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Mit 18 Jahren in die USA

Kathrin Waidner: „Mir gefällt mein Leben dort total gut!“

Kathrin Waidner spielt Tennis seit ihrem fünften Lebensjahr und war damit schon immer recht erfolgreich. Aber dass es ihr der Sport einmal ermöglichen würde, im Ausland zu studieren, hätte sie sich vor ein paar Jahren nicht träumen lassen. Die Nesselwangerin hat nach ihrem Abitur im Juni 2013 ein Vollstipendium der University of Southern Mississippi, kurz USM, erhalten, das bedeutet, dass ihre Universität für ihre Studiengebühren und Lebenshaltungskosten aufkommt, da sie für das Uni-Team landesweit Tennis spielt. Nun lebt sie seit fast schon einem Jahr in der US-Stadt Hattiesburg, etwa eineinhalb Stunden entfernt von New Orleans, und möchte auch so schnell nicht mehr zurück.

Zuerst einmal: Wie bist Du überhaupt an dieses Stipendium gekommen?
Ich wurde von verschiedenen Agenturen angeschrieben, die über meinen deutschlandweiten Tennis-Ranglisten-Platz auf mich aufmerksam geworden sind. Die haben mich dann an die verschiedenen Universitäten in den USA vermittelt. Es folgten sehr viele Gespräche, ich musste einen Englisch- und einen Mathe-Test absolvieren.

War die Entscheidung, das Auslandsstipendium anzunehmen, nicht schwer für Dich?
Doch, anfangs schon. Ich denke, es ist normal, dass man erst einmal Angst davor hat, so weit für so eine lange Zeit von Zuhause wegzugehen. Aber meine Eltern haben zu mir gesagt: „Die Chance bekommst du nur einmal im Leben, also nutz sie!“, und da hatten sie auch Recht, denn ich wollte eh ins Ausland und dass ich das dann mit einem Studium und dem Tennis-Spielen verbinden konnte, war eigentlich perfekt. Die Entscheidung war dann also recht schnell getroffen.

Und wie ging es dann weiter?
Ich habe dann viele Angebote von Unis aus dem ganzen Land bekommen, so dass mir die Entscheidung für eine bestimmte dann nochmal sehr schwer fiel. Ich wollte nicht in eine Großstadt, aber die Uni sollte auch nicht zu klein sein. Und letztendlich entschied ich mich dann eben für Mississippi, obwohl viele zu mir gesagt haben: „Bist du verrückt? Du kannst nach New York oder Kalifornien – und gehst nach Mississippi?“ Aber der Coach des Tennis-Teams der USM hat so einen netten Eindruck gemacht und mich sogar extra besucht, dass ich mich dafür entschied. Und dann ging alles recht schnell.

Also bist Du direkt nach deinem Abitur umgezogen?
Ja, im Juni 2013 habe ich mein Abi gemacht und im August bin ich dann schon in die USA gegangen.

FA_10_14_waidner02Das war bestimmt schwer für Dich…
Ich habe es mir ehrlich gesagt schwieriger vorgestellt. Die Familie vermisst man natürlich, vor allem am Anfang. Aber dadurch, dass ich eine Teamkollegin aus Nürnberg, die auch an die USM gegangen ist, bereits kannte, war es leichter. Und die Mädels aus meinem Team, mit denen ich auch zusammen wohne, sind alle super nett. Wir haben uns schon nach einer Woche super verstanden!

Und was genau studierst Du?
Ich studiere „nursing“, also übersetzt Krankenpflege. Allerdings kann man das nicht mit der deutschen Ausbildung zum Krankenpfleger vergleichen, denn wir dürfen im medizinischen Bereich viel mehr selbst machen. Wenn ich meinen Abschluss habe, bin ich also nach deutschen Begriffen eher Assistenzärztin.

Läuft das Tennis-Spielen dann so nebenher?
Oh nein! Das Tennis-Spielen ist eine meiner Hauptbeschäftigungen. Wir trainieren meistens sechs Tage in der Woche, maximal 20 Stunden insgesamt. Das Training ist echt ziemlich anstrengend! Krafttraining, Ausdauer, Power-Joga und natürlich Tennis spielen gehören zum Trainingsplan. Im Herbst habe ich wahrscheinlich wieder vier Monate Dauer-Muskelkater, aber das gehört eben dazu, so finanziere ich schließlich mein Studium.

Hört sich nicht so an, als ob Du eine große Tenniskarriere anstrebst.
Stimmt, ich will eigentlich nicht mein Leben lang Tennis spielen. Für mich ist der akademische Teil viel wichtiger. Ich bin dankbar dafür, dass ich an der USM Tennis spielen darf und so mein Studium in den Staaten finanziere, aber große Karriere möchte ich mit dem Spielen nicht machen. Lieber würde ich nach meinem Abschluss in drei Jahren noch Medizin studieren und dann Kinderärztin werden. Mal schauen, was die Zukunft bringt.

Weißt Du denn schon, wo Dich die Zukunft hinbringt? Nach Deutschland oder Amerika?
Nein, das liegt noch in den Sternen. Bevor ich nach Mississippi zog, hatte ich eigentlich nicht vor, länger als zwei Jahre dort zu bleiben. Aber jetzt gefällt es mir so gut, dass ich sicher meinen Abschluss in den USA machen will, also mindestens noch drei Jahre da bleibe. Die Meinung kann sich so schnell ändern, dass ich mich jetzt noch nicht für ein Land entscheiden will und auch nicht kann.

Deine Familie wünscht sich bestimmt, dass du wieder zurückkommst.
Ja, ich glaube schon.

Vermisst Du Deine Familie denn arg?
Vermissen tue ich sie schon manchmal, aber wir skypen fast jeden Tag, ich weiß also immer was bei ihnen los ist und umgekehrt. Das macht es sehr viel leichter. Man hat gar nicht das Gefühl, so weit weg zu sein. Ich meine, wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich wahrscheinlich auch nur zweimal im Jahr heimkommen, das macht für mich keinen so großen Unterschied. Und meine Mädels aus dem Team sind mittlerweile auch schon fast wie eine Familie für mich.

Wie sieht das denn mit Essen aus? In den USA gibt es ja sehr viel Fast Food, war das eine große Umstellung?
Total! Ich war es von Deutschland gewohnt immer gesund zu essen und in den USA wird immer sehr fetthaltig gekocht. Bis jetzt habe ich immer in der Cafeteria gegessen, da war es fast unmöglich sich gesund zu ernähren. Aber jetzt ziehen wir in ein eigenes Haus und ich freue mich schon riesig, endlich wieder selber gesund kochen zu können!

Nochmal zurück zu Deinem Studium: Ist es nicht ziemlich schwer, für das Studium zu lernen, wenn Du so viel trainierst und mit deinem Team unterwegs bist?
Das geht eigentlich. Für die Uni sind ihre Sportler sehr wichtig, deshalb wurde das Studium von den Zeiten und dem Lernpensum her perfekt auf uns angepasst. Allgemein ist das Studium auch anders aufgebaut als es in Deutschland der Fall ist. Alle meine Freunde, die in Deutschland studieren,  haben zwei Monate im Jahr, in denen sie die ganze Zeit Prüfungen schreiben und lernen müssen. Das ist bei mir nicht so. Wir müssen das ganze Jahr über lernen, dafür aber nicht so viel, es gibt mehrere kleinere Prüfungen. Und ein weiterer Vorteil ist, dass man an der USM auch für Mitarbeit und häufige Anwesenheit Punkte bekommt. Die Motivation ist also irgendwie größer, denn Fleiß wird viel mehr belohnt. Außerdem müssen wir Sportler gute Noten im Studium haben, da wir sonst nicht mehr trainieren dürfen. Mein Coach hat also immer ein Auge auf meine Noten.

Hattest Du denn am Anfang Probleme mit der Sprache?
Überhaupt nicht! Die Professoren sprechen alle sehr deutlich und wenn man mal was nicht versteht, kann man nach einer Vorlesung einfach nochmal nachfragen. Zuerst hatte ich vor allem bei Fächern wie Biologie oder Geschichte Bedenken was die Sprache betrifft, aber das war dann alles halb so schlimm. Nur die Einheimischen, die in Mississippi wohnen und aufgewachsen sind, habe ich anfangs überhaupt nicht verstanden, weil die einen echt starken Südstaaten-Slang an den Tag legen. Und mittlerweile rede ich selbst so!

Was ist Deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen den USA und Deutschland?
Ich glaube, dass die Lebenseinstellung der größte Unterschied ist. Amerikaner sind irgendwie offener und lockerer. Mit Einheimischen Kontakt zu knüpfen ist dort sehr viel einfacher als in Deutschland, dafür sind die Freundschaften aber leider meistens auch nicht so tiefgründig.

Ich habe gelesen, dass der höchste Berg in Mississippi nur 246 Meter hoch ist. Vermisst Du unsere Berge manchmal?
Also, direkt vermissen würde ich jetzt nicht sagen, aber jedes Mal wenn ich nach Hause komme, freue ich mich auf die Berge. Ich schaue dann aus dem Fenster, mitten in die Alpen und denke mir: „Wow, haben wir es schön hier“. Man schätzt die Allgäuer Landschaft wieder mehr, wenn man einmal lange weg war.

Das Interview führte Katja Sontheim ·
Bilder: Kathrin Waidner

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