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Anonyme Bestattung bedeutet mehr als Beisetzung in aller Stille

Wenn Menschen ganz ohne letzte Spuren von dieser Welt verschwinden

Im November gedenken die katholische und die evangelische Kirche ihrer Verstorbenen. Feierlich werden an Allerseelen, dem Feiertag nach Allerheiligen oder auch am sogenannten Ewigkeitssonntag, dem Totensonntag, die Gräber gesegnet oder Gottesdienste und Messen gehalten. Unumgänglich ist deshalb an diesem Feiertag der Besuch der Grabstätte der Verstorbenen. Doch was, wenn es diesen Ort für die Hinterbliebenen nicht gibt, er etwa gar nicht existiert? Immer öfter kommt es vor, dass Menschen anonym bestattet werden, ohne dabei ihre letzten Spuren zu hinterlassen. Zudem ist auch den Angehörigen weder ein genauer Ort noch der Zeitpunkt der Bestattung bekannt. Die Gründe, völlig anonym, also ohne jeglichen Namenshinweis bestattet zu werden, können verschiedene sein.

Fünf bis sechs Sozialbestattungen sind es pro Jahr, die laut offiziellen Angaben in der Stadt Füssen durchgeführt werden müssen. In den meisten Fällen handelt es sich um Personen, die über gar keine Angehörigen mehr verfügen, darunter sozial bedürftige Menschen wie Obdachlose oder auch Menschen, die völlig alleine gelebt haben. Laut Gesetz müssen diese Bestattungen dann von den Kommunen übernommen werden. Oft kommt es aber auch vor, dass Menschen diese Art der Bestattung ganz bewusst wählen oder sogar bereits festlegen. Die anonyme Bestattung stellt zudem auch die wirtschaftlich günstigste Form der Bestattung dar. Da die individuelle Gestaltung des Grabes ausgeschlossen ist, entfällt eine Verpflichtung zur Pflege des Grabs. Auf dem Füssener Waldfriedhof befinden sich dafür von der Friedhofsverwaltung speziell ausgewiesene Rasenflächen, die allerdings nicht gesondert gekennzeichnet sind.

Abschied nehmen ist wichtig für die Trauerbewältigung

Ein Abschied nehmen am Grab ist nicht möglich, somit fehlt der oft so wichtige Anlaufpunkt zur Trauerbewältigung nach einer Bestattung. „Einen Menschen anonym zu bestatten heißt, dass keiner daran teilnehmen darf“, erklärt Füssens katholischer Pfarrer Frank Deuring. „Religiös ist es aber wichtig, den Akt des Abschiednehmens von einem Menschen bewusst zu vollziehen. Viele vergessen dabei auch, dass dem Verstorbenen nicht nur die Familie nahegestanden ist, sondern auch Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen“. Immer häufiger werden Beerdigungen in der heutigen Zeit im sogenannten engsten Kreise durchgeführt. Eine Entwicklung, die auch Schwangaus Pfarrer Markus Dörre nicht ganz nachvollziehen kann, denn grundsätzlich lehnt die katholische Kirche anonyme Bestattungen ab. „Wenn ich anderen die Möglichkeit nehme Abschied zu nehmen, hat das in gewisser Weise auch mit Egoismus zu tun.“

Dazu kommt, dass sich unsere gesamte Trauerkultur seit einiger Zeit in einem großen Umbruch befindet. Das Angebot der Möglichkeiten ist groß geworden, von der neuzeitlichen Baumbestattung und beliebten Urnenbestattungen bis hin zur Beisetzung auf Hoher See oder der Pressung eines Diamanten. Und auch die digitale Trauer im Internet, kurz e-Bestattung, ist mittlerweile möglich. Ein Hauch von virtueller Unsterblichkeit, der hier weht. Es bleibt ohnehin eine Sache der Betrachtungsweise, auf welche Art man einen Gedenken setzt und auf welche Art man seine Trauer verarbeitet.

„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“
– Bertolt Brecht

Text: Lars Peter Schwarz · Bild: Hubert Riegger

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