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Lebenselixier Schlaf

Winterschlaf, Frühjahrsmüdigkeit, Schlafkultur

Napoleon soll gesagt haben: „Vier Stunden schläft der Mann, fünf Stunden die Frau, sechs Stunden nur ein Idiot“. Er hielt nichts vom Schlafen. Während der Industrialisierung wurde viel daran gesetzt, die Nachtruhe zu verkürzen und die verlorene Zeit produktiv zu machen. Heute rauben wir uns selbst die Nachtruhe durch Medien jeglicher Art, Stress, Alkohol und schweres Essen.

Doch jeder weiß um den Wert eines gesunden Schlafes. Nichts ist wichtiger für unser Überleben und als Schutz vor Krankheit oder geistigem Abbau als genügend Wasser und Nahrung sowie ausreichend erholsamer Schlaf. Im Schlaf erfolgt die Neuformatierung aller Gehirnfunktionen, während sich ein still gelegter Körper bis auf Zellebene scannt und Schäden repariert. Gerade während des Schlafes ist unser Gehirn hoch aktiv, Gedächtnisinhalte werden verfestigt und Träume sind eine Art, Reize zu verarbeiten. Diese Regenerationsphasen sind Grundlage unserer Gesundheit.

Unser Körper unterliegt einem zirkadianen, also sich wiederholenden Rhythmus von 24 h, der durch die Sonne vorgegeben ist. Mit Sonnenaufgang werden wir normalerweise aktiv, nachts erholen wir uns von den Anstrengungen des Tages und verarbeiten unsere Erfahrungen. Allerdings stimmt unser natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus bei weitem nicht immer mit unseren stressigen Tagesanforderungen überein. Wachen wir zu bestimmten Zeiten immer wieder auf, kann dies ein Hinweis auf ein belastetes Organ sein. Die traditionelle chinesische Medizin sieht die Ursache für Schlafstörungen in den Meridiansystemen und einer zu hohen Windenergie. Hintergrund sind häufig Kummer, Überanstrengung und Sorgen, ein Teufelskreis aus innerer Anspannung und Schlaflosigkeit entsteht. Eine Studie der DAK zeigt von 2010 bis 2016 einen Anstieg der Schlafstörungen um 66 % und insgesamt 34 Millionen Betroffene in Deutschland. Bei fünf statt acht Stunden Schlaf täglich verdoppelt sich das Herzinfarktrisiko, chronische Entzündungen steigen und Gefäßwandschäden treten auf. Dauerhafter Schlafmangel lässt uns erschlaffen und vorzeitig altern, schwächt unsere Abwehr und erhöht das Diabetesrisiko. Bekommen wir lange zu wenig Schlaf, verlieren wir schon nach 24 h Stunden die rationale Kontrolle und werden aggressiver, ängstlicher und emotionaler. Die Konzentrationsfähigkeit ist vergleichbar mit der bei einem Blutalkoholpegel von 0,8 Promille. Nach noch längerem Schlafentzug folgt eine kurze Phase der Euphorie, dann kommen körperliche Beschwerden hinzu bis zu Kollaps und Herzstillstand. Dauerhafter Schlafentzug führt unweigerlich zum Tod.

Guter Schlaf dagegen bewirkt die automatische Entsorgung von Zellabfällen, einschließlich jener, die für Alzheimer mitverantwortlich sind, wie eine Studie aus Rochester belegt. Lange unterschätzt wurde auch die Bedeutung der Zirbeldrüse, die das Hormon Melatonin produziert, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus regelt. Melatonin bremst überall im Körper Aktivität und stößt den Schlaf an. Es fördert die Immunreaktion, blockiert den Alterungsprozess und regelt über die Hypopyhse den Hormonhaushalt. Die Produktion von Melatonin wird durch Licht und die Einnahme verschiedener Medikamente wie Aspirin, β-Blocker oder nichtsteroidale Antiphlogistika gebremst und ist nur ausreichend, wenn genügend Tryptophan im Körper vorhanden ist.

Kunstlicht in jeglicher Form in unserer lärm-, licht- und strahlungsverseuchten Umgebung hemmt die Produktion von Melatonin. Hinzu kommt die Geschwindigkeit des modernen Lebens mit seinem Konsum- und Optimierungsdruck, die technische Entwicklung ist dem Anpassungsvermögen von Körper und Seele weit voraus und hinterlässt Spuren.

Eine ärztliche Abklärung sollte erfolgen, wenn wir über Wochen hinweg schlecht oder maximal 5 Stunden am Stück schlafen. Direkten Einfluss auf den Schlaf haben ein Restless-Leg-Syndrom, eine Schlafapnoe mit Atemaussetzern, eine Schilddrüsenstörung oder psychiatrische Leiden. Nieren- oder Herzprobleme, Atemwegserkrankungen, chronische Schmerzen oder Tumorerkrankungen haben indirekten Einfluss auf den Schlaf und sollten ursächlich behoben werden. Vorübergehend kann die Verordnung von synthetischen Schlafmitteln sinnvoll sein, sie führen allerdings schnell zu Abhängigkeiten und sind keine Dauerlösung, vor allem, wenn es handfeste Ursachen gibt.

Oft ist eine gute Portion Eigeninitiative nötig um an einer Situation, die einen nicht mehr schlafen lässt, etwas zu ändern, und sei es nur die Haltung, die man dem Problem gegenüber einnimmt. Wir sollten uns bewusst machen, dass man nicht gereizt, nervös und unausgeglichen ist, weil man schlaflos war, sondern man ist „schlaflos“, weil man gereizt, nervös und unausgeglichen ist. Eine Vielzahl an natürlichen Methoden unterstützen guten Schlaf. Dazu gehört Bewegung an der frischen Luft, Lichttherapie, Yoga, feste Schlafenszeiten, vor allem der Schlaf vor Mitternacht, kein schweres Essen nach 18 Uhr und weitgehender Verzicht auf Alkohol und andere Suchtmittel. Akupunktmassagen nach Penzl, die die Yangenergie senken, Armomatherapie, Homöopathika, Bachblüten oder Heilpilze wie Reishi werden ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Die orthomolekulare Medizin rät zu tryptophanreichen Lebensmitteln wie Bananen, Eier, Fisch, Cashew- oder Walnüssen. Empfehlenswert ist in jedem Fall eine gute Schlafumgebung ohne Grübeleien oder Schuldgefühle, Radiowecker, Handy und Tablet.

Ein erhöhtes Schlafbedürfnis ist in den dunklen und kalten Wintermonaten normal.

Erlauben wir uns, auf die Signale unseres Körpers zu hören, mittags in der Sonne spazieren zu gehen und uns Ruhe und Rückzug zu gönnen.

Text: Judith Anne März (Ärztin für Gynäkologie, klassischer Homöopathie und Informationsmedizin), praxis@wisse-die-wege.de

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