Kolumne

Hyggebukser

Neulich habe ich gelesen, wie sich Zeitdruck auf den Menschen auswirkt. Und das Résumé war schrecklich. Und hoffentlich nicht wahr. Ich hatte eine Scheißangst beim Lesen. Über drei lange Seiten standen da nur so Sachen geschrieben wie: Stress, psychische Labilität, Akne, Verlust der Libido, erhöhtes Suchtpotential, soziale Verkümmerung, Mundgeruch, Aggression, mangelnde Selbstkompetenz und Rosenkrieg. Dann habe ich kurz überlegt und nachgedacht. Ich war erleichtert, weil ich partout kein Leck an meinem tadellosen Zeitmanagement finden konnte. Also würde ich auch nicht in sozialer Verkümmerung, mit Akne an der Backe und Korn in der Hand, alleine und unbefriedigt ertrinken.

Zeitdruck im eigentlichen Sinne kenne ich nicht. Also hatte ich auch keinen Grund zur Sorge. Zu keinem Zeitpunkt. Eigentlich…

Aber um ehrlich zu sein und den Kreis zu schließen, könnte es sein, dass ich eventuell, hin und wieder, in einer Art zeitlich begrenzten Situation bin. Aber nur manchmal. Mit manchmal meine ich äußerst selten. Konkret: Einmal im Monat. Gut, vielleicht auch zweimal. Oder auch ein paar Mal mehr. Manchmal. So ungefähr- wöchentlich. Oder täglich. Oder ständig! Ach, was soll ich noch sagen?! Ich habe zwei Kinder. Mein zweiter Vorname ist Zeitdruck. Verdammt nochmal.

Und den musste ich ändern. Am besten sofort. Und hier war die Gelegenheit: Tag X. Der Tag, an dem sich alles ändern sollte.

Es war mittags. Strahlend blauer Himmel. Ein wunderschöner Tag. Vor allem weil ich meine Hyggebukser anhatte. Das ist das Dänisch: [hoo-gah-bucksr], die.

Mit Hyggebukser meinen die Skandinavier die heimliche Lieblingshose. Sie ist unverschämt gemütlich, aber meistens auch ziemlich hässlich. Leider. Also würde man sie niemals draußen tragen. Wirklich, niemals.

Die Hyggebusker ist eine Hose, die nicht am Hintern zwickt. Sondern einfach nur ausgeleiert herunterhängt und sich nach Freiheit anfühlt. Eine Hose, die alles mitmacht. Eine Hose, die es kein zweites Mal gibt. Eine Hose, die unvorteilhafter nicht sein könnte. Eine Hose, mit pinken Querstreifen, Knöpfen, Satin-Zugband und wolllustigen Pop Art Dinosauriern auf dem linken Oberschenkel. Eine Hose, die nach Punk Rock aus den 80ern aussieht. Und gleichzeitig nach den Spicegirls und Discounter in Marzahn. Eine Hose die ich liebe. Eine Hose, die ich nicht mehr anhaben dürfte, weil ich längst unterwegs sein müsste.

Eine Hose, die ein „Halt!!! Mama, Mamaaa!!!! Du musst diesen hässlichen Schlafanzug noch ausziehen!“ nicht verdient hat. Sondern eine Hose, die es verdammt noch mal verdient hat, endlich das Tageslicht zu sehen.

Weil: Die Zeit war knapp…

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"