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Füssens einziger südkoreanischer Bürger

Olympia 2018 und Nordkorea sind Dauerthemen

Die Olympischen Winterspiele 2018 wird er natürlich mit großem Interesse verfolgen. Und sicher wäre er auch zu gerne live dabei, wenn die besten Athleten der Welt in seinem eigenen Land um die begehrten Medaillen kämpfen. Allerdings ist der Weg doch nicht der Kürzeste. Gunyong An wird die Spiele deswegen hier in seiner Wahlheimat Deutschland beobachten. Er ist der einzige Füssener Bürger, der aus der Republik in Ostasien stammt und seit ein paar Jahren hier bei uns im Allgäu zuhause ist. Das derzeit sehr angespannte Verhältnis zwischen seinem Heimatland und dem berüchtigten Nachbarn Kim Jong-un im Norden sieht er dagegen eher gelassen.

Aufgewachsen ist Gunyong An in Incheon, einer großen Hafen- und Industriestadt an der Nordwestküste Südkoreas, die etwa 28 Kilometer von der Hauptstadt Seoul entfernt liegt. Schon im frühen Jugendalter interessierte er sich neben der Schule für den Skisport und begann mit dem Skifahren. Bereits im Alter von dreizehn Jahren schickten ihn seine Eltern dann nach Europa. Schließlich sollte Gunyong die Möglichkeit haben, sein Talent noch mehr auszubauen. Denn immerhin war er zu diesem Zeitpunkt auch schon Mitglied einer südkoreanischen Schülerauswahl von Alpinsportlern, die über die Wintermonate regelmäßig in Pyeongchang trainierten. Riesentorlauf, Slalom oder Super G standen bereits damals auf dem Stundenplan des jungen Sportlers. „Für einen echten Ski-Rennfahrer war ich vielleicht körperlich nicht ganz der Richtige“, lacht Gunyong An. „Aber ich wollte da auf jeden Fall mehr erreichen und meine Eltern haben mich auch immer unterstützt. Auch Deutsch-Unterricht habe ich bereits in Seoul bekommen“. So führte ihn der Weg Mitte der Neunziger Jahre ins Tiroler Stubaital auf die renommierte „Ski-Mittelschule Neustift“, wo er seinen Schulabschluss machen konnte. „Das war eine tolle Zeit“, erzählt er. „Obwohl es aber nicht ganz einfach war. An den Wochenenden habe ich oft meine Kanten geschliffen und die Ski gewachst. In Tirol ist der Konkurrenzkampf sehr groß. Von rund zwanzig Schülern schafft es am Ende nur einer in den Weltcup. Und auch mein erlerntes Deutsch hat mir da in Tirol wenig geholfen, weil alle Kinder dort unterschiedliche österreichische Dialekte sprachen“.

Zurück nach Hause wollte Gunyong nach den Abschlussprüfungen aber nicht wirklich. Zu sehr liegen ihm die Alpen mit ihren zahlreichen und unendlichen Wintersportmöglichkeiten am Herzen. Also entschloss er sich, weiterhin in Österreich zu bleiben und in Wien zu studieren. „Da hab ich zuerst mit Molekularbiologie angefangen, bin dann aber doch zur Medizin gekommen.“ Dennoch musste Gunyong An nach dem Abschluss seines Medizinstudiums wieder die Heimreise antreten. „Natürlich habe ich versucht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, die ich auch benötigt hätte, um dort als Arzt zu arbeiten, was aber nicht ganz so einfach ist. Dazu kommt, dass jeder südkoreanische Bürger auch die Pflicht hat, einige Zeit beim Militär zu dienen. Also bin ich wieder zurück nach Südkorea gegangen.“ Kaum war die Zeit der Wehrpflicht aber vorbei, wuchs bei dem leidenschaftlichen Skifahrer schon wieder der Gedanke an die Rückkehr nach Europa. „Ich wollte auf jeden Fall irgendwo zurück in die Alpen und weil ich als Arzt in Österreich nicht arbeiten kann, war mir klar, dass nur Deutschland in Frage kommt. Nach wie vor fahre ich ja sehr gerne Ski, ich wollte also nach Oberbayern oder irgendwo südlich von München“, lacht er. „Als ich dann die Homepage der Fachklinik Enzensberg gesehen habe, mit dem Ausblick auf die Alpenkette, wusste ich, dass ich hierher will und hab mich beworben.“ So kam Gunyong An vor gut anderthalb Jahren schließlich nach Füssen. Über Social Media und den Hashtag Füssen berichtet der junge Stationsarzt seinen Verwandten, Freunden und Bekannten nahezu regelmäßig von seinen Erlebnissen in Bayern. Vor allem wenn er Bilder aus der Region postet oder als Ski-Freeride Filme von abseits gelegenen Abfahrten hochlädt, lassen die Reaktionen aus der Heimat nicht lange auf sich warten. „Natürlich ist auch das Schloss Neuschwanstein bei den Koreanern sehr bekannt. Im Rahmen eines Europa-Trips gehört ein Besuch hier auf alle Fälle dazu. Sie beneiden mich um meinen Traum-Arbeitsplatz.“

Olympische Spiele und die Lage in Nordkorea

Die Winterspiele sehen vor allem die jungen Menschen in Südkorea kritisch, weil für das einmalige Event Millionen von Dollar investiert wurden, um Sportstätten und Retortenstädte aus dem Boden zu stampfen. Dazu kommt, dass der Ort Daegwallyeong, in dem das Olympiastadion steht, Südkoreas Kältepol ist, Kälte allerdings nicht unbedingt Schnee bedeutet. Immerhin fand die Biathlon-WM 2009 im Grünen statt, nur die Loipe war ein weißes Band, dank zahlreicher Schneekanonen. Dennoch wird Gunyong An die Spiele, besonders die alpinen Wettbewerbe, gespannt verfolgen. „Ich hätte zu gerne Felix Neureuther die Daumen gedrückt. Schade, dass er nicht dabei ist“, sagt er.

Sorgen bereitet ihm dagegen die aktuelle Situation zwischen den USA und dem benachbarten Nordkorea, obwohl die Probleme und Streitigkeiten mit der Diktatoren-Familie in dem abgespaltenen Teil des Landes bereits seit Jahrzehnten andauern. „Natürlich gibt es derzeit Spannungen zwischen Kim Jong-un und Donald Trump“, versucht der Arzt, der nun bereits seit 21 Jahren in Europa lebt und Mitglied der Koreanisch-Evangelischen Kirchengemeinde München ist, die Situation zu erklären. „Beiden geht es darum Stärke zu demonstrieren und keiner weiß, wie das ausgeht. Sollte aber tatsächlich ein Krieg ausbrechen, müsste ich sofort zurück nach Hause, weil auch ich die Pflicht habe, mein Land zu verteidigen. Aber Nordkorea würde niemals einen Krieg anfangen, da bin ich mir sicher.“

Text · Bild: Lars Peter Schwarz

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