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Aktiv gegen Weihnachtsdepressionen

Im Gespräch mit Facharzt Dr. Christian Stenner

Für viele Menschen ist Weihnachten ein Fest der Freude und der Liebe. Doch für einige wird die „stille Nacht, heilige Nacht“ zum Krisenfest. Wer aktiv ist, aktiv Freunde trifft und realistische Erwartungen an das Miteinander hat, kann Depressionen nach Ansicht von Gesundheitsexperten vorbeugen. Anfällig für diese im Volksmund genannte „Weihnachtsdepressionen“ sind aber auch die Menschen, die niemanden haben, mit dem sie die Weihnachtstage verbringen können. Auch veränderte Lebensumstände, wie Trennung, der Auszug der Kinder oder der Tod eines nahestehenden Menschen ist Grund für eine Lebenskrise, wenn andere feiern. Füssen aktuell sprach mit dem Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Christian Stenner über diese besonderen Tage und ihre Wirkung auf das Gemüt.

Anstatt „Oh Du Fröhliche“ empfinden einige Menschen die Weihnachtszeit eher als „Oh Du Schreckliche“. Was macht die Weihnachtszeit für manche so deprimierend?
An den Weihnachtstagen verbringen Familienmitglieder oft mehr Zeit auf engem Raum miteinander als im übrigen Jahr. Hierbei treffen verschiedene Erwartungen aufeinander. Dem Wunsch nach familiärer Harmonie und Festlichkeit stehen Küchen- und Geschenke-Stress entgegen. Auch ältere Konflikte können in dieser Situation wieder aktualisiert werden. Diese werden jedoch aufgrund des weihnachtlichen Harmonie-Zwangs häufig nicht ausgetragen, sondern mit erhaltener Fassade heruntergeschluckt.
Anders sieht dies bei Alleinstehenden aus. Durch das aktualisierte Bewusstwerden, keine Familie und Partner zu haben, stellt sich häufig ein Gefühl von Einsamkeit ein. Wenn nun noch Gefühle von Unzulänglichkeit und Scham hinzukommen, ziehen sich viele resigniert zurück.

Kann man bei der Weihnachtszeit also von einer psychosozialen Belastung oder einem speziellen Gemüts-Stress sprechen?
Die Weihnachtszeit selbst stellt keine psychosoziale Belastung dar, kann jedoch aufgrund unserer Erwartungen und Überforderungen zu einer solchen werden. Die von der Werbung propagierte harmonische Weihnacht im Familien-Idyll ist eine Utopie und stellt einen großen Risikofaktor für die Entwicklung des Konsum- und Geschenke-Stresses dar. Der in diesem Zusammenhang häufig zitierte Spruch des Schweizer Pfarrers und Schriftstellers Kurt Marti trifft es auf den Punkt: Ware Weihnacht ist nicht die wahre Weihnacht.

Gibt es eine Möglichkeit, wie man dem alleine entgegen wirken kann, oder braucht man spezielle Hilfe dafür?
Ein erster Schritt zu einer positiveren Weihnachtszeit ist es, die eigene Haltung zu Weihnachten zu überprüfen. Was bedeutet Weihnachten für mich? Was ist mir wichtig? Wie und mit wem möchte ich diese Zeit verbringen? Welche Dinge tue ich nur, weil es von mir erwartet wird?
Wünsche, Erwartungen und Aufgaben sollten vorab thematisiert und diskutiert werden.
Zahlreiche Geschenke können vielleicht auch schon das Jahr über gekauft werden. Geschenkte Gutscheine für gemeinsame Aktivitäten erfreuen oft viel mehr.
Empfehlenswert ist es auch, selbst die Initiative zu ergreifen, um Weihnachten nicht alleine verbringen zu müssen. Daher sollte man nicht auf eine Einladung warten, sondern selbst eine Feier organisieren und Freunde einladen, denen es ähnlich ergeht.
Um den Kern von Weihnachten zu erleben, ist es notwendig, dass wir um eine authentische Beziehung mit echtem Zuhören und emotionale Wärme bemüht sind.

Wie können Angehörige oder Nachbarn helfen?
Wenn wir den älteren, alleinstehenden Menschen unsere Zuwendung in Form eines Gespräches schenken, nehmen wir ihnen ein Stück der Einsamkeit. Häufig reichen wenige Minuten Sozialkontakt aus, um Freude auszulösen und soziale Isolation zu vermeiden.

Dr. Christian Stenner
Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin
Facharzt für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Tel.: 08362-7677

 

 

Text: Sabina Riegger

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