GesundheitLeben

Die Pflegestärkungsgesetze

Leistungsverbesserungen und ab 2017 neue Pflegestufen und neues Begutachtungsverfahren

Den Anfang machte das erste Pflegestärkungsgesetz, welches letztes Jahr in Kraft trat. Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine recht junge Errungenschaft. Erst 1995 wurde das Pflegeversicherungsgesetz SGB XI in Deutschland eingeführt und damit die Grundlage für den Pflegeschutz geschaffen. Vater der Reform war der frühere Bundesarbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU), der die Einführung gegen Widerstand durchsetzen musste. Unter anderem hatten die Arbeitgeberverbände das Vorhaben als „größte Torheit der letzten Jahrzehnte“ bezeichnet, da sie hohe Kosten befürchteten. Doch erst mit dieser fünften Säule der Sozialversicherung konnte sich überhaupt ein breites Netz an ambulanter Pflege als Ergänzung zu den Alten- und Pflegeheimen etablieren. Durch die Pflegestärkungsgesetze wurden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Dadurch stehen fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Insgesamt können die Leistungen aus der Pflegeversicherung um 20 Prozent erhöht werden.

Das erste Pflegestärkungsgesetz bringt Leistungsverbesserungen

Durch das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz I bekommen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen deutlich mehr Unterstützung. Etwa 2,7 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit pflegebedürftig. Sie alle profitieren von den verbesserten Rahmenbedingungen, die das Pflegestärkungsgesetz I mit sich bringt.

  • Es stehen deutlich mehr Mittel für die häusliche Pflege zur Verfügung. Seit dem 1. Januar 2015 gibt es rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich, um die Betreuung und pflegerische Versorgung in den eigenen vier Wänden besser zu unterstützen.
  • Die finanziellen Zuschüsse für Umbaumaßnahmen – wie den Abbau von Schwellen oder den Einbau barrierefreier Duschen – steigen deutlich von bisher bis zu 2.557 Euro auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Somit können Pflegebedürftige länger im gewohnten Umfeld bleiben. Wohnen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen, kann sogar ein Betrag von bis zu 16.000 Euro eingesetzt werden.
  • Der Anspruch auf Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege für niedrigschwellige Angebote wird ausgeweitet. Auch Pflegebedürftige mit Pflegestufe I bis III können künftig einen zusätzlichen Betreuungsbetrag von bis zu 104 Euro pro Monat erhalten. Für Demenzkranke steigt der Betrag auf 104 beziehungsweise auf 208 Euro pro Monat.
  • Neue zusätzliche Entlastungsleistungen werden eingeführt, etwa für Hilfen im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer. Dafür können zukünftig bis zu 40 Prozent des Umfangs der ambulanten Pflegesachleistung eingesetzt werden.
  • Die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege werden ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Tages- und Nachtpflege kann künftig ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen in Anspruch genommen werden.

Was bringt das Pflegestärkungsgesetz für pflegende Angehörige?
Pflegende Angehörige erhalten mehr Unterstützung, wenn sie selbst einmal krank sind oder Urlaub machen wollen. Sie können in solchen Fällen nun sechs Wochen statt wie bisher vier Wochen lang eine Vertretung in Anspruch nehmen. Für die sogenannte Verhinderungspflege stehen jährlich bis zu 1.612 Euro zur Verfügung. Zudem können künftig bis zu 50 Prozent des Kurzzeitpflegebetrags als häusliche Verhinderungspflege genutzt werden. Damit stehen nun bis zu 2.418 Euro im Kalenderjahr für die Verhinderungspflege zur Verfügung.

Jeder Mensch ist anders – und somit auch jede Pflegesituation. Eine größere Flexibilität bei verschiedenen Leistungen macht es möglich, den individuellen Bedürfnissen pflegender Angehöriger in Zukunft besser Rechnung zu tragen. So können beispielsweise bis zu 40 Prozent der Mittel für ambulante Sachleistungen für niedrigschwellige Betreuungs-und Entlastungsangebote umgewidmet werden.

Beschäftigte, die kurzfristig die Pflege eines nahen Angehörigen organisieren müssen, können nach dem Pflegezeitgesetz eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf nehmen. Neu ist, dass jetzt ein Anspruch auf eine Lohnersatzleistung (das Pflegeunterstützungsgeld) besteht, ebenfalls begrenzt auf bis zu zehn Tage. Das Erste Pflegestärkungsgesetz stellt hierfür bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Was ist damit gemeint, dass die Pflege künftig individueller organisiert werden kann?
Dies bezieht sich auf verschiedene Änderungen durch das neue Gesetz. So lässt sich Tages- und Nachtpflege ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen in Anspruch nehmen. Zudem sind niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote jetzt individueller einsetzbar, beispielsweise anstelle von Pflegesachleistungen. Auch die Jahrespauschalen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können flexibler und über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden: Die Verhinderungspflege kann für bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr in Anspruch genommen werden und der Leistungsbetrag wird auf bis zu 1.612 Euro im Kalenderjahr erhöht. Der Leistungsbetrag kann zudem um bis zu 806 Euro aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Kurzzeitpflege auf insgesamt bis zu 2.418 Euro im Kalenderjahr erhöht werden.

Auch der Leistungsbetrag der Kurzzeitpflege wird auf bis zu 1.612 Euro im Kalenderjahr erhöht. Die Kurzzeitpflege kann zudem um den Leistungsbetrag für die Verhinderungspflege erhöht und um bis zu vier Wochen verlängert werden. Es können somit bis zu acht Wochen und Leistungen bis zu 3.224 Euro im Kalenderjahr für die Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden, wenn im Kalenderjahr keine Leistungen der Verhinderungspflege genutzt werden.

Welche neuen Leistungen können  noch beantragt werden?
Neben dem Ersten Pflegestärkungsgesetz ist auch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft getreten. Als Beschäftigter hat man die Möglichkeit, bis zu sechs Monate aus dem Beruf auszusteigen, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Zudem gibt es einen Anspruch darauf, die Arbeitszeit bis zu zwei Jahre lang auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden zu reduzieren (Familienpflegezeit). Um Einkommensverluste im Zeitraum der Freistellung abzufedern, kann beim  Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein zinsloses Darlehen beantragt werden.

Das zweite Pflegestärkungsgesetz; Neue Pflegestufen, neues Begutachtungsverfahren
Das Zweite Pflegestärkungsgesetz – PSG II – ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken soll dadurch wegfallen, wie es auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) heißt. Im Zentrum stehe der individuelle Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen. Dadurch werde die Pflegeversicherung auf eine neue Grundlage gestellt.

Fünf Pflegegrade, die der individuellen Pflegebedürftigkeit besser gerecht werden. Statt 3 Pflegestufen soll es künftig 5 Pflegegrade geben. Eine geringe Beeinträchtigung wäre dann Pflegegrad 1 bis hin zur schwersten Beeinträchtigung = Pflegegrad 5. Hierbei spielt eine Rolle, was jemand noch alleine kann bzw. wo derjenige Unterstützung benötigt. Eine genauere und fairere Erfassung der Hilfsbedürftigkeit ist voraussichtlich durch die Erhöhung von 3 auf 5 Stufen/Graden möglich. Wie oft befinden sich die Pflegebedürftigen „zwischen“ den Stufen, wo alle gern schon z.B. die Pflegestufe 1,5 gehabt hätten. Die Hürde zwischen den einzelnen Pflegestufen war bisher einfach zu groß. Ob sich hier tatsächlich Verbesserungen für die Betroffenen einstellen, muss die Praxis zeigen.
Die Einstufung wird jetzt auch nicht mehr nach der zeitlichen Komponente untersucht, sondern nach Punkten. Diese sollen abbilden, in wie weit die Selbständigkeit der Person eingeschränkt ist. Es werden Aktivitäten in sechs pflegerelevanten Bereichen untersucht.

Text: PM / Füssen aktuell

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024