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Segelfliegen: Lautlos durch die Lüfte gleiten

Test-Pauschalen für 20 Euro

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – das denken sich auch viele Luftsportbegeisterte, die am Füssener Flugplatz mit Segelfliegern in die Lüfte steigen. Beim Luftsportverein Füssen können sogar schon Jugendliche ab 14 beginnen. Und das hat so manche reizvolle Seite, wie Jugendleiter Jan Glöckner zu berichten weiß.

Als Student im Wirtschafts-Ingenieurswesen befindet er sich in der Zielgeraden des Studienabschlusses. Er wird demnächst seine Diplomarbeit bei Daimler im amerikanischen Portland schreiben. Keine Zeit für Luftsport? Von wegen! Glöckner ist jedes Wochenende am Füssener Flugfeld und trainiert die Jugendlichen. Von 80 Mitgliedern im Verein sind 33 aktiv, darunter befinden sich zehn Jugendliche im Alter von 14 bis 25 Jahre.
„Aushallen“, damit beginnt so ein üblicher Wochenendtag. Da werden die Flugzeuge aus dem Hangar gebracht, von der Schutzhülle befreit, die die Sichthülle während der Woche schützt. Nun entscheidet der Fluglehrer, was an diesem Tag geübt wird. Es geht um Technik, aber auch um das Verhalten in Extremfällen: Zu hohe oder zu niedrige Flugbahnen, Seilrissübungen, Flugverhalten und Kommunikation mit anderen Piloten oder unkontrolliertes Trudeln. So steigert man sich langsam in Richtung Flugschein.

„Mit 14 schon Auto fahren!“

„Segelfliegen ist ein Gemeinschaftssport, jeder hilft dem anderen in die Luft, aber auch wieder zum Boden“, umschreibt Martin Becker den Teamgeist. Becker war lange Jahre Geschäftsführer, braucht allerdings mittlerweile für seine selbstständige Arbeit mehr Zeit. Aber als Hobby verbringt er so manche Stunde am Flugplatz. Zwar stehe das Fliegen im Vordergrund. Aber es gebe noch weitere Tätigkeiten, bei denen gerade auch junge Menschen technische Qualitäten entwickeln können. Die Segelflugzeuge werden gewartet und repariert, der Umgang mit der Seilwinde geübt und die Winde mit einem Pkw wieder zurück an den Start geholt. „Wo kann man sonst mit 14 Auto fahren?“, macht Becker diesen Vorzug klar. Überhaupt „macht das auch den Reiz dieses Sports aus: Die Vielfalt und der Teamgedanke.“

Das sehen auch Maximilian Schöll und Luiz Link so. Der 14-jährige Schöll besucht das Gymnasium in Füssen und kam zum Verein, weil er Pilot werden will. Er konnte kostenlos schnuppern, hat bereits vier Flüge im Doppelsitzer hinter sich: „Man ist hier oft zusammen.“ Der 18-jährige Link hat sein Abi bereits in der Tasche und arbeitet derzeit als Ferienjobber in Lechbruck. Obwohl er in Steingaden wohnt, kommt er doch mindestens ein Mal pro Wochenende hierher. Ob´s denn auch mal Knatsch gibt? Kaum, meint er, höchstens, wenn eine Arbeit nicht wie gewünscht erledigt wurde. „Aber man kann hier – wie in einer anderen Welt- häuslichen oder Schulstress abbauen“, sieht er klare Vorteile im Team.

Jugendliche engagieren sich tatkräftig

Und das nicht nur beim Arbeiten. Die Flieger verstehen es auch zu feiern. So gibt es ein Mal im Jahr das Landesjugendtreffen, bei dem neben Vorträgen auch Gruppenspiele auf dem Programm stehen. Ausflüge werden veranstaltet, Filmabende in der Vereinshütte abgehalten – und so mancher übernachtete schon mal am Wochenende hier. Die Eltern seien als Begleitpersonen absolut willkommen, ergänzt Becker.

Da geht die Arbeit leicht von der Hand, wird häufig gar nicht mehr als belastende Tätigkeit empfunden. So war das Engagement so groß, dass die diesjährige Segelflugwoche in Füssen „ohne die tatkräftige Hilfe der Jugendlichen im Verein nicht möglich gewesen“ wäre. Dabei haben die Teilnehmer bis zu 500 Kilometer lange Streckenflüge absolviert. Beim großen Abschlussfest feierten die Jugendlichen zusammen mit ihren Familien.

Die jungen Flugschüler können häufig schon nach wenigen Monaten selbst fliegen. Und dann beispielsweise teilnehmen am Jugend-Vergleichsfliegen. Das fand gerade in Kempten statt, rund 20 Piloten aus sieben Vereinen Schwabens hatten sich angemeldet. Bewertet wurden von der Jury das Verhalten in der Startphase, der Übergang zum Steigflug, die Landung und die Platzrunde. Auf Grund der vielen, aktiven Tätigkeiten mache man den Flugschülern schon relativ früh klar, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Durch diese Tätigkeiten und die Gemeinschaft hätten sie anderen Gleichaltrigen Lebenserfahrung voraus. Glöckner weist aber auf eine weitere wichtige soziale Erfahrung hin: Die Jugendlichen können sich über die Kontakte zu den erwachsenen Mitgliedern ein umfangreiches Netzwerk aufbauen, auf das sie immer wieder zurückgreifen können.

Sport: ist preis-wert !
Einen großen Irrtum, der herum geistere, klärt Glöckner auf: „Segelfliegen ist teuer“, das kann er widerlegen. Nach der Satzung, die gerade auch in diesem Punkt überarbeitet werde, wird es Test-Pauschalen geben. Wer zunächst reinschnuppern möchte, zahlt pro Monat pauschal 20 Euro für den Fluglehrer, für alle Starts und weitere Nutzungen. Dieser Preis gilt bis zum ersten Alleinflug, der üblicherweise nach drei bis längstens sechs Monaten erfolgt. Hat der Jugendliche Gefallen am Sport gefunden, fällt die ermäßigte einmalige Aufnahmegebühr  von 150 Euro an, außerdem der Jahresbeitrag von 120 Euro und 100 Euro für die Benutzung der Flugzeuge. „Das macht auf den Monat umgerechnet oft weniger aus, als das Handy kostet“, stellt der Jugendleiter die Relation her.

Dafür gibt´s das unvergleichliche Erlebnis, in dem rund 700 Kilogramm leichten Doppelflieger mit zwei bis drei Meter pro Sekunde (sofern die Thermik gut ist) sich in die Lüfte zu schrauben. Und im Angesicht des Märchenschlosses von König Ludwig II wird sich herausstellen: Ja, die Freiheit scheint im Segelflieger wohl wirklich grenzenlos zu sein.

Text: Josef Sontheim·
Bilder: Josef Sontheim/ Andreas Becker

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