B1 vorweisen kann. Das ist eine Grundbasis, um die Ausbildung erfolgreich zu schaffen“, bestätigt auch Armin Wrinskelle von der Herzogsägmühle in Schongau, der für die Flüchtlingshilfe zuständig ist.

Josefine Steiger von der IHK Schwaben, die für das Projekt „Junge Flüchtlinge in Ausbildung“ und den Fachbereich Ausbildung verantwortlich ist, freut sich über den guten Abschnitt „ihrer“ geflüchteten Auszubildenden. „Wir hatten im Ostallgäu 74 Prüflinge, davon haben 60 die Prüfung bestanden und 90 Prozent von ihnen sind übernommen worden.“ Dieses Jahr fangen 75 neue Geflüchtete eine Ausbildung im Ostallgäu, Kaufbeuren inbegriffen, an.

Salia Sanogo aus Mali fing in seinem Ausbildungsbetrieb als Spüler an, jetzt ist er im 2. Lehrjahr als Koch tätig. In der Schule hat er noch Probleme. „Ich werde das schaffen“, sagt er selbstbewusst. „Als Koch macht er seine Sache sehr gut. Er hat auch einen eigenen Posten“, so seine Chefin Eva Schwecke. Für viele Flüchtlinge ist eine Ausbildung in Deutschland ein Gewinn. Mahmoud Alabdo ist 22 Jahre alt und sieht darin seine Chance. „Ich habe es mir nicht ausgesucht, ein Flüchtling zu sein. In Syrien wäre ich weiter auf die Schule gegangen. Mein Ziel war es Zahnarzt zu werden. Das werde ich hier sicher nie erreichen können. Aber vielleicht habe ich einmal mein eigenes Restaurant“, hofft er. Sein Deutsch ist gut und er kommt im Unterricht mit. Er hätte das Recht eine Ausbildungsbegleitende Hilfe (ABH) zu bekommen, nicht so sein Arbeitskollege Salia Sonogo. „Flüchtlinge, die aus Syrien, Iran, Irak, Somalia und Eritrea kommen, werden mit ABH von der Bundesagentur für Arbeit unterstützt, weil sie die höchste Anerkennungsquote und Bleibeperspektive haben“, erläutert Josefine Steiger und fügt hinzu „alle Anderen sind auf Ehrenamtliche und private Unterstützer angewiesen oder nehmen an unserem Projekt teil. Das gilt auch für die etwa 40% der Flüchtlinge in Schwaben, die aus Afghanistan kommen.“

Vieles hat sich in den letzten Jahren in der Wirtschaft verändert. Es hat ein Umdenken stattgefunden. Die Globalität bringt es mit sich. „Es kann für Alle eine Chance sein“, davon ist Harald Schwecke überzeugt. Erst vor Kurzem haben sie in den Familienbetrieb einiges investiert. Das Hotel wurde erweitert. „Ohne Mitarbeiter wäre das nicht möglich“, so Schwecke, „sie sind unser Motor“.

Informationen und Hilfen:
Auf www.goethe.de/willkommen findet man Selbstlernkurse, Sprechübungen und Videos. (kostenfrei)
Die Deutsche Welle bietet auf ihrer Internetseite www.dw.com/de/deutsch-lernen/deutschkurse/s-2068 multi-mediale Formate zur Unterstützung des Spracherwerbs, z. B. Videos, Hörspiele, Podcasts und E-Learning für Anfänger und Fortgeschrittene an. (kostenfrei)

VerA SESwww. vera.ses-bonn.de
Die größte ehrenamtliche Bildungsorganisation hat sich die Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen zum Ziel gesetzt. Das Besondere an VerA ist das Tandem-Modell. Jeder Auszubildende, auch Flüchtling, der Hilfe wünscht, erhält individuelle Unterstützung durch eine Expertin oder einen Experten des SES. Jährlich nehmen rund 3.000 Berufsstarter dieses Angebot in Anspruch – 80 Prozent von ihnen erreichen ihr persönliches Ziel. Mehr Informationen gibt es am 8. Oktober um 15 Uhr im Rathaus in Kaufbeuren.

www.schwaben.ihk.de
Hier findet man viele Information rund um das Thema „Junge Flüchtlinge in Ausbildung“ und Hilfestellungen dazu.

Text · Bild: Sabina Riegger

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