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Verstaubt oder noch modern?

Kneipp als touristisches Instrumentarium für einen Gesundheitstourismus

Neue Nachfrageformen, technischer Fortschritt und Kooperationen – der Zukunftsmarkt Gesundheitstourismus bietet vielfältige Chancen für die Anbieter aus Tourismus und Gesundheitswirtschaft. Die Markt- und Trendforscher bescheinigen dem Gesundheitstourismus in den nächsten Jahren einen klaren Bedeutungszuwachs. Füssen will auch in diesem Bereich vorne dabei sein. Das Ziel: Füssen als Kneippstadt zu etablieren, allerdings modern und zeitgemäß. Füssen aktuell sprach mit Füssens Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier über die Etablierung und Prädikatisierung zur Kneipp-Stadt.

Bad Wörishofen, Bad Reichenhall, Bad Füssing, Bad Kissingen – das sind alles ehrenwerte Heilbäder, die aber nicht gerade ein frisches, bisweilen vielleicht sogar ein etwas verstaubtes Image haben. Passt Füssen als zukünftige Kneippstadt dazu?
Füssen unterscheidet sich von den genannten Gesundheitsorten ganz wesentlich dadurch, dass unsere Stadt touristisch breiter aufgestellt und vor allem auch stark international ausgerichtet ist. Dies bedeutet, dass wir nicht allein von dem Gesundheitssektor abhängig sind, uns allerdings auch ein wenig die Glaubwürdigkeit als Gesundheitsort vor allem von Denjenigen abgesprochen wird, die uns nur „durch die Brille Neuschwanstein/Massentourismus“ betrachten. Mit unseren Gesundheitskompetenzen schlagen wir uns bisher unter Wert, was die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit betrifft.

Als es 2012 um den Bau der Kneipp-Insel in Hopfen am See ging, wo man Ihnen ein Gaudi-Spektakel nachsagte, sagten sie in einem Gespräch: „Eine moderne Umsetzung ist notwendig, um Kneipp ins Bewusstsein einer neuen Zielgruppe zu bringen.“ Wie sieht diese neue Zielgruppe aus?
Unsere Gesellschaft hat das Problem, dass viele Bürger noch immer meinen, es sei allein die Aufgabe der Ärzte und der Kassen, sich um ihre Gesundheit bzw. die Krankheiten zu kümmern und die nötigen Maßnahmen auch zu finanzieren. Weiterhin wird zu wenig in Prävention investiert, die unter dem Strich deutlich kostensparender ist als jegliche Maßnahme der Kur und Rehabilitation. Das Thema Gesundheit muss also noch viel breiter in der öffentlichen Wahrnehmung verankert werden und den Bürger bzw. Gast auf niedriger Schwelle der Betroffenheit abholen – nicht erst, wenn er krank ist. Der moderne und gesundheitsbewusste Gast beschäftigt sich nicht nur mit Krankheiten, sondern stärker mit den Quellen für Gesundheit. Die diesbezügliche Kommunikation darf kreativ sein und den Interessenten so ansprechen, dass er eine leichte Umsetzung der Gesundheitsförderung im Alltag erkennt. Damit wird die Zielgruppe viel breiter, denn es handelt sich nicht nur um Personen, die bereits gesundheitliche Defizite haben.

Sehen Sie Kneipp für Füssen als das touristische Instrumentarium für den neuen Gesundheitstourismus an?
Kaum eine Lehre könnte dafür besser geeignet sein als Kneipp. Es handelt sich um ein traditionelles deutsche Heilverfahren, das genau dort ansetzt, wo unsere Gesellschaft Defizite hat und meint, immer neue Methoden finden und erfinden zu müssen. Kneipp ist klassisch, wirksam und sehr leicht in den Alltag integrierbar. Freilich ist tatsächlich noch ein wenig der Staub abzuklopfen: Noch sind Yoga, Traditionelle Chinesische Heilmedizin etc. für viele attraktiver. Letztlich geht es im Kern um eine gesündere Lebensweise, die automatisch positive Effekte in Bereichen zeitigt, die modern z.B. Work-Life-Balance oder Burn-out-Prävention bezeichnet werden.

Wie wollen Sie Füssen mit den Ortsteilen, die touristisch verschieden strukturiert sind, in das Kneipp-Konzept einbinden?
Kneipp ist keine fixe Idee unseres Hauses, sondern in Füssen seit Jahrzehnten fest verankert. Füssen-Bad Faulenbach ist Kneipp-Kurort seit 1938, Hopfen am See seit 1968, einzig Weißensee verfügt über kein Kneippprädikat. Ziel von FTM ist es, alle Ortsteile mit ihren Stärken in einen gemeinsamen gesundheitstouristischen Ansatz zu integrieren. Es hat sehr lange gedauert, die für die Prädikate zuständigen Stellen des Freistaats Bayern zu überzeugen, dass wir Jahrzehnte nach der Gemeindegebietsreform in Bezug auf die Prädikate nicht Ortsteilkirchtürme pflegen können. Inzwischen haben wir alle Unterstützung aus München und Augsburg für unseren integrierten Ansatz, bei dem die fünf Elemente von Kneipp (Wasser, Ernährung, Bewegung, Kräuter und innere Ordnung) in Kneipp-Erlebnisarealen immer genau dort passend präsentiert werden, wo die Kompetenz dafür am größten ist. So ist es naheliegend, dass Weißensee sehr stark das Thema Bewegung, Hopfen am See das Thema Wasser und Bad Faulenbach das Thema innere Ordnung spielt. Die Areale sind miteinander vernetzt, so zum Beispiel über die Kneipp-Radrunde, die wir noch in diesem Jahr eröffnen werden.

Ein Gesundheitstourismus braucht starke Anbieternetzwerke, eine gute Infrastruktur und Investitionen. Sind diese Anforderungen in Füssen umsetzbar?
Ja, absolut. Uns ist es gelungen, die Gesundheitsakteure zu vernetzen und zu überzeugen, dass durch Vernetzung der Gesundheitsstandort Füssen am besten voran gebracht werden kann. Kneipp spielt dabei eine große Rolle, aber auch das Thema Schlaf, das wir in den nächsten Jahren für die Gesundheitsprofilierung aufbauen wollen und das direkt an das Kneipp-Element Innere Ordnung andockt. Es freut uns besonders, dass sowohl das Krankenhaus Füssen als auch die Fachklinik Enzensberg Partner des Netzwerkes sind und die Ideen sehr engagiert mittragen. Die Kneipp-Infrastruktur bedarf in jedem Fall der Erneuerung an einigen Stellen. Bezüglich der Investitionen werden wir prüfen, ob wir Förderprogramme nutzen können.

Wie schnell ist diese Prädikatisierung zum Kneipp-Kurort realisierbar?
Unser Vorgehen ist zweistufig: Im ersten Schritt werden wir noch in diesem Jahr das Prädikat Kneipp-Kurort für Füssen mit allen Ortsteilen beantragen. Das Prädikat soll damit einheitlich für das gesamte Stadtgebiet gültig sein und nicht nur ortsteilbezogen wie bisher. Im zweiten Schritt geht es dann um die Höherprädikatisierung zum Kneipp-Heilbad. Dieser Prozess wird einige Jahre dauern. Realistisch dürften fünf Jahre sein, wenn es uns gelingt, unseren Masterplan Kneipp zu finanzieren und konsequent umzusetzen. Da das Vorgehen auf einem breiten Konsens der Gremien und der engagierten Akteure fußt, sehe ich keinen Grund, warum uns dies nicht gelingen sollte.

 

Text: Sabina Riegger · Bilder: privat

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1 Kommentar

  1. Interessante Kneippanlagen bildlich dargestellt im schönen Allgäu und Bayern weit – suchen finden und entdecken auf der Webseite.
    Wir freuen uns über Unterstützung.

    Stefan Seidl
    KneippGesundheitstrainer (SKA)

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