Auto

Das Dreirad-Auto für 16-Jährige

Der Ellenator fährt bald auch in Holland

Es begann Weihnachten 2013, als der Automechaniker Wenzl Ellenrieder, Baujahr 1962, zum Erfinder wurde. Ellenrieders Werkstatt steht in Dösingen, Gemeinde Westendorf im Ostallgäu. Er erinnert sich noch, wie er damals über die Feiertage in seiner Werkstatt nichts zu tun hatte. Eigentlich könnte man in dieser Zeit zwischen den Jahren ein bisschen Urlaub machen, aber er war trotzdem da, schleppte Eisenteile vom Hof in die Werkstatt, bastelte Teile zusammen, probierte herum und machte Tests.

Das Hinterrad passte nicht so wie es sollte, die Lastverteilung stimmte nicht. Auch mit den Bremsen gab es Probleme. Dann kam Wenzl Ellenrieder der Geistesblitz: Warum nicht zwei Räder dicht nebeneinander? „Mit 46,5 Zentimetern Abstand zwischen zwei Rädern gelten diese als ein Rad und das Fahrzeug somit als Dreirad“, sagt Ellenrieder. So kam sein Spezialauto zur nötigen Stabilität. Dann musste nur noch der Motor gedrosselt werden.
Nach den Feiertagen lud er seinen Prototypen auf den Hänger und präsentierte sein Werk den Mitarbeitern beim TÜV. “Die haben ganz schön geschaut”, erinnert sich Ellenrieder heute. So etwas hatten sie noch nie gesehen.
Etwa ein Jahr später meldet Ellenrieder seine Erfindung bei der Zulassungsbehörde an. Innerhalb eines Jahres und in 1.300 Arbeitsstunden entwickelte Wenzl Ellenrieder seinen Ellenator. Er nahm zuerst einen Seat, drosselte dessen Leistung auf 20 PS, baute das Auto zum Quasi-Dreirad um und bekam für seine Erfindung am Ende tatsächlich auch die Zulassung. Bis zu 70.000 Euro hat er am Ende in die Entwicklung seiner Idee gesteckt.

Damals war sein Sohn Markus gerade 16 Jahre alt geworden und hatte, wie viele Jugendliche auf dem Land, den Führerschein Klasse A-1 in der Tasche. Aber keinen geeigneten Untersatz, den Vater Wenzl für sicher hielt. „Ganz ehrlich, die Mikrocars mit 45 Stundenkilometer sind doch lebensgefährlich im Verkehr“, meint er. „Und Zweiräder kann man in punkto Sicherheit gleich ganz vergessen.“ Sein eigener Bruder ist mit 17 Jahren auf einem Moped tödlich verunglückt.

Da die Räder so nah beisammenstehen, werden sie vor dem Gesetz zu einem. Und mit der Drosselung auf 20 PS ist das Auto plötzlich kein Auto mehr, sondern ein motorisiertes Dreirad, das man mit einem A-1-Führerschein fahren darf. Der Ellenator bringt es auf schnelle 90 Stundenkilometer und er fährt sich wie ein normales Auto. Am 22. Dezember 2014 konnte der erste „Ellenator“ zugelassen werden. Die erste Auftragsserie starte kurz darauf. Zuerst mit Autos aus der VW-Gruppe, inzwischen hat Ellenrieder mit dem Fiat 500 aber die „perfekte Basis“ für seinen Umbau gefunden. Die Betonung liegt hier auf dem Umbau, denn wer einen Ellenator fahren möchte, muss zuerst einen Fiat 500 als Basis erwerben. „Älter als zwei Jahre sollte er nicht sein“, sagt Ellenrieder. Kostenpunkt für den Umbau: 5.500 Euro, für ein Cabriolet werden 5.800 Euro fällig. Ein Rückbau ist theoretisch möglich, aber unnötig, so Ellenrieder. Auf seiner Homepage verlinkt er zu drei örtlichen Händlern, die bei der Suche nach dem passenden Fiat 500 behilflich sein können. „Wir suchen derzeit auch verstärkt nach Händlern in Norddeutschland, da wir mittlerweile aus dem ganzen Land Aufträge zum Umbau erhalten“, so der Tüftler. Wer keinen Fiat möchte, kann auch auf einen Ford Ka als Option zurück greifen, ein Umbau von VW-Fahrzeugen wird nicht mehr angeboten.

„Die Kunden schätzen vor allem die hohe Eigensicherheit mit insgesamt sieben Airbags und einer richtigen Knautschzone“, erklärt Ellenrieder den Erfolg seiner Idee.

Dass sich der Ellenator zum Verkaufsschlager für den Werkstattinhaber aus Dösingen entwickelt hat, sieht man zum einen an den nackten Zahlen. Im Jahr 2017 wurden 250 Umbauten vorgenommen, in diesem Jahr peilt Ellenrieder die 300-Stück-Marke an. Wer jetzt bestellt, muss mit einiger Wartezeit rechnen, denn der Auftragsvorlauf liegt bei rund zwei Monaten. Vier Mitarbeiter sind mit dem Umbau befasst und fertigen so fünf bis sechs Fahrzeuge jede Woche.

Zum anderen ist der Ellenator auch schon über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden, denn jüngst hat ein Taxiunternehmen aus Holland ein paar Autos angefragt, mit der Intention, günstige Kurzstreckenfahrten mit dem Ellenator anzubieten.

Das ursprüngliche Ziel, 150 Fiat im Jahr zu Ellenatoren umzubauen, hat Wenzl Ellenrieder nach vier Jahren also bereits verdoppeln können. “Das ist doch was”, sagt Ellenrieder. “In der Schule war ich ein nixiger Hund, im Zeugnis stand: Vorrücken gefährdet.” Jetzt ist er Erfinder.

Text: Sven Ademi · Bild: privat

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